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Verhandeln: Eine Anleitung zum Scheitern

Foto: Carlo Giacosa
Foto: Carlo Giacosa

DMZ –  BLICKWINKEL ¦ Ruedi Stricker ¦                   Foto: Carlo Giacosa

 

Eva Lehmann heisst eigentlich anders. Aber das ist ja egal. Kürzlich hat Eva etwas Interessantes herausgefunden: Wenn sie vor dem Antritt ihrer ersten Stelle im richtigen Moment den entscheidenden Satz gesagt hätte, wäre ihr Anfangslohn 300 Franken höher gewesen. Sie hätte also per heute nicht nur 35 000 mehr verdient, sondern auch eine bessere Ausgangslage für das nächste Lohngespräch im Dezember.

 

Nun geht es nicht immer um so hohe Beträge wie in Evas Fall. Es geht auch nicht immer um Löhne. Wir verhandeln über Familienrabatte, über die besten Plätze im Restaurant, über Handyabos, Steuererklärungen und Feriendestinationen. Oder wir verhandeln gar nicht, weil wir Konfrontationen aus dem Weg gehen oder schlicht nicht wissen, wie das geht. Die folgenden Beispiele zeigen Gründe für gescheiterte Versuche, eigene Interessen zu vertreten.

 

Garantierter Misserfolg

Während zwei Polizisten einen Strafzettelzettel ausfüllen, versucht ein Autofahrer wortreich, die Busse irgendwie zu vermeiden. Die Stimmung wird gereizt, Passanten werden aufmerksam, der Autofahrer gibt nicht auf. Was er nicht begreift: Die Polizisten können irgendwann nicht mehr zurück. Sie würden das Gesicht verlieren, und zu gewinnen gibt es für sie sowieso nichts.

Es gibt Situationen, in denen Gesprächsversuche sinnlos sind.

 

Verpasste Chancen

«Oh, du hast ja die gleiche Kaffeemaschine wie ich!» «Ah, du auch? Ja, ich habe sie letzte Woche in diesem neuen Laden am Bahnhof gekauft. Meine Freundin meint allerdings, 1 500 Franken sei viel zu viel für so ein Gerät.» «Ja, so ist sie angeschrieben. Carlos hat sie mir aber für 1 200.— gegeben; ich habe einfach nach Rabatt gefragt…».

Fragen kostet nichts, aber Nicht-Fragen kann recht teuer sein.

 

Siegen statt win-win

Seit Jahren geht das so: Sie will Badeferien im Süden, ihn zieht es nordwärts. Letztes Jahr hat sie nachgegeben, eigentlich wäre er an der Reihe. Weil er aber beim Umzug in die neue Wohnung gegen sie verloren hat, glaubt er sich nun im Recht und beharrt auf eine Islandreise. Nach einem langen Streit geht sie mit ihrer Schwester nach Sardinien und er allein nach Norwegen.

 

Wenn die Beiden in Ruhe über ihre Motive und Wünsche gesprochen hätten, statt ihre Position zu verteidigen, wären sie vielleicht gemeinsam in der Bretagne gelandet und hätten eine wunderschöne Zeit verbracht.

 

Reden statt Zuhören

«Wir haben drei Ferienhäuser im Angebot, aber dies hier kann ich Ihnen besonders empfehlen: ganzjährige Besonnung, nebelfrei, grosse Fenster auf der Südseite, der Steingarten speichert zusätzlich Wärme, hier wohnen Sie wie neben einem Kachelofen….». «Mein Mann hat es lieber kühl und schattig. Und der Klimawandel…..»

 

Hätte der Verkäufer zuerst richtig zugehört und sich dann mit einem oder zwei Argumenten begnügt, wäre das Scheitern des Gesprächs vielleicht zu verhindern gewesen.

 

Ärgernisse und Floskeln

«Sie als souveräner Unternehmer müssen doch sicher nicht zu Hause fragen, ob Sie ein neues Auto kaufen dürfen…». «Nächsten Monat will der Hersteller massiv aufschlagen, Sie sollten noch heute unterschreiben…». «Ja, die Konkurrenz ist billiger, hat aber Riesenprobleme mit der Qualität.».

Schnorrer können zwar häufig die Gegenseite über den Tisch ziehen, für einen nachhaltigen Erfolg und eine tragfähige Beziehung sind plumpe Manipulationsversuche Gift.

 

Blinde Naivität

«Wenn ich meinen Taschenrechner dabei gehabt hätte, hätte ich nachgerechnet. Dann hätte ich gemerkt, dass der Rabatt nicht stimmt. Es war auch ein Fehler, das Treffen zeitlich kurz vor meinem Abflug nach Frankfurt zu legen und am Schluss unter Hochdruck nachgeben zu müssen. Und das mit seiner Salamitaktik habe ich inzwischen auch kapiert, aber leider zu spät…».

Wir glauben gern an das Gute im Menschen, und das ist gut so. Dennoch lohnt es sich, hin und wieder auch mit anderen Seiten zu rechnen.

 

Verzicht auf Vorbereitung

«Ich kam ein paar Minuten zu spät und hatte meine Notizen im Auto liegengelassen. Zu meiner Überraschung war er nicht allein, sondern zusammen mit seinem Anwalt und einem Assistenten. So sass ich also allein drei Gegnern gegenüber, die sich perfekt vorbereitet und abgestimmt hatten. Meinen Vorschlag zerrissen sie in der Luft, wir fingen nochmals bei Null an, und das Ergebnis ist dementsprechend.»


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