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Ein „Triple-Wumms“ für den Konsum mit kreativer Buchführung

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦                                 

KOMMENTAR

 

Was viele übersehen: Das vom Kanzler mit „Doppelwumms“ bezeichnete neue Hilfspaket von 200 Milliarden kommt auf die bisher bereits beschlossenen 100 Milliarden oben drauf.

 

Man darf vermuten, dass in dieser Sprachregelung ein „Wumms“ gleich 100 Milliarden heißt, wir tatsächlich also von einem „Triplewumms“ sprechen. Das nähert sich übrigens 10% unseres BIP. Zum Vergleich: In UK wird von Ökonomen und den Kapitalmärkten gerade ein Paket über 6% des BIP zerrissen.

 

Der Finanzminister erklärt das mit Schulden, die irgendwie anders sind und die vom Bundeshaushalt strikt zu trennen seien, denn die Schuldenbremse müsse unbedingt eingehalten werden. Tatsächlich wird die in diesem Jahr natürlich nicht eingehalten, vielmehr wird sie quasi auf Vorrat für die kommenden Jahre verletzt. Bereits davor wurden sehr strittige Reserven in der Planung, nämlich früher nicht gemachte Schulden, gehoben, um angeblich die Schuldenbremse einzuhalten. Dieser Etikettenschwindel geht nun nicht mehr, es reicht nicht, die „Reserven“ aus vergangenen Jahrzehnten sind bereits weg, der „Wirtschaftskrieg“ wird als Ausnahmesituation bemüht, um 200 Milliarden zu mobilisieren. Eine Summe, die fest steht, bevor fest steht, wofür sie so ganz genau eingesetzt werden soll.

 

Zuerst das Geld, dann dessen Verwendung und zwar auf Vorrat für die nächsten Jahre, in denen es dann neben dem Bundeshaushalt, der unbedingt die Schuldenbremse einzuhalten hat, ausgegeben werden kann. Die 100 Milliarden aus der „Zeitenwende“ für die Bundeswehr kommen übrigens auch noch dazu, exakt identisch „verbucht“. Hier nennt sich das ganze „Sondervermögen“ und wird irgendwann in der Zukunft verwendet, ohne es in den jeweiligen Haushalten auszuweisen.

 

Schattenhaushalte sind nichts neues. Alle Finanzminister aller Parteien haben sich in dieser Kunst geübt. Neu ist jedoch die Dimension: Die Ampel unter diesem Kanzler und seinem Finanzmister schafft hier binnen eines Jahres nicht weniger als 400 Milliarden in Schattenhaushalte, aus denen in den nächsten Jahren Ausgaben jenseits der Rechenschaftspflicht finanziert werden können. Zum Vergleich: Das entspricht ca. 17% unserer aktuellen Gesamtverschuldung, 12,5% unser BIP oder ca. zwei Dritteln eines „normalen“ Bundeshaushalts.

 

Diese „Bevorratung“ von Schulden für die kommenden Jahre, über die dann nicht mehr laufend Buch zu führen ist, wäre bereits in normalen Zeiten inakzeptabel und mit den Berichtspflichten eines Finanzministers nicht vereinbar. Unter den kommenden, außergewöhnlichen Verhältnissen bleibt abzuwarten, wie sich die Staatshaushalte entwickeln. Durch Rezessionsgefahren drohen hier einerseits Belastungen, andererseits durch die Inflation und die beispielsweise seitens der EU gerade parallel entworfenen Abschöpfungsinstrumente beim Strom aber enorme Zusatzeinnahmen.

 

Es wäre daher explizit in dieser Krise sogar besonders wichtig, über die tatsächliche Kassenlage – zeitnah! – sehr sachgerecht zu berichten. Dass es staatlicher Maßnahmen bedarf, um den sozialen und ökonomischen Folgen dieser Energiepreiskrise zu begegnen, ist vollkommen unstrittig. Die Höhe von mehr als 10% des BIP ist als solche auch nicht unangemessen, sie sollte sich aber nicht aus dem „Schöpfungsrahmen“ kreativer Haushaltsführung, sondern aus dem tatsächlichen Bedarf ergeben. Der entsteht aus den Maßnahmen sowie der Einnahmensituation. BEIDES wird hier nicht berücksichtigt.

 

Wenn der Staat solche Volumina in die Hand nimmt, muss deren Verwendung besonders gut funktionieren, denn gerade im Zusammenhang mit Preiskrisen droht selbstverständlich eine kontraproduktive Verstärkungswirkung. Sowohl die ursächliche Krise als auch schlimmstenfalls deren Verstärkung können zugleich die Einnahmen des Staates erhöhen, was aber die eigentliche Krise nochmals verstärkt.

Der Staat muss also über die Verwendung und die Herkunft seiner Mittel in so einer finanziellen Krise ganz besonders präzise Rechenschaft ablegen. Es ist unerträglich, wie genau das Gegenteil schon zu Beginn der Krise passiert. Was und wie Scholz und Lindner kommunizieren, ist unfassbar. Das ist keinen Millimeter besser als das, was man Griechenland bei der Aufnahme in den Euro vorwerfen musste. Wir können nur hoffen, dass die Kapitalmärkte nicht irgendwann erkennen, dass Deutschland seinen Ruf nicht mehr verdient hat.

 

Die Entwicklung der Währungsmärkte ist jedenfalls schon jetzt kein Vertrauensbeweis mehr. Diese unerträglichen Taschenspielertricks dürften das nicht verbessern.

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