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AT: Korruptionsvorwürfe: Bundeskanzler Nehammer will keine Vorverurteilungen

Bundeskanzler Nehammer pocht auf Rechtsstaat
Bundeskanzler Nehammer pocht auf Rechtsstaat

DMZ –  POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦                               Bundeskanzler Nehammer pocht auf Rechtsstaat   

 

Auf ein gemeinsames Verlangen von SPÖ und FPÖ hin trat heute der Nationalrat zu einer Sondersitzung zusammen. Die Sozialdemokrat:innen richteten dabei an Bundeskanzler Karl Nehammer den Dringlichen Antrag, "ÖVP-Korruption beenden, statt aussitzen", in dem Sofortmaßnahmen zur Stärkung von Transparenz bei Postenbesetzungen und dem Umgang mit Steuergeld sowie Neuwahlen gefordert werden.

 

Auslöser der Initiative waren inkriminierende Aussagen von Thomas Schmid, ehemals Generalsekretär im Finanzministerium und Chef der Bundesbeteiligungsgesellschaft ÖBAG. Schmid hatte bei seinen Einvernahmen durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ehemalige und aktive ÖVP-Politiker der Anstiftung zum Amtsmissbrauch und der missbräuchlichen Verwendung von Steuergeld bezichtigt. Nehammer bekannte sich dazu, Korruption in Österreich nicht tolerieren zu wollen. Er wies allerdings darauf hin, Urteile in diesem Zusammenhang hätten die unabhängigen Gerichte zu fällen.

Neben dem "Dringlichen" brachte die SPÖ mehrere Fristsetzungsanträge für die Behandlung von Anti-Korruptionsmaßnahmen (56/A, 58/A, 60/A, 61/A, 743/A, 2133/A(E), 2286/A(E), 2384/A, 2385/A) im Verfassungsausschuss beziehungsweise im Justizausschuss ein. Die Abstimmung über diese Anträge erfolgt am Schluss der Debatte über den Dringlichen Antrag. Zudem wird das Plenum dann eine Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag der FPÖ abhalten, der auf die unverzügliche Beratung im Verfassungsausschuss über einen Neuwahlantrag (2733/A) abzielt.

 

Eingangs wurde der FPÖ-Abgeordnete Thomas Spalt angelobt, der dem Freiheitlichen Wehrsprecher Reinhard Eugen Bösch nachfolgt. Vor Eintritt in die Debatte mahnten die Freiheitlichen eine Gedenkminute für die Opfer des Terroranschlags in Wien durch einen islamistischen Attentäter vor zwei Jahren ein. Als Ausdruck der Solidarität mit den Opfern und deren Angehörigen folgte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka dem Aufruf und bat das Plenum, sich zum Gedenken zu erheben.

 

Leichtfried: Regierung ist handlungsunfähig

Für den SPÖ-Klubobfrau-Stellvertreter Jörg Leichtfried ist klar: Österreich brauche Neuwahlen, zumal die Regierung aus ÖVP und Grünen schon bei Corona-Pandemie und Teuerung keine Kompetenz zur Krisenbewältigung an den Tag gelegt habe. Unter der aktuellen Regierung würden daher auch keine Schritte zur effektiven Korruptionsbekämpfung gesetzt, folgerte der Sozialdemokrat, vielmehr beschreite die Regierung den Weg hin zu einer "demokratiepolitischen Krise". Parteispender:innen erhielten mehr Einfluss auf die Demokratie in Österreich als die Wähler:innen. Die COVID-19-Finanzierungsagentur des Bundes (COFAG) beispielsweise habe Millionenbeträge an Steuergeld intransparent an parteinahe Bewerber:innen verteilt.

 

Bundeskanzler Nehammer bestehe darauf, politisches Handeln werde durch das Strafrecht begrenzt, zitierte Leichtfried aus einem Interview des Kanzlers. Moralisch dürften sich Politiker:innen aber nicht nur am Strafrecht orientieren, betonte der SPÖ-Mandatar, wobei er der christlich-sozialen Fraktion die Einhaltung der 10 Gebote absprach. Von diesen seien nämlich nur 2,5 strafrechtlich verboten. Direkt an Nehammer gerichtet, forderte Leichtfried klare Aussagen, ob der Kanzler tatsächlich keine Kenntnisse der mutmaßlichen Korruptionsvorgänge hatte und ob er den von Schmid ebenfalls belasteten NR-Präsidenten Sobotka weiterhin für tragbar in seiner Funktion hält.

 

Die Regierung sei weder handlungsfähig noch handlungsbereit, kritisierte Leichtfried. Anstatt aktuelle Herausforderungen wie die Energiewende und die Gewährleistung der Versorgungssicherheit anzugehen, befasse sich die Regierung mit der Abwehr von Korruptionsvorwürfen. Denn die ÖVP wolle mit allen Mitteln ihre Macht erhalten, prangerte er an. Konkret die Ablehnung der ÖVP, hinsichtlich der morgen anberaumten Befragung von Schmid im U-Ausschuss eine Vereinbarung mit der WKStA über die abzufragenden Themen einzugehen, ist ihm ein Dorn im Auge. "Machen Sie den Weg für Neuwahlen frei!", appellierte Leichtfried.

 

Bundeskanzler Nehammer pocht auf Rechtsstaat

Bundeskanzler Nehammer wies Anschuldigungen der Opposition, in mutmaßliche Korruptionsfälle involviert gewesen zu sein, vehement zurück. "So bin ich nicht und so sind wir nicht", hielt er fest. "Korruption hat in Österreich definitiv keinen Platz". Die Ereignisse der letzten Tagen und Wochen hätten ein miserables Bild der Politik gezeichnet, räumte Nehammer ein und er sagte: "Wenn es diese Vorgänge gegeben hat, verurteile ich sie auf das Schärfste". Parteipolitische Umfragen mit Steuergeld zu finanzieren sei ebenso abzulehnen wie eine politische Bevorzugung der Interessen von finanzstarken Personen. Gerichte würden die Vorwürfe klären, verbat sich Nehammer jedoch, Schuldsprüche zu fällen: "Ich bin kein Richter". Laut Verfassung gehe das Recht vom Volk aus und die Gesetze böten den Maßstab des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Die Veränderung von Wertevorstellung im Laufe der Jahre würden sich in der Gesetzgebung widerspiegeln, das gelte es zu verteidigen. Vorverurteilungen stellen in seinen Augen eine "Aushebelung des Rechtsstaats" dar.

 

Multiple Krisen seien derzeit zu bewältigen, erinnerte Bundeskanzler Nehammer bezugnehmend auf Corona-Pandemie, Klimakrise, Energiekrise, Inflation und den "Unrechtskrieg der russischen Föderation gegen die Ukraine". Angesichts dessen lehne er es ab, die Zeit mit parteipolitischen Auseinandersetzungen zu vergeuden, anstatt sich den Sorgen und Ängsten der Menschen zu widmen. Er wolle als Kanzler das Land durch die Krise führen, so Nehammer, und den Menschen in ihren Nöten beistehen. Denn in Krisenzeiten erwarteten sich die Bürger:innen Geschlossenheit im politischen Handeln. "Korruption ist ein Gift", betonte Nehammer, es unterwandere das Vertrauen in die Institutionen eines Landes. Deshalb stehe er weiteren Gesetzesänderungen zur Korruptionsbekämpfung offen gegenüber, auch wenn Österreich im internationalen Vergleich gut liege. 

 

Grundsätzlich wies der Bundeskanzler den Vorwurf zurück, man sei untätig. 1066 Gesetze habe die Regierung dank Mehrheit im Parlament bereits umgesetzt. Zum einen sei das Land mit Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung gut durch die Corona-Krise gekommen, zum anderen habe man budget- und sozialpolitische Meilensteine gesetzt, nannte er unter anderem die Abschaffung der kalten Progression, die automatische Erhöhung der Familienbeihilfe, die Strompreisbremse und die Erhöhung des Landesverteidigungsbudgets. Hinsichtlich Energiesicherheit hielt er fest, die heimischen Gasspeicher seien zu über 90% gefüllt.

 

SPÖ fordert Anti-Korruptionspaket

In ihren Erklärungen zum Dringlichen Antrag prangert die SPÖ an, eine Verschärfung des Korruptionsstrafrechts, ein Informationsfreiheitsgesetz, sowie die Einsetzung eines unabhängigen Bundesstaatsanwalts seien weiterhin ausständig. Postenbesetzungen würden unabhängig von Qualifikation immer noch politisch gesteuert. Die erfolgte Reform des Parteiengesetzes habe man der ÖVP erst nach massivem Protest und ihrem zwischenzeitlichen Versuch, Mechanismen zur Parteienfinanzierung "still und heimlich" zu legalisieren, abgerungen.

 

Die SPÖ stehe dagegen für "Transparenz, Aufklärung und Anstand", skizzierte Leichtfried im Plenum das Anti-Korruptionspaket seiner Fraktion mit konkreten Gesetzesforderungen. So seien Mandatskauf und Kandidatenbestechung strafbar zu machen, Korruptionsstrafbestimmungen für Spitzenpolitiker zu verschärfen und damit die Verjährungsfristen für Korruptionsdelikte zu verlängern, transparente Vergaben von Regierungsinseraten sicherzustellen, eine Informationsfreiheit einzuführen, Postenbesetzungen im öffentlichen Bereich transparent und objektiv zu gestalten sowie ein weisungsfreier und unabhängiger Bundesstaatsanwalt einzurichten.

 

Die WKStA habe zudem unverzüglich alle von ihr begehrten Akten und Unterlagen zu erhalten, drängt die SPÖ auf eine umfassende Unterstützung der Aufklärung aller Vorwürfe gegen die ÖVP, inklusive einer Beendigung der Aktenvernichtung im Bundeskanzleramt.

 

 

Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦ 

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