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AT: Forderung nach bedingungslosem Grundeinkommen stößt auf breite Ablehnung

DMZ –  POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦                                    

 

Exakt 168.981 Personen bzw. 2,66% der Bevölkerung haben ein Volksbegehren mit dem Titel "Bedingungsloses Grundeinkommen umsetzen!" unterzeichnet. Demnach sollen alle Personen mit Hauptwohnsitz in Österreich eine in der Höhe noch auszuhandelnde monatliche, staatliche Zahlung erhalten, um ihnen "ein menschenwürdiges Dasein und echte Teilhabe an der Gesellschaft" zu ermöglichen, wie es im Volksbegehren heißt. Heute hat der Nationalrat mit einer Ersten Lesung die Beratungen über das Anliegen gestartet. Viel Zuspruch erhielt das Volksbegehren allerdings nicht, die Parlamentsfraktionen äußerten sich einhellig kritisch. Nun soll die Debatte im Sozialausschuss fortgesetzt werden.

 

Seitens der ÖVP lehnte Ernst Gödl die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens mit dem Argument ab, dass Österreich einen gut ausgebauten Sozialstaat habe. Es bestehe kein Anlass, das System anders zu gestalten, meinte er. Zumal aus seiner Sicht sowohl ökonomische als auch gesellschaftspolitische Gründe gegen die Einführung eines solchen Grundeinkommens sprechen. Eine monatliche Leistung von 1.000 € hätte jährliche Staatsausgaben von 108 Mrd. € zur Folge, das wären beinahe die gesamten Steuereinnahmen, rechnete Gödl vor. Also müssten die Steuern erhöht werden. Zudem widerspricht ein Grundeinkommen ihm zufolge dem Prinzip der Eigenverantwortung und einer fairen Gesellschaft, ein Solidarsystem dürfe "niemals eine Einbahnstraße sein".

 

Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre nicht finanzierbar, sind auch die SPÖ-Abgeordneten Verena Nussbaum und Alois Stöger überzeugt. "Mathematisch geht sich das einfach nicht aus", zudem würde man damit den österreichischen Sozialstaat zerstören, warnte Stöger. Das Geld würde für wichtige Maßnahmen wie eine Ausweitung von Pflegeleistungen oder einen Ausbau der Kinderbetreuung fehlen, gab Nussbaum zu bedenken. Zudem ist es für sie nicht einsichtig, dass alle gleich viel Geld bekommen sollen, unabhängig von ihrem Bedarf. Ebenso würde das Problem, dass Frauen bereits jetzt mehr unbezahlte Arbeit leisten als Männer, verschärft, bestehende Geschlechterrollen würden weiter verfestigt.

 

Man müsse daran arbeiten, dass sich Leistung wieder lohne, begründete FPÖ-Abgeordneter Christian Ragger unter anderem seine Ablehnung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Abgesehen von der Finanzierungsfrage sei es nicht angebracht, "jedem Dahergelaufenen" 1.000 € zu geben, erklärte er. Die Mindestsicherung müsse ein letzter Auffangbogen sein. Ragger sieht außerdem verfassungs- und europarechtliche Hürden für ein Grundeinkommen: Da die Mindestsicherung Länderkompetenz sei, wäre damit etwa eine Gesamtänderung der Bundesverfassung verbunden.

 

Die Ziele des Volksbegehrens - eine soziale Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft und die Bekämpfung von Armut -, seien durchaus unterstützenswert, meinte Markus Koza von den Grünen, er habe aber große Zweifel, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen ein geeignetes Mittel wäre, das zu erreichen. Die Lücken, die der an sich gut ausgebaute österreichische Sozialstaat habe und die durch die Corona-Krise offensichtlich geworden seien, würden auch durch ein Grundeinkommen nicht geschlossen. Überdies glaubt Koza nicht, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen in einer arbeitsteiligen Gesellschaft funktionieren würde und mit dem Sozialversicherungssystem kompatibel ist. Wichtiger wäre es seiner Ansicht nach, den Soziallstaat durch das Schließen bestehender Lücken "noch armutsfester zu machen".

 

Gar von einer "Schnapsidee" sprach NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker (NEOS). Er sei ganz klar gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen, sagte er. Ihn störe es schon, wenn "wohlhabende Leute" den Klimabonus erhalten. Auch die Bevölkerung wolle sicher nicht mit einem bedingungslosen Grundeinkommen "die Weltreisen der Kinder von Reichen finanzieren". Zudem würde sich die Finanzierung der Leistung "hinten und vorn nicht ausgehen". Alle hätten die Verantwortung, auf jene zu schauen, die nicht auf sich selbst schauen könnten, sagte Loacker, aber wer auf sich selbst schauen könne, benötige keine Unterstützung.

 

Die Unterzeichner:innen des Volksbegehrens sind hingegen überzeugt, dass ein – unpfändbares und wertgesichertes – Grundeinkommen ohne Gegenleistung den sozialen Zusammenhalt stärken, Existenzängste abbauen und den Klimaschutz vorantreiben würde. Zudem erwarten sie sich eine Verringerung der Ungleichheit in Österreich, die Abschaffung von Armut und eine Steigerung der Gesundheit und Lebensfreude. Auch könnte der Wandel der Arbeitswelt besser gelingen und die Geschwindigkeit des Lebens damit gesenkt werden. Über die Höhe, die Finanzierung und die Umsetzung des Grundeinkommens soll laut Initiator:innen des Volksbegehrens das Parlament entscheiden, wobei die Zivilgesellschaft maßgeblich in den Entscheidungsprozess einzubinden wäre. Einkommen und Vermögen sollen ihnen zufolge beim Grundeinkommen keine Rolle spielen.

 

 

Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦ 

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