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Die FAZ zitiert die Bundesbank: „Inflationsmythos Gelddrucken“

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦                                 

KOMMENTAR

 

Wenn die FAZ einen Beitrag mit „Inflationsmythos Gelddrucken“ betitelt und dabei keine geringere Quelle als die Bundesbank zitiert, sollten Sinn et al. sowie deren Groupies, die übrigens in dem Beitrag bereits zu Beginn erwähnt werden, besonders aufmerksam lesen. So leitet die FAZ damit ein, in den sozialen Netzwerken sei die „Vorstellung“ recht verbreitet, die Inflation wäre nur deshalb so außergewöhnlich stark gestiegen, weil die EZB so unglaublich viel Geld „gedruckt“ habe. Gefolgt von dem Hinweis, die meisten Ökonomen hielten das in dieser Form für „Unsinn“. Nicht meine Wortwahl, nur ein Zitat.

 

Der Beitrag – als Abonnent habe ich ihn freigeschaltet: https://zeitung.faz.net/…/bf5f976f972b0a8fdc48d247e…/… -fasst zur Inflationsentwicklung die wesentlichen Erkenntnisse einer Publikation der Bundesbank zusammen, die sich nebenbei der Inflationsentwicklung, vor allem aber der Bewertung der bisherigen und aktuellen Geldpolitik widmet.

Zum angeblichen Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflationsentwicklung kommt der Beitrag zu dem nüchternen Ergebnis, dass es dazwischen nicht mal eine Korrelation gibt. Man darf also stereotyp veralteten Modellen folgenden Ökonomen, als Crashpropheten auftretenden Goldverkäufen und dem daraus Honig ziehenden politischen Spektrum schlicht entgegnen: Die These ist damit widerlegt. Punkt. Das aus dem FAZ-Beitrag entnommene Chart1 illustriert es für die jüngere Vergangenheit des Euro-Raums, die Bundesbank hat das inklusive entsprechender umfassender Studien, aus denen sie zitiert, aber weit ausführlicher untersucht, also auch für frühere Zeiten sowie in der globalen Entwicklung. Auch hier gilt: Es gibt diesen Zusammenhang nicht, er ist in der Tat ein Mythos.

 

Tatsächlich analysiert die Bundesbank sehr präzise, dass die Wirkungsweise von Geld- und Fiskalpolitik sowie die Entwicklung von makroökonomischen Effekten wie Geldmenge, Wachstum, Inflation etc. wesentlich differenzierter zu betrachten sind. Der Bericht ist in der Tat eine lange fällige Ohrfeige für alle Holzschnitzmodelle, mit denen wir leider in den Medien unverändert beschallt werden und die zu viele vermutlich nur deshalb aufsaugen, weil sie so schön einfach zu verstehen sind. Die Geldmenge ist quasi die Dunkelflaute der Geldpolitik und die EZB der Lauterbach des Geldes.

 

Diese Zerrbilder werden hier sehr klar widerlegt. Bezogen auf die Währungsunion und das bisherige Wirken der EZB erkennt die Bundesbank verschiedene Phasen im Wirken der Geldpolitik sowie insgesamt eine erfolgreiche Arbeit der Zentralbank. Im Fazit (Chart 2) folgert die Bundesbank, dass zu Beginn der Währungsunion die Geldmengenentwicklung zunächst im Sinne der früheren Bundesbankpolitik fortgesetzt wurde, was – beachtenswerter Hinweis – sich bereits ab der Jahrtausendwende als falsch herausstellte, hier freundlicher ausgedrückt als „abgeschwächte Evidenz“. Statt dessen gab es bis zur Corona-Pandemie eine Phase, in der es vor allem auf die „geldpolitische Transmission“ ankam. Das bedeutet sehr stark verkürzt: Vor allem hatten die Notenbanken sich mit deflationären Tendenzen auseinanderzusetzen, die sich dadurch erklärten, dass die verfügbaren Mittel immer träger in der Realwirtschaft ankamen.

 

Die Corona-Pandemie mit dem global dramatischen Einbruch an ökonomischer Aktivität war dann laut dieser Analyse natürlich ein besonders einschneidendes exogenes Ereignis. Hier kommt der Bericht zu dem Ergebnis, dass anfangs vor allem Geld schockartig gehortet wurde, weil Haushalte und Unternehmen Rücklagen für kommende Risiken bildeten. Das führte zu dem in Chart1 illustrierten steilen Anstieg der Geldmenge. Es war also an der Stelle nicht mal die Notenbank, sondern die Krisenreaktion der Ökonomie, welche die Geldmenge so rasch ausweitete. Die Inflation ist parallel aber zusammengebrochen, bekanntlich kurzfristig negativ geworden. Als dann deutlich später die Inflation begann, ist die Geldmenge hingegen sehr schnell wieder gesunken. Die Bundesbank bewertet die Inflation als Mixtur aus der post-Corona aufgetretenen Asymmetrie von Angebot und Nachfrage, die durch expansive Geldpolitik „positiv beeinflusst“, aber eben nicht verursacht wurde (Chart 3).

 

Wer die dahinter stehenden Stimulationen in der Corona-Krise übrigens heute kritisiert, sollte sich mal in die Zeit der Schließungen und der vielen existenziellen Notlagen zurück versetzen, um dann dort anzusetzen und zu fordern, man dürfe wegen Inflationsgefahren jetzt aber nicht zu viel stimulieren. Ich finde es dabei sehr auffällig, dass man heute nicht wenigen Kommentatoren begegnet, die sich am billigen EZB-Bashing beteiligen und auf deren Profilen sich vor zwei Jahren Regierungsbashing findet, weil angeblich nicht genug finanzielle Unterstützung kam. Man kann natürlich immer irgendwelchen Bashingtrends folgen, aber vielleicht sollte man sich wenigstens der eigenen inneren Widersprüche dabei bewusst sein!?

 

Zur aktuellen Geldpolitik kommt der Bericht ebenfalls zu einer bestätigenden Würdigung (Chart 4). Die Bundesbank stellt hier fest, dass die gewünschten Effekte der Zinserhöhungen, erneut in Form der geldpolitischen Transmission untersucht, bereits eintreten. Also Kreditverteuerung und entsprechende Rückläufigkeit der kreditfinanzierten ökonomischen Aktivitäten bei zugleich bisher moderater Reaktion des Wachstums. Ebenso räumt der Bericht ein, dass zugleich auch Risiken der Finanzstabilität zu bewerten sind, kommt dazu aber zu dem Ergebnis, die Banken seien robust genug, die Veränderung der Zinspolitik zu schultern, so dass „größere negative Rückkopplungen“ zwischen Finanzsystem und Realwirtschaft derzeit nicht zu erwarten seien. Der komplette, für nicht Finanzexperten wohl nur schwierig zu verstehende Bericht ist hier zu finden: https://www.bundesbank.de/…/1999-03-monetaere-analyse…

 

Der Bericht bestätigt, was ich hier gelegentlich zur Geldpolitik und der EZB geschrieben hatte. Es ist zweifellos angemessen, die Arbeit der Zentralbank kritisch zu würdigen, rückwirkend, wie aktuell. Ob ihre Maßnahmen sowohl vom Timing wie vom Volumen stets optimal waren, bezweifle auch ich, aber insgesamt sehe ich es wie in diesem Bericht: Das war ganz überwiegend ein sehr guter Job und das in Krisensituationen, die in früheren Zeiten der moderneren Ökonomien zu schwersten Folgen geführt hätten. Wir können aus meiner Sicht wirklich froh sein, dass wir diese modern arbeitenden Zentralbanken haben.

Weitaus kritischer sehe ich persönlich das Finanzsystem sowie die Fiskalpolitik der europäischen Regierungen. Beides wurde seitens der EZB vor weit schlimmeren Folgen bewahrt und sowohl das Finanzsystem als auch die jeweiligen nationalen Regierungen haben daraus viel zu wenig gemacht. Grob formuliert hat die EZB grundsätzlich sehr gut entschieden, wann und wie viel Geld sie zur Verfügung stellt. Mehr kann sie gar nicht tun. Die Verwendung der Mittel liegt im Finanzsystem sowie in der Hoheit der nationalen Fiskalpolitik. Da ist leider sehr viel versäumt worden. Ich bin daher auch skeptisch, ob die Stabilitätsaussage zum Finanzsystem so zutrifft. Das mag für den Bankensektor noch so gerade passen, aber seit der Finanzkrise ist der Schattenbanksektor der dominierende geworden und hier würde es mich wundern, wenn durch die Entwicklungen an den Zins- und Währungsmärkten nicht die eine oder andere größere Schieflage auf uns zurollt. Ebenso sind zahlreiche Staaten in Europa mit den verfügbaren Mitteln nicht auf einen ausreichenden Sanierungskurs gekommen, weshalb das Euro-System bis heute so asymmetrisch aufgestellt ist. Wir haben innerhalb einer Währung sowohl Staaten, die recht solide da stehen, als auch solche, die eine Abwertung ihrer Währung, also eine verkappte Währungsreform, bräuchten. Aber auch das liegt nicht maßgeblich an der EZB, sondern an den jeweiligen Regierungen.

 

Insofern ist die Lage im Euro-Raum aus meiner Sicht nicht so entspannt, wie es hier dargestellt wird. Das ist aber nicht Aufgabe dieses Berichts, da dieser sich mit der Arbeit der Zentralbank befasst. Diesbezüglich ist das Testat sehr positiv und das sollte sich vielleicht auch mal in eine andere Meinung umsetzen lassen, denn wir verdanken unserer Zentralbank sehr viel.

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