Diesmal inkl. Feuerwehreinsatz

DMZ –  BLICKWINKEL ¦ Ruedi Stricker ¦                   

 

«Wo steckt er wieder?» Mütter haben es schwer. Die Natur hat ihnen nur ein Gehirn gegeben. Wir erwarten von ihnen, dass sie vier von ihnen ständig im Einsatz haben. Eins für den Vater, eins für die Arbeit, eins für verschwundene Kinder...

 

Der Gesuchte war drei oder vier Jahre alt, also schon schnell genug, um jederzeit irgendwo zu verschwinden, und gleichzeitig blöd genug, um das an den unmöglichsten Orten zu tun. Am Lenkrad des nicht abgeschlossenen Autos (darauf kommen wir noch zurück), im Schlafgemach der Untermieterin (bitte nicht zu weit denken), in einem Futtersilo (lebensgefährlich) oder ganz einfach bei Frau Zürcher, der herzensguten Nachbarin, die immer – wirklich immer – etwas Essbares fand, um den kleinen Wicht vor dem Hungertod zu bewahren.

 

Diesmal war es schlimmer als sonst. Die Untermieterin, eine begnadete Herstellerin von Apfelstrudel aus der Steiermark, wusste von nichts. Auch die Suche in der Werkstatt, hinter der Hobelmaschine, unter den Bretterbeigen (Aufenthalt strikt verboten) und überall verlief ergebnislos. Die armen Eltern waren der Verzweiflung nahe. Was, wenn dieser Balg im Gstaldenbach ertrunken war? Oder in einem Futtersilo erstickt? Er wäre nicht der Erste, den dieses Schicksal ereilt hätte.

 

Gut, man hätte ihn auch abschreiben können. War nicht schon die Geburt dieses Brockens ein Alptraum gewesen? War nicht der Jüngere im Vergleich zu ihm ein Engel? Und überhaupt: Damals waren sieben oder acht Kinder normal. Mit Verlusten war zu rechnen. Andererseits: Ein Vermisster ist ja nicht einfach weg vom Fenster. Nicht einmal die getragenen Kleider konnte man den Jüngeren vererben; man stelle sich vor, der steht wieder vor der Tür und sein Bett ist bereits anderweitig vergeben. Und dass man den Brunnen vor dem Haus abgebrochen hatte, nachdem er beinahe darin ertrunken war, wäre auch vergebens gewesen. Der schöne Brunnen.

 

In der Not entschloss sich also der arme Vater, die Feuerwehr aufzubieten. Im Appenzellerland, wo die Häuser aus Holz gebaut sind, ist die Feuerwehr mehr als ein Laden mit drei oder vier Freiwilligen. Da sind alle dabei. Und sie suchten alle. Sie drehten jeden Stein um, krochen in Röhren und Keller. Sie fanden nichts. Wer jedoch etwas fand, war der Vater. Oben im Estrich des eigenen Hauses. Friedlich lag der Kleine da im Tiefschlaf. Das Erste, was er nach dem Aufwachen vernahm: «Gell, das bleibt unter uns.»

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