«Wie es mir geht? Miserabel…»

DMZ –  ARBEIT / GESELLSCHAFT ¦ Ruedi Stricker ¦

 

Fragen zu Fragen

Wir alle kennen den Satz «Wer fragt, führt». Fragen sind nicht nur ein gutes Mittel für die Beschaffung von Informationen, sie demonstrieren Interesse am Gegenüber und gehören damit zu den wichtigsten Mitteln erfolgreicher Gesprächsführung. Allerdings ist es mit den Fragen wie mit einem Medikament: Sie sind nicht frei von unerwünschten Nebenwirkungen.

 

«Ich stelle hier die Fragen!»

«Wir stellten dem Kunden die Frage, wie zufrieden er mit dem Gerät unserer Konkurrenz sei.» Kommentar: So gut grundsätzlich Fragen sind, zeigt dieser Satz doch exemplarisch das Risiko von Fragen auf. Wer gibt denn schon gern zu, einen falschen Kaufentscheid gefällt zu haben? Fragen dieser Art können als übergriffig oder eine Art Verhör interpretiert werden. Noch besser als Fragen ist die Kunst, Menschen von sich aus zum Reden zu bringen. Oder in diesem Beispiel allenfalls zu fragen «Wie sind denn Ihre bisherigen Erfahrungen? Oder noch besser eine paradoxe Intervention: «Sie sind doch sicher mit dem Service sehr zufrieden…».

 

«Sind Sie einverstanden?»

Eltern kennen und fürchten sie: Die offenste aller Fragen, deren Wiederholung selbst Abgebrühte zur Frage führen kann: «WARUM HABEN WIR SO EIN NEUGIERIGES KIND?» All diesen Fragen, die mit «W» beginnen und als offene bezeichnet werden, ist gemeinsam, dass sie zum offenen Reden auffordern. Dies im Gegensatz zur geschlossenen Frage, die neben «Ja» und «Nein» kaum Raum für mehr öffnet. Es ist nicht Zufall, dass in Strafprozessen Zeugen und Angeklagten sehr häufige geschlossene Fragen gestellt werden.

 

«Passt es Ihnen am Dienstag oder am Freitag?»

Alternativfragen entfalten eine suggestive Wirkung und dienen meistens der Manipulation. Weit wirksamer und bei geschickter Anwendung weniger gut zu durchschauen sind suggestive Fragen, wie sie oft von Verkäufer verwendet werden: «Sie als erfolgreicher Businessman nehmen doch sicher die Premium-Version, oder genügt Ihnen ein unscheinbarer Auftritt…?». Richtig bösartig wird es, wenn Journalisten in einem Interview einen Politiker fertigmachen mit der Frage «Stimmt es, dass Sie Ihre Frau nicht mehr schlagen?»

 

«Wie viel Alkohol trinken Sie?»

Die Ärzteschaft kann ein Lied singen über den Wahrheitsgehalt gewisser Antworten. Heikle Sachverhalte bedürfen geschickteren Vorgehens als plumpe Fragen. Ein anderes typisches Beispiel ist die Frage «Vertrauen Sie uns?» Wer sagt schon jemandem ins Gesicht, dass er ihm nicht traut?

 

«Was halten Sie vom Buddhismus?»

Debatten über die richtige Religionszugehörigkeit sind meistens zum Scheitern verurteilt. Das gilt nicht nur für die Religion, sondern für alle Themen, bei denen es nicht um Fakten geht, sondern um Wertvorstellungen. Im Geschäftsverkehr kann man hier mehr verlieren als gewinnen. Seit Jahrtausenden beschränken sich deshalb in der Phase des Kennenlernens Fragen auf Gebiete, in denen man sich kaum in die Haare gerät. Klassisches Beispiel: Das Wetter. Anthropologen behaupten, unsere Gespräche über das Wetter («small talk») hätten dieselbe Funktion wie das Lausen bei unseren Vorfahren.

 

«Wie geht es Ihnen?»

Wer diese Frage wahrheitsgemäss mit «schlecht» beantwortet, riskiert bei nicht nahestehenden Personen eine mehr als peinliche Situation. Die gesellschaftliche Konvention verlangt ein höfliches «Ja» inklusive entsprechender Gegenfrage. Dass unter Freunden und in engen Beziehungen durchaus nach dem Wohlergehen gefragt werden kann – oder sogar soll – ist ein anderes Thema. Aber was bedeutet das nun für einen Gesprächseinstieg? Ganz einfach: Echtes Interesse zeigen, falls welches existiert. Und sonst: Lieber bleiben lassen und auf eine bessere Gelegenheit für eine bessere Frage warten.

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