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DE: Gendefekt führt zu Hautschädigung

Schnitt durch das dreidimensionale Modell der Haut. Die Integrität der oberen Zellschichten ist aufgrund des ISG15-Mangels gestört.
Schnitt durch das dreidimensionale Modell der Haut. Die Integrität der oberen Zellschichten ist aufgrund des ISG15-Mangels gestört.

DMZ – WISSENSCHAFT ¦ Markus Golla ¦                       Schnitt durch das dreidimensionale Modell der Haut. Die Integrität der oberen Zellschichten ist aufgrund des ISG15-Mangels gestört. 

 

Das Interferon-stimulierte Gen 15 (ISG15) spielt eine bedeutende Rolle für die Integrität der oberen Hautschicht. Das haben Forscherinnen und Forscher vom TWINCORE, Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung nun gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) sowie der Universitätsklinik Sohag in Ägypten und weiteren Partnern ergründet. Ihre Ergebnisse veröffentlichen sie im Journal of Clinical Investigation.

 

Eine Hauterkrankung eines ägyptischen Kindes hat ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter der Leitung von Dr. Frank Peßler auf die Spur einer bisher unbekannten Funktion des Immun-Gens ISG15 geführt. Die Entdeckung erfolgte eher zufällig, nachdem der Kinderrheumatologe und Leiter der Arbeitsgruppe Biomarker für Infektionskrankheiten am TWINCORE als Gastprofessor die ägyptische Universitätsklinik von Sohag besuchte.

 

Ein Junge mit Geschwüren der Haut gab den Ärzten Rätsel auf. Bakterielle Infektionen oder Parasiten konnten sie als Ursache ausschließen. Die Untersuchung einer Hautbiopsie zeigte chronische Entzündung. Diese ließ sich zwar mit Cortison behandeln, allerdings blieben ausgedehnte Narben zurück. Später zeigte die Schwester des Erkrankten die gleiche Symptomatik und die Mediziner vermuteten eine genetische, also erblich bedingte, Ursache. Zurück in Deutschland ließ Peßler in der Abteilung Genomanalytik am HZI an Blutproben der gesamten Familie eine sogenannte Ganz-Exom-Sequenzierung durchführen. „Dabei werden alle aktiven Gene analysiert. Bei den beiden Geschwistern entdeckten wir eine homozygote Loss-of-Function-Mutation des Gens ISG15, den Kindern fehlte einfach die Funktion dieses Gens“, sagt Peßler.

In der Folge fehlt das gleichnamige Protein ISG15, das eigentlich eine Rolle in der Regulierung des Interferonsystems spielt. „Interferon wird im Körper beispielsweise als erste Antwort auf Krankheitserreger freigesetzt und führt zu Entzündungen“, sagt Peßler. „ISG15 hat dabei eine hemmende Wirkung.“ Fehlt es, kommt es zu unkontrollierten Entzündungen. Allerdings führt Entzündung allein nicht unbedingt zu Hautgeschwüren. Die Forscher gehen davon aus, dass sie sich bei Patienten mit ISG15-Mangel deshalb bilden, weil zusätzlich die Funktion von ISG15 für die Integrität der Haut fehlt.

 

Durch Untersuchungen an dreidimensionalen stammzellbasierten Hautmodellen in den Leibniz Forschungslaboratorien für Biotechnologie und Künstliche Organe (LEBAO) und der Klinik für Dermatologie der Medizinischen Hochschule Hannover konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Rolle von ISG15 in der Haut genauer ergründen. Unter anderem entdeckten sie, dass es am Zusammenhalt der Hautzellen und an migratorischen Prozessen beteiligt ist. „Darunter versteht man die Wanderung von bestimmten Zelltypen an ihren Bestimmungsort“, sagt Peßler. „Liegt hier eine Störung vor, finden die Zellen der verschiedenen Hauttypen nicht mehr an ihren richtigen Platz.“ Dann kommt es zu Läsionen, wie sie bei dem Geschwisterpaar aus Ägypten beobachtet wurden.

 

ISG15-Mangel ist eine sehr seltene Krankheit, die weltweit bisher weniger als fünfzehn Mal beschrieben wurde. Peßler vermutet allerdings, dass die Dunkelziffer um ein vielfaches höher liegt. „In wärmeren Regionen kommen Hauterkrankungen häufiger vor“, sagt er. „Deren Ursache wird meistens Infektionen zugeschrieben und nicht näher untersucht.“

 

„Die Entdeckung, dass immer wieder auftretende oder chronische Wunden bei überschießenden Entzündungen in der Haut bei einzelnen Patienten auf eine relativ einfach nachweisbare Ursache, nämlich dem Fehlen von ISG15, beruhen können, ist klinisch äußerst relevant“, sagt Prof. Thomas Werfel, Stellvertretender Direktor der Klinik für Dermatologie der MHH.

 

Dazu kommt, dass die Forscherinnen und Forscher bereits einen Behandlungsvorschlag machen können: Im Laborversuch konnte eine Kombination aus Ruxolitinib, einem Mittel dass überschießende Interferonantworten hemmt, dem Zytokin TGF-beta sowie dem Antibiotikum Doxycylin, das hier als Hemmstoff von bestimmten Enzymen eingesetzt wird, das Fehlen von ISG15 kompensieren. „Die Narbenbildung und die teils schweren Nebenwirkungen langjähriger Behandlung mit Cortison können so hoffentlich vermieden werden“, sagt Peßler.

 

Auch die behandelnden Ärzte in Ägypten sehen diese Ergebnisse sehr positiv: „Wir freuen uns sehr über diese erfolgreiche Zusammenarbeit! Es gibt sicher mehr Kinder mit diesem Krankheitsbild, bei denen aber die richtige Diagnose unerkannt bleibt. Die Ergebnisse werden uns helfen, dieses Krankheitsbild früher zu erkennen und die kleinen Patienten zu behandeln bevor es zu Narbenbildung oder Komplikationen in anderen Organen kommt“, sagt der Rheumatologe Dr. Ahmed Elsaman.

 

 

 

Originalpublikation:

Congenital deficiency reveals critical role of ISG15 in skin homeostasis
Muhammad Nasir Hayat Malik, Syed Fakhar-ul-Hassnain Waqas, Jana Zeitvogel, Jingyuan Cheng, Robert Geffers, Zeinab Abu-Elbaha Gouda, Ahmed Mahrous Elsaman, Ahmed R. Radwan, Matthias Schefzyk, Peter Braubach, Bernd Auber, Ruth Olmer, Mathias Müsken, Lennart M. Roesner, Gisa Gerold, Sven Schuchardt, Sylvia Merkert, Ulrich Martin, Felix Meissner, Thomas Werfel, and Frank Pessler
Journal of Clinical Investigation, 2022
DOI: 10.1172/JCI141573, https://doi.org/10.1172/JCI141573

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