RRRrrrr Renners Rasende Randnotiz - Iran Teil II

Potrait von Olivia Aloisi
Potrait von Olivia Aloisi

DMZ – KOLUMNE ¦ Alon Renner ¦                        Potrait von Olivia Aloisi 

 

Das Wenige, das diese Tage aus dem Iran zu uns durchsickert, berührt, verstört und beschäftigt. Und nährt die Hoffnung auf einen Wandel. Ob diese berechtigt ist, wissen wir nicht. Denn die Geschichte des Landes ist eine einzige, schäumende Welle, die sich immer wieder aufbäumt, niederfällt und wieder aufbäumt, um dann mit aller Kraft an den Strand zu schlagen.

 

Kriege, Revolten, Aufstände und Umstürze zeichnen diese Region seit über 500 Jahren aus... Um die aktuellen Ereignisse besser zu verstehen und in einen grösseren Kontext zu setzen, möchte ich Euch das Geschehen der letzten Jahrhunderte gerne etwas näherbringen.

 

Und ja, schon 1979, gleich nach der islamischen Revolution, gingen die Frauen auf die Strasse. Und 1999 die Studenten, um gegen Zensur und für Pressefreiheit zu demonstrieren. 2009 war es dann die politische Opposition, 2017 begann der feministische Kampf und 2019 protestierte das Volk wegen den steigenden Benzinkosten.... Aber so kommen wir nicht weiter. Lasst uns also von vorne beginnen.

 

Schon in der Antike existierte ein persisches Reich. Aber als Nationalstaat bildete sich der Iran erst in der Moderne heraus. Um das Jahr 1500 errichtete der Stamm der Safawiden ein persisches Königreich und eine Herrscherdynastie, die gut zwei Jahrhunderte halten sollte. Die Staatsreligion bildete der schiitische Islam.

Im Kern bestand das Land aus Tausendundeine Nacht aus dem Gebiet, das auch heute noch iranisch ist. Zeitweise gehörten auch Teile des jetzigen Irak dazu und auch einige Provinzen Afghanistans. Wie in Europa auch kämpften zur damaligen Zeit verschiedene Regenten, Monarchen und Königsfamilien um die Vormacht in der Region. Dabei nahmen sich ihre Staatsgebiete wie Mondphasen aus. Je nach Stand des aktuellen Kriegsgeschehens waren diese mal grösser und dann mal wieder kleiner. Aber auch innerhalb des Staatswesens gab es häufig Veränderungen. Zank und Streit unter der safawidischen Herrscherfamilie und den mit ihnen verbündeten Stämmen führten laufend zu neuen Machtkonstellationen.

 

Konstant war hingegen die Vorstellung eines zusammengehörigen, persischen Volkes. Ihren König nannten sie Schah. Diesen Titel kennt Ihr zum Beispiel vom Schachspiel. Schachmatt heisst nichts anderes als: «Der Schah ist geschlagen, er ist hilflos».

 

Ab 1723 folgte ein Umsturz dem nächsten. Zuerst fielen die Afghanen in das Land ein und entmachteten die Safawiden, um dann nur wenige Jahre später von einem persischen Nomadenführer vertrieben zu werden. Dieser neue Schah wiederum wurde zur Mitte des Jahrhunderts kaltblütig ermordet. Worauf im Norden des Landes das Chaos ausbrach und im Süden die Herrschaft der Zand, die der Bevölkerung immerhin einige Zeit Ruhe und Wohlstand sicherte.

 

Der Stamm der Kadscharen sollte dann in den 1790er Jahren den in Kleinstgebiete zerfallenen Nordiran erobern, einen und mit geballter Kraft die Zand im Süden stürzen. Fortan herrschten sie alleine. Und ihre Regentschaft hielt bis nach dem ersten Weltkrieg an.

 

Als ob all diese Ereignisse nicht schon genügend Unheil angerichtet hätten, drangen zu Beginn des 19ten Jahrhunderts die Russen und die Engländer in die sandige, palmenbewachsene Region ein. Dies hatte zur Folge, dass der Kaukasus an das Zarenreich verloren ging und grosse Gebiete des Ostirans an das britische Empire. Zudem bekam Russland fortan ein Mitspracherecht bei der iranischen Thronfolge.

 

Aber das war noch nicht alles. Der Umstand, dass das geschwächte Land nicht fähig war, genügend Steuergelder einzutreiben, öffnete Tür und Tor für die Ausbeutung durch europäische Staaten. Dies durch die Vergabe von Konzessionen, die ausländischen Firmen gegen Zahlung geringer Abgaben Teile der Wirtschaft überliess, so etwa ab den 1860er Jahren der Aufbau des Telegraphennetzes, die Fischereirechte, der Betrieb von Banken und besonders brisant: die Ölförderung.

 

Vor allem britische Unternehmen erwarben immer mehr und mehr Rechte, die ihnen die Kontrolle über den Handel erlaubten.

 

Der Höhepunkt dieser Entwicklung wurde mit dem Tabakmonopol für ein britisches Konsortium erreicht, das 1891 zu einem vollständigen Tabakboykott und zur Rücknahme der Konzession führte. Dies war die erste erfolgreiche iranische Protestbewegung von Händlern, Geistlichen und Intellektuellen gegen die Herrschenden und den Ausverkauf der Ressourcen des Landes.

 

Als der damalige Schah 1905 angesichts eines Staatsbankrottes weitere wirtschaftliche Zugeständnisse machen wollte, dieses Mal an Russland, kam es zu monatelangen Unruhen. Diese mündeten in einer Revolution, in der er gezwungen wurde, fortan ein Parlament mit gewählten Volksvertreten zuzulassen. Dieses verabschiedete am 5. August 1906 die erste Verfassung. Sie sah die Herrschaft des Volkes durch freie Wahlen, Grundrechte und eine Gewaltenteilung nach westlichem Vorbild vor, aber auch die Vereinbarkeit aller Gesetze mit der Scharia, dem islamischen Recht. Somit wurde die absolute Monarchie aufgehoben.

Bereits 1908 allerdings putschte der Schah und liess das Parlament beschiessen; zahlreiche Abgeordnete wurden verhaftet und einige sogar hingerichtet. Der ein Jahr dauernde Bürgerkrieg führte zum Rücktritt des Herrschers. Als sein Nachfolger wurde sein zwölfjähriger Sohn bestimmt. So war es für Russland und Grossbritannien ein Leichtes, ihren Einfluss auch weiterhin geltend zu machen.

 

Während des Ersten Weltkrieges wurden auf iranischem Territorium, trotz Neutralitätserklärung, heftige Kämpfe zwischen dem Zaren, den Engländern und dem osmanischen Reich ausgetragen, die das Land in Schutt und Asche legten.

 

Als dieser vorüber war, beschränkte sich die Macht des Schahs nur noch auf die Hauptstadt. Die Streitkräfte bestanden lediglich aus einer Kosakenbrigade, einer Polizeitruppe und leichtbewaffneten, nomadischen Kämpfern. Der Staat hatte keinerlei Organisationen mehr, um seine Macht durchzusetzen, und war von Grossgrundbesitzern, Stammesfürsten und Geistlichen abhängig.

 

Man schätzt, dass zwischen 1917 und 1921 über zwei Millionen Menschen starben - ein Viertel der Bevölkerung. Sie waren dem Krieg, den darauffolgenden Seuchen und Hungersnöten zum Opfer gefallen.

Ein Umsturz brachte dann in den 20er Jahren den Oberkommandierenden der Kosakenbrigade Reza Khan an die Staatsspitze. Zunächst reformierte er die Armee und wurde Kriegsminister, dann Premierminister und schliesslich neuer Schah. Dies indem er sich, wie damals Napoleon, 1926 selber krönte. Aufstände in den Provinzen schlug er mit militärischer Gewalt nieder. Er modernisierte die Verwaltung und auch die Wirtschaft. Der Iran wurde ein Land nach westlichem Vorbild und die Religion zurückgedrängt. Frauen mussten keinen Schleier mehr tragen. Ja, der Schleier wurde sogar verboten. Und die Männer hatten sich per Gesetz so zu kleiden wie in Rom, Paris und London. Bei den islamischen Rechts- und Religionsgelehrten, den sogenannten Mullahs, stiess dieser Modernisierungskurs natürlich auf keine Gegenliebe. Wirtschaftlich lief unter der Herrschaft von Reza Kahn die Ölproduktion im grossen Stil an. Hiervon profitierten aber vor allem die ausländischen Konzerne. Zu der Zeit knüpfte er auch enge Beziehungen zu Deutschland.

 

1934 wurde der offizielle Name Iran für das Land eingeführt (Iran = das Land der Arier). Bis dahin hatte es immer als Persien gegolten.

 

Im zweiten Weltkrieg erklärte sich der Iran für neutral. Um die Nähe des Schahs zum Dritten Reich zu unterbinden, besetzten Grossbritannien und die Sowjetunion allerdings 1941 den Staat, und der Schah musste die Herrschaft an seinen Sohn Mohammad Reza Pahlavi übergeben.

Offiziell blieb der Iran ein selbstständiges Land, aber die Sowjetunion, und mittlerweile auch die USA, nahmen starken Einfluss.

 

Während der neue Schah das Leben eines typischen europäischen Royals führte, sich also mehr um Gartenpartys und Autorennen kümmerte, besorgte sein Premierminister Mohammad Mossadegh die laufenden Geschäfte. Dieser Rechtsanwalt schaffte es, weite Teile der Bevölkerung, inklusive der Nationalisten und der religiösen Kreise, hinter sich zu vereinen. Sein Anliegen war es, die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Landes in die Hände des Staates und der regionalen Unternehmen zu legen. Er wollte die fremden Mächte aus dem Iran drängen und die satten Gewinne der ausländischen Firmen der einheimischen Bevölkerung zukommen lassen.

 

Als er 1953 dazu überging, die Ölindustrie zu verstaatlichen, reagierten die USA und Grossbritannien umgehend und verhängten drastische Sanktionen. Dies hatte zur Folge, dass die Wirtschaft zusammenbrach. Bald gab es fast nichts mehr zu kaufen. Und was viel schwerer wog: auch nichts mehr zu essen.

 

Da putschte das schahtreue Militär. Mitbeteiligt war der US Geheimdienst CIA. Und Mossadegh musste sich ins Privatleben zurückziehen. Ab da begann die Regentschaft von Schah Mohammad Reza als König der Könige...

 

Nächste Woche geht es weiter.

Ich hoffe, ich habe Eure Neugierde geweckt.

 

Ganz liebe Grüsse

Euer Alon

 

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