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Die relevante Studie zum Stromnetz bleibt die der Netzbetreiber

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦                                 

KOMMENTAR 

 

Da sich der Streit um die drei Kernkraftwerke bis zu einer ernsten Regierungskrise ausweitet, kann ich jedem nur empfehlen, die aus meiner Sicht einzige relevante Quelle dazu, nämlich den bereits vor ca. vier Wochen vorgelegten Bericht der Netzbetreiber, zu studieren. Was es dazu an Medienberichten und politischen Aussagen sowie dem daraus entstandenen Chor in den sozialen Medien gegeben hat, ist überwiegend nicht mit den Tatsachen vereinbar. Leider bringen auch die oft verkürzten Aussagen von „Energieökonomen“ wenig Licht in die Sache.

 

Insbesondere ist festzuhalten:

  • Keine Blackout-Gefahr
  • Keine Entwarnung bei den Preisen, durch keine Maßnahme
  • Ursache liegt im Wesentlichen in Frankreich
  • Versorgung der Gaskraftwerke ist sicherzustellen (deshalb auch kein Preiseffekt)
  • Reaktivierung und Versorgung der Steinkohlekraftwerke über Wasserwege und Exporte aus Polen ist sicherzustellen
  • Weiterbetrieb der drei AKWs ist zu empfehlen
  • Zusatzverbrauch durch Heizlüfter ist ein Risiko

Unterschieden werden verschiedene Szenarien, die von den Ausfällen in Frankreich über Versorgungsprobleme bei Kohle/Gas bis zu dem Zusatzverbrauch durch Heizlüfter reichen. Diese Szenarien sind überwiegend extern sowie wetterbedingt. Sie können – müssen aber nicht – dazu führen, dass in Deutschland Lastabwürfe erforderlich werden. Das sind also kontrollierte und temporäre Abschaltungen von Verbrauchern. Als weitere Risiken werden ggf. notwendige Abschaltungen von Großverbrauchern sowie insbesondere Exportbeschränkungen gesehen, was (meine Anmerkung) ganz erheblich Folgen für die betroffenen Länder hätte und (meine Sicht) bei unserer nationalen Diskussion leider zu kurz kommt. Ein größerer Ausfall der Energieversorgung unserer Nachbarn ist nichts, was wir einfach ignorieren können.

 

Wer die Details liest, wird erkennen, dass innerhalb Deutschlands vor allem die Stromversorgung im Süden das Problem ist. Hier sind besonders viele Gaskraftwerke im Netz und die Stabilität geht nur durch die Zufuhr von insbesondere Windenergie aus dem Norden. Daher sind die zwei AKWs im Süden auch relevanter als das im Norden. Die südlichen sollen laut Gutachten die Versorgung im Süden stabilisieren und so den Transfer aus dem Norden entlasten. Das könnte insgesamt die Transferkapazitäten in Deutschland verbessern, deren Belastung gesondert betrachtet wird, da für den Ausgleich der Ausfälle in Frankreich im kommenden Winter ein außergewöhnliches Transfervolumen durch die Netze in Deutschland erwartet wird.

 

Wie man das hinsichtlich des Streits nun bewertet, ist letztlich Meinungssache. Es nur auf die drei Kernkraftwerke zu fokussieren, ist dem Gutachten zufolge nicht sachgerecht. Die mit deren Weiterbetrieb verbundenen Hürden bewertet das Gutachten übrigens nicht, das können die Netzbetreiber auch nicht leisten. Definitiv ist es falsch, von einem Problem der Stromerzeugung in Deutschland zu sprechen. Hier ist allenfalls die Asymmetrie zwischen Norden und Süden zu erkennen, die im Normalfall aber bisher balanciert wurde, durch die Kombination aus drohendem Gasmangel und hohen Exporten nach Süden und Westen nun aber zum Problem werden könnte. Erkennbar ist natürlich das Problem bei der Abhängigkeit von russischem Gas, ein Versäumnis für unsere gesamte Energieversorgung. Ebenso erkennbar ist aber, dass man komplett ohne Gas ein Stromsystem heute nicht mehr betreiben kann. Das Preisproblem ist also das Markt-Design und das ist eine andere Ebene.

 

Meine persönliche Wertung ist, dass der Weiterbetrieb der drei AKWs in dieser Situation angezeigt, aber kein „Gamechanger“ ist. Daraus eine Regierungskrise zu machen, ist nicht inhaltlich, sondern politisch motiviert. Das ist angesichts der Gesamtlage nicht zu akzeptieren.

 

Eine grundsätzliche Kernkraftdebatte halte ich wie oft geschrieben, für angezeigt. Aber genau hier gehört die gar nicht hin. Es geht momentan nicht um die spezifischen Eigenschaften von Kernenergie, sondern um die Bereitstellung von Kapazitäten welcher Art auch immer, je südwestlicher, desto besser. Der größte Anteil wird ohnehin durch Kohlekraftwerke zu leisten sein – genau deshalb wäre über Kernenergie zu sprechen.

Später, nicht jetzt und ganz so einfach ist es auch nicht, denn genau die Situation zeigt, dass die Idee zentraler Energieerzeugung und des Transports gewaltiger Energiemengen an ihre Grenzen gekommen ist. Großkraftwerke sind nicht mehr die Lösung für ein modernes Energiesystem. Aber auch das gehört hier schon nicht mehr hin.

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