Wenn „Experten“ immer noch ungestraft gefährliche Desinformation betreiben dürfen

DMZ – WISSENSCHAFT ¦ Lena Wallner ¦                       

KOMMENTAR

Heute widmen wir uns einem aktuellen Beispiel aus Schleswig-Holstein, wo im Rahmen der „Expertenanhörung“ zum weiteren Umgang mit der Corona-Pandemie (3.11.22) ungehindert Fake-News, Desinformation und Verschwörungstheorien verbreitet wurden.

Fake-News der übelsten Sorte, Aussagen die längst widerlegt sind, tausendfach. Der Kinderarzt Ralf van Heek z.B. verbreitet die ungeheuerliche Lüge: „Kinder unter 5 brauchen keinen Schutz vor Infektion, diese brauchen Schutz vor Infektionsschutzmassnahmen… Bei dieser harmlosen Virusvariante sind Masken (Schule, ÖPNV, Kino etc.) nicht angebracht…“. Dies alles ohne bisherige Konsequenzen. "Ein Schlag ins Gesicht der Gesellschaft. „Experten dieses Formates gehören umgehend freigestellt, juristische Massnahmen sind zu prüfen.", kann man in den Kommentaren u.a. lesen.

Schon wieder politisch bestelltes Corona-Hof-Expertentum im Lande Schleswig-Holstein

Auf der Website des Landtags ist zu lesen: „Der Sozialausschuss hat den Beschluss des Landtages aus dem August-Plenum aufgegriffen und gemeinsam mit dem Innen- und Rechtsausschuss eine weitere Anhörung zur Corona-Pandemie durchgeführt. Ganztägig befragten die Abgeordneten rund 20 Expertinnen und Experten sowie Vertreterinnen und Vertreter von Verbänden in einer ganztägigen Sitzung im Plenarsaal.“ Soweit, so gut. „Einige Experten waren vor Ort, andere wurden per Video zugeschaltet. Die nunmehr vierte Anhörung seit Beginn der Pandemie wurde per Live-Stream übertragen.“ Erst findet diese fragwürdige Corona-Anhörung im Landtag mit fachlich wenig berufenen coronaverharmlosenden „Experten“ statt, dann wird die Aufzeichnung nach Protesten gegen Nonsens-Aussagen des BVKJ-Funktionärs van Heek vom Netz genommen. Statt fachlicher Expertise wurde von mehreren Sachverständigen die Landtagsbühne für GreatBarringtonDeclaration-ähnliche Durchseuchungspropaganda oder Coronaverharmlosung genutzt. Sämtliche Fake-News und Verschwörungstheorien zu Corona wurden bedient.

Van Heeks Aussagen in Auszügen: https://twitter.com/Der_Waeller/status/1588136057694031872…

Zusammenstellung von weiteren Äußerungen aus der Anhörung der anderen geladenen Referenten Prof. Rabe, Dr. Marcic, Prof. Rupp und Prof. Fickenscher: https://twitter.com/Der_Waeller/status/1589340738776895489…

Leider ist eine vollständige Aufnahme der Anhörung zur Zeit nicht mehr zugänglich. Denn nach massiven Protesten auf Twitter gegen van Heeks Äußerungen wurde die Videoaufzeichnung der Landtagsanhörung, die auf YouTube ursprünglich unter dem Link https://t.co/WhvxBFGbVW anzuhören war, für die Öffentlichkeit unzugänglich gemacht.

Auf der Plattform „Frag den Staat" gibt es inzwischen eine Anfrage beim schleswig-holsteinischen Landtagspräsidium, die man unterstützen kann: https://fragdenstaat.de/anfrage/freigabe-der-videoaufzeichnung-der-4-corona-expert-innenanhoerung-im-landtag/…

Die Lüge der „Immunschuld“

Allen voran der BVKJ-Funktionär und Altenholzer Kinderarzt Dr. Ralf van Heek ab. U.a. behauptete er, das Immunsystem von Kindern würde sich durch Corona-Infektonsschutzmaßnahmen in die „falsche Richtung“ entwickeln, (nach dem Konzept der Immunschuld, die es notabene nicht gibt) sodass Maßnahmen wie das Maskentragen letztlich für Allergien, Leukämie oder Diabetes mitverantwortlich sein könnten. Untragbaren Blödsinn.

Auf Twitter bezeichnete das Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung, Prof. Dr. Leif Sanders, Infektiologe an der Berliner Charité, die Aussagen von Dr. van Heek als „kompletten ‚Nonsense‘“

Erst seit 2021 wird der Begriff „Immunschuld“ verwendet, um zu erklären, warum Menschen, insbesondere Kinder, Infektionskrankheiten ausgesetzt sein sollten. Das Vermutung ist, dass das Immunsystem sonst unvorbereitet ist, wenn es Krankheitserregern nicht regelmässig ausgesetzt ist. Diese falsche Annahme wurde gar als Lockdown-Schaden und als Grund dafür angeführt, warum Masken und in einigen Fällen sogar Belüftung und saubere Luft nicht als Hygienemassnahmen in Schulen eingesetzt werden sollten. Ein gefährlicher Irrglaube. Auch die Immunologin Prof. Christine Falk widerspricht solchen Aussagen und „Fachleuten“, die solche tätigen. Das Immunsystem bleibe kompetent, Maske tragen richte keine Schäden an – und sei gerade in diesem Winter nötig. „Dass wir jetzt wieder mehr Atemwegsinfekte als im Vorjahr bei den Kindern sehen, liegt auch daran, dass wir jetzt wieder mehr Kontakte und weniger Schutzmassnahmen haben. Daraus kann man aber nicht ableiten, dass Maske tragen kontraproduktiv ist. Die Erfahrungen aus dem vergangenen Winter zeigen vielmehr: Infektionen müssen nicht zum Leben dazugehören.“

„Die von unseriösen Ärzten/Wissenschaftlern propagierte „Immunschuld“ ist Schwachsinn. Wir sind ununterbrochen Bakterien, Viren, Pilzen etc. ausgesetzt. Viele Infekte merken wir gar nicht. Das Immunsystem braucht kein Sondertraining."

Dr. Sebastian Leibl

Der Immunologe Dr. Anthony Leonardi, der sich immer wieder gegen die Corona-Politik der „Herdenimmunität“ ausgesprochen hat, die zu einer Masseninfektion von Kindern geführt hat, schrieb über das Konzept der „Immunschuld“ und kam zu folgendem Schluss: „Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass Infektionen tatsächlich einen Nutzen bringen oder eine Schuld darstellen, die bezahlt werden muss. Sie sind eher eine Art Steuer, die wir die Kinder dafür zahlen lassen, dass unsere Zivilisation nicht weit genug entwickelt ist, um Viruserkrankungen zu verhindern, die jedes Jahr Tausende von Kindern ins Krankenhaus bringen.“

Es ist erwähnenswert, dass diejenigen, die Bedenken hinsichtlich der Immunschuld äussern, im Allgemeinen dieselben Personen sind, die ursprünglich behaupteten, Kinder würden mit erheblich geringerer Wahrscheinlichkeit infiziert und hätten nicht wesentlich zur Übertragung beigetragen. Dies sind im Allgemeinen auch dieselben Personen, die immer noch behaupten, dass die Mehrheit der Covid-Infektionen bei Kindern ausserhalb der Schulen stattfindet. Und das trotz Kontaktverfolgungs- und Teststudien, die die Übertragungsrichtung belegen.

Unzumutbare Aussagen und Empfehlungen der „Experten“ - Aussagen, die vielfach „nachgeplappert und diktiert“ anmuten

• Man wolle die Corona-Schutzmaßnahmen wie die Isolations- und Maskenpflicht weiter zurückzufahren - dies auf dem Höhepunkt der Pandemie, untragbar

• Man befürworte eine Gleichstellung mit anderen Viruserkrankungen und befürchte eine schwere Grippewelle – wie dies zusammenhängt, erschliesst sich niemandem

• Man rät dringend dazu, die Maskenpflicht in Gemeinschaftsräumen von Pflegeheimen abzuschaffen, sowie in Bus und Bahn. Aber im Falle einer Grippewelle sollten Empfehlungen aus der Corona-Pandemie ‒ wie eine Maske zu tragen und Distanz zu halten ‒ befolgt werden. Das ist nicht nachvollziehbar, wird auch nicht erklärt-

• Man wolle Isolationspflicht abschaffen

• Man beruft sich auf Prof. Hendrik Streeck, den TV-Experten, welcher bisher ausnahmslos falsch lag und grosse Schuld an der Desinformation der Bevölkerung trägt

• Es herrsche Einigkeit unter den anwesenden „Experten“ darüber, dass die epidemiologische Containment-Phase überstanden sei. Es gäbe keinen Grund mehr für eine „Verbesonderung“ einer #COVID19-Infektion

• Ansteckungsrisiko sei nur noch für bestimmte Gruppen relevant

• Es gehe nicht mehr darum, jegliche Infektionen zu erkennen

• Inzidenzen seien nicht mehr leitend für Maßnahmen

• Sars-CoV-2 habe selben Stellenwert wie Influenza

• Es gehe auch ohne Hysterie und übertriebene Restriktionen

• Weitere Falschaussagen wie „Selbstmordrate ist gestiegen“, „Isolationspflicht bringt nichts mehr“, „Masken bringen nichts mehr“ uvm. Nachzulesen auf der Website des Landtags.

Leider werden auch diese Falschaussagen aus diesem „Expertenrat“ ungefiltert, unkommentiert und Wort für Wort in den Medien gestreut. Desinformation ist aktuell extrem auf dem Vormarsch. Viele Medien sind bald nicht mehr von Fake-News-Portalen und Medien zu unterscheiden.

Initiative ProtectTheKids wendet sich an Regierung

Die Initiative #ProtectTheKids will von der Landesregierung Schleswig-Holstein wissen: „Wer ist für die Auswahl der sog. "Experten" bei dieser Anhörung verantwortlich gewesen? Wir fordern die schleswig-holsteinische Landesregierung auf, die Unsitte ihrer Corona-Hof-Beratungskultur zu beenden. Anstatt diversen in Schleswig-Holstein ansässigen Mediziner:innen, die größtenteils nicht als ausgewiesene SARS-CoV-2-Spezialist:innen bekannt sind, eine Bühne für ihre persönlichen Ansichten zu bieten, sollten sich Landes- ebenso wie Bundespolitiker:innen in der Pandemie von echten, international anerkannten Fachexpert:innen oder Institutionen wie dem RKI oder der WHO beraten lassen. Die schleswig-holsteinische Landesregierung muss sich den Vorwurf gefallen lassen, mit ihren "Anhörungen" zur Pandemie zum wiederholten Male Pseudo-Expertenrat sich bestellt zu haben, anstatt echte, politisch ggf. unbequeme Expertise einzuholen.“

Fragen an den Schleswig-Holsteinischer Landtag

Von der Präsidentin des Landtages Kristina Herbst wollten wir wissen wieso Falschaussagen ihrer Experten unreflektiert zugelassen und veröffentlicht werden, wer verantwortlich zeichnet für die Publikation dieser Fake-News und letztlich, wer die Konsequenzen trägt?

Bis zur aktuellen Stunde haben wir noch keine Antworten erhalten.

#Covid19 #SchleswigHolstein #Expertenanhörung #Corona #Pandemie #Desinformation #Verantwortung #FakeNews

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