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Habeck kann nicht viel richtig machen

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦                                 

KOMMENTAR

 

Die Gaskrise hat er genauso geerbt wie er sich nun als einer der wesentlichen Stromproduzenten in Mitteleuropa um die Mangelsituationen in Frankreich sowie bei der Wasserkraft in den Alpen zu kümmern hat. Aber die Trockenheit setzt zumindest die Brennstofflogistik der deutschen Stromproduktion ebenfalls unter Stress. Hinzu kommt die offene Frage, ob es zu viele Transfers vom Gas in den Strom („Heizlüfter“) gibt, die einen unkalkulierbaren Mehrverbrauch erzeugen. Seine Aussage, wir hätten ein Gas/Wärme- und kein Stromproblem ist insofern nicht nur wegen Merit Order mehr als unglücklich – er würde das so wohl nicht wiederholen.

 

Seine Situation ist politisch ohnehin nicht zu gewinnen, da er zwischen seiner eigenen Klientel, der teilweise dogmatisch unter keinerlei Bedingungen der Betrieb von Kernkraftwerken zu vermitteln ist und einer Opposition, die einfach nur vollkommen veraltete Energiedebatten wiederbelebt, kaum ein den tatsächlichen Herausforderungen entsprechendes Management leisten kann.

 

Nun muss er sich aber auch noch mit der Industrie anlegen, denn „der Markt“ zeigt seine Reaktionsmuster und das nicht nur bei Merit Order. Preussen Elektra opponiert in „offenen Briefen“ gegen die Idee, Isar 2 einfach nur als Kaltreserve hinzustellen. Die Betreiber der nun als Reserve erwünschten Kohlekraftwerke opponieren gegen die Vorgabe, den Reservebetrieb bis April 2023 zu befristen, sie wollen die Betriebserlaubnis für mindestens ein ganzes Jahr. In beiden Fällen geht es – Überraschung – ums Geld, denn der „heiße“ Betrieb dieser Kraftwerke, möglichst unter Volllast und natürlich möglichst lange ist eine kleine Lizenz für eine Gelddruckmaschine bei diesen Strompreisen.

 

Sowohl marktaffine Ökonomen als auch die diesen zugeneigte Presse kritisieren Habeck entsprechend, er müsse die ökonomischen Anreize des Markts ausreichend setzen, damit uns nicht doch noch eine „echte“ Energiekrise droht – bisher haben wir ja „nur“ eine Energiepreiskrise. Leider sind diese Hinweise zunächst mal richtig. Merit-Order auszusetzen geht nicht so einfach, da hängt die Kraftwerksplanung dran und der Preismechanismus stellt sicher, dass wirklich jede insbesondere in der Spitzenlast erforderliche Kapazität auch angeboten wird. Das versucht Habeck auch gar nicht, wird dafür aber auch von vielen angegriffen.

Die Kohlekraftwerke hoch zu fahren, ist klimapolitisch ohnehin ein Sündenfall. Das auf den kommenden Winter zu begrenzen, ist ein notwendiger Kompromiss, für den aber möglicherweise die Durchsetzungsmaßnahmen fehlen. Leider muss er sich auch hier möglicherweise der Frage beugen, dass nicht nur die Richtigkeit einer Idee maßgeblich ist. Die Betreiber der Kohlekraftwerke sagen ganz offen, dass man sie nicht zwingen könne, für die kurze Frist irgendwas zu tun. Das darf man als Ökonom nun so bewerten, wie viele das tun, aber man darf auch dazu sagen, dass es so etwas wie ein Revolver auf dem Tisch ist – oder?

 

Zugleich ist es gesamtökonomisch und versorgungstechnisch einfach nur vernünftig, existierende Brennstäbe in betriebsbereiten Kernkraftwerken auch zu nutzen – um realen Strom zu produzieren und zwar so viel, wie man da raus holen kann. Das wird den Preis nicht beeinflussen, das wird kein Gas sparen, es wird auch nicht viel bei dem Grundlastbedarf durch Kohle sparen, aber es nicht zu tun, ist kaum begründbar.

Habeck muss sich leider politisch und ordnungspolitisch mit vielen Seiten anlegen. Dabei hat er teilweise nur stumpfe Schwerter und wird gar nicht vermeiden können, Dinge zu tun, die ihm politisch schaden, die ökonomisch teuer werden oder die klimapolitisch falsch sind.

 

Wenn er das hinbekommt und dabei politisch überlebt, dürfen wir alle Hüte, die wir haben, vor ihm ziehen. Dankbar dürfen wir dann ohnehin sein. Noch ist unklar, ob er das Format dafür hat. Sollte er es beweisen, wäre er der Richtige für die Fragen danach.

 

So ein Marktdesign gehört abgeschafft und wir erkennen täglich seine besonders vielen Facetten, die das mehr als deutlich machen. Die Energieerzeugung ist ganz offensichtlich ebenfalls in eine Schieflage geraten und das liegt eben nicht an den Erneuerbaren, sondern an der immer noch bestehenden Abhängigkeit von der Kohle sowie nun auch noch an der Frage, wo das Gas zukünftig her kommen soll und welche Rolle es in unserem Energiemix noch spielen kann.

 

Das sind Fragen, für die wir Leute von Format brauchen. Bei Habeck muss sich das zeigen, bei vielen, die ihn heute billig angreifen, ist das bereits beantwortet: Die haben es erkennbar nicht!

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