AT: Wissenschaftsausschuss: Reform der Lehrkräfteausbildung in Ausarbeitung

DMZ –  POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦                                    

 

Die Lehrkräfteausbildung in Österreich wird laut Wissenschaftsminister Martin Polaschek bald die größte Änderung der vergangenen zehn Jahre erfahren. Das kündigte er im Wissenschaftsausschuss des Nationalrats an, als die Weiterentwicklung der 2013 eingeführten "Pädagog:innenbildung Neu" diskutiert wurde.

 

Von allen Fraktionen nach den Schwerpunkten der Reform gefragt, betonte Polaschek die Notwendigkeit, mehr Praxisanteile in das Studium zu integrieren, nicht zuletzt durch ein generelles zweijähriges Masterstudium im Anschluss an den dreijährigen Bachelor. Derzeit besteht für die Primarstufe und die berufsbildende Sekundarstufe auch die Möglichkeit eines einjährigen Masterstudiums. Details zur inhaltlichen Ausgestaltung der Curricula würden derzeit von den Pädagogischen Hochschulen und Universitäten in den vier Schulentwicklungsverbünden Österreichs ausgearbeitet, so Polaschek, und sollten die Grundlage der Regierungsvorlage bilden. Präsentieren will er den Gesetzesvorschlag dem Parlament dieses Frühjahr.

 

Zur Begleitung der 2013 neu aufgesetzten Pädagog:innenbildung wurden ein Qualitätssicherungssicherungsrat (QSR) eingerichtet, der seitdem jährlich dem Nationalrat Bericht erstattet. Der Wissenschaftsausschuss befasste sich in seiner heutigen Debatte mit den Erkenntnissen des Rats für das Jahr 2021. Den Bericht darüber nahm der Ausschuss einstimmig zur Kenntnis, wiewohl die FPÖ dem Reformvorhaben des Ministeriums absprach, das Problem des Lehrkräftemangels im Land zu lösen. Bessere berufsbegleitende Studienmöglichkeiten erwarten die NEOS vor diesem Hintergrund. Die Grünen appellierten, bei einer zeitlichen Verkürzung der Lehrkräfteausbildung nicht die Qualität des Kompetenzerwerbs zu mindern. Im Kern empfiehlt der Rat, die Lehrkräfteausbildung bestmöglich an die gesellschaftlichen Herausforderungen anzupassen. Der QSR begleitet auch die laufende Ausarbeitung der kommenden Curricula, wie eine Expertin des Rats anhand von regelmäßigen Gesprächen mit Hochschulen und Ministerium schilderte.

 

Zudem wurde der aktuelle Tätigkeitsbericht der Ombudsstelle für Studierende diskutiert und ebenfalls einstimmig zur Kenntnis genommen. Seit einem Jahrzehnt können sich Studierende mit Anliegen an eine im Wissenschaftsministerium angesiedelte, weisungsfreie Ombudsstelle wenden. Die SPÖ warf in diesem Zusammenhang die hohen Energiekosten für Bewohner:innen in Studierendenheimen auf und verlangte nach einer gesetzlichen Regelung, die ein Abwälzen dieser Preissteigerungen auf Studierende verhindert.

 

Lehrer:innenausbildung an heutige Erfordernisse anpassen

Basierend auf seiner Tätigkeit im Berichtsjahr 2021 spricht sich der QSR für die Weiterentwicklung der Curricula in der Lehramtsausbildung mit Blick auf künftige gesellschaftliche Heraus- und Anforderungen aus ( III-777 d.B.). Als Beispiele für Themen, die laut dem Rat zu berücksichtigen sind, nennt der Bericht Diversität, Inklusion, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Die stellvertretende Vorsitzende des Rats, Maria-Luise Braunsteiner, erläuterte im Ausschuss auf Nachfrage von Eva Maria Holzleitner (SPÖ), inwieweit das Aufbrechen von Geschlechterstereotypen in der Pädagog:innenausbildung beachtet werde, Gleichbehandlungsthemen fänden sich "selbstverständlich" bereits in den Curricula. Als Querschnittsmaterie richte man auch in den künftigen Studienplänen den Fokus auf Gleichbehandlungsthemen. Generell stelle Kompetenzorientierung die "Grundlage" für die Neukonzeption der Curricula dar, wobei "überfachliche Themen" besonderes Augenmerk erhielten.

 

Der QSR empfiehlt zudem die Weiterentwicklung von berufsbegleitenden Bachelor- und Masterstudien. Hinsichtlich Aufnahmeverfahren sind aus Sicht des QSR österreichweite Standards nötig. Zudem sei die qualitätsvolle Ausbildung von Quereinsteiger:innen sicherzustellen. In Richtung Martina Künsberg Sarre (NEOS) erläuterte Braunsteiner das Zulassungsverfahren für Quereinsteiger:innen, für das sich innerhalb der vergangenen zwei Monate bereits über 600 Bewerber:innen gefunden hätten. Von einem Gremium aus QSR und Bildungsdirektionen werde die Eignungsfeststellung durchgeführt. Neben berufspraktischen Erfahrungen bzw. einem Studienabschluss spiele auch die Persönlichkeitstestung der Kandidat:innen eine Rolle.

 

Evaluierung bestehender Pädagog:innenausbildung abgeschlossen

Die Ergebnisse der Evaluation der Pädagog:innenbildung für die Primarstufe und Sekundarstufe liegen laut Professorin Braunsteiner seit 23. Dezember 2022 vor und werden kommende Woche am 26. Jänner 2023 gemeinsam mit einer Analyse aller Curricula in Österreich präsentiert. Von Rudolf Taschner (ÖVP) um eine Darstellung der wichtigsten Punkte bei der anvisierten Reform der Lehrkräfteausbildung ersucht, verwies Wissenschaftsminister Polaschek zunächst auf die im QSR-Bericht aufgezeigten Themen. Ziel sei, eine "bessere Verbindung von Praxis und Theorie" in den Curricula zu schaffen und eine mögliche "Überfrachtung" der Studienpläne zugunsten vermehrter Praxiserfahrungen an den Schulen abzubauen.

Grundsätzlich sinnvoll nannte der Minister den Ansatz, für sämtliche Lehrkräfte die gleichen formalen Qualifikationen einzufordern. Auch der "Master für die Primarstufe macht Sinn", unterstrich der Minister in seiner Replik auf Vorwürfe der FPÖ zur Lehrkräfteausbildung, zumal damit ein späterer Wechsel im Berufsfeld leichter falle. Axel Kassegger (FPÖ) hatte fehlende Klarheit und Planbarkeit bei der Lehrer:innenausbildung kritisiert, die seiner Meinung nach zu häufig abgeändert wurde. Außerdem stehe die Länge der Ausbildung nicht in einer "vertretbaren Relation" zur späteren Einkommenssituation der Lehramtsstudierenden, die überdies attraktivere Rahmenbedingungen an ihrem Arbeitsplatz bräuchten. Werbekampagnen des Ministeriums für den Lehrberuf sind in Kasseggers Augen daher nur vergeudetes Geld, am eklatanten Lehrkräftemangel – besonders an Volksschulen – ändere sich dadurch nichts, verurteilte er die allgemeine Verlängerung des Masterstudiums als den falschen Weg.

 

Eva Blimlinger (Grüne) gab wiederum zu bedenken, laut Evaluierungsstudie des QSR erfolge der praxisnahe Kompetenzerwerb in der Pädagog:innenausbildung erst im 7. und 8. Semester, also relativ spät im Studium. Ein neues Ausbildungsmodell dürfe daher nicht nur durch Verkürzung der Ausbildungsdauer dem Abbau des Lehrkräftemangels dienen, sondern müsse auch der Qualität des Wissenserwerbs Rechnung tragen.

 

Ombudsstelle fordert Klarheit bei Kostenunterstützung für Studierende

Im Studienjahr 2021/22 wurden von Studierenden 642 Anliegen an die Ombudsstelle herangetragen, deutlich weniger als in den beiden Pandemiejahren davor (2020/21: 837, 2019/20: 805). Fragen zu Studienbedingungen und Studienzulassung waren dabei die Hauptgesichtspunkte, geht aus dem diesbezüglichen Bericht ( III-827 d.B.) hervor. Anna-Katharina Rothwangl, interimistische Leiterin der Ombudsstelle für Studierende beim Wissenschaftsministerium, schilderte dem Ausschuss zudem die Schwerpunkte 2023 ihrer Organisation, etwa die Analyse der Validierungsverfahren an den Hochschulen oder der Rechtsgrundlagen für Weiterbildungsangebote.

 

Zu den Vorschlägen an den Gesetzgeber im Bericht gehört das Ersuchen, im Universitätsgesetz (UG) klarzustellen, ob beurlaubte Semester zur Ermittlung der beitragsfreien Zeit berücksichtigt werden müssen. Finanztechnisch relevant ist auch das Anliegen, im Studentenheimgesetz (StudHG) die Bestimmungen zur Entgelterhöhung zu präzisieren. Handlungsbedarf sieht die Ombudsstelle besonders bei der Nachverrechnung von gestiegenen Betriebskosten aufgrund der Erhöhung von Tarifen, Steuern und Gebühren. Der Gesetzgeber solle dabei erläutern, ob auch Energiekosten unter diese fallen. Katharina Kucharowits (SPÖ) forderte angesichts der massiven Teuerung am Energiesektor, gesetzlich zu verhindern, dass der Preisanstieg zur Gänze mit den Benützungsentgelten auf die Studierenden "umgemünzt" wird.

 

Vielmehr sollten die Heimträger die Finanzierung erhöhter Strompreise "über Rücklagen" vornehmen. Wissenschaftsminister Polaschek versicherte, er sei sich des Problems bewusst, doch hätten diesbezügliche "Gespräche mit anderen Ressorts" noch keine Ergebnisse gebracht. Immerhin stelle sich eine ähnliche Frage auch bei anderen Wohneinrichtungen, etwa für Lehrlinge, und angesichts der erfolgten Entlastungsmaßnahmen für die gesamte Bevölkerung habe man bei weiteren Hilfen sorgsam vorzugehen.

 

 

 

Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦ 

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