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Effizienzrekord: 1 Entlassungsgespräch in 4' 15''

DMZ –  BLICKWINKEL ¦ Ruedi Stricker ¦                   

 

Die Erhöhung der Produktivität ist nicht zu bremsen. Alles geht schneller (Ausnahmen: Schwangerschaften und das Erreichen eines Kundendienstsachbearbeiters). Während früher die Grossen die Kleinen frassen, gewinnen heute die Schnellen.

 

Hier als Beweis ein Personalgespräch:

 

Wie Sie wissen, ist Ihr Vorgesetzter letzte Woche operiert worden und wird in den nächsten drei Monaten wohl kaum am Arbeitsplatz erscheinen. Er hat mich beauftragt, dieses Gespräch mit Ihnen zu führen. Nun, wir haben nicht viel Zeit, ich müsste eigentlich jetzt schon in Basel sein, aber Sie wissen ja, wie wichtig in unserem Unternehmen der Mensch ist. Frau Solentaler, ich möchte Sie nicht länger auf die Folter spannen, Ihnen ist sicher auch nicht verborgen geblieben...

 

Ich bin nicht....

 

Kein Problem, ich verstehe Sie vollkommen. Es ist ja auch für mich nicht einfach, einer Person wie Sie, dazu einer so sympathischen, quasi im Auftrag Ihres Vorgesetzten, Sie verstehen sicher, was ich meine.

 

Nicht ganz...

 

Umso besser, dass wir dieses Gespräch jetzt führen. Ich komme gleich zur Sache: In Ihrem letzten Qualifikationsbogen haben Sie zwar Ihre Leistungen insgesamt... oh das ist mir aber peinlich, jetzt finde ich diesen Bogen...wo ist denn dieser Bogen....ich hatte ihn heute morgen noch ...na ja, ist ja egal, ich weiss was drin steht, und überhaupt ist ja nicht das Formale entscheidend, sondern das Gespräch mit den Menschen, die in unserem Unternehmen.. also gemäss Ihrem Qualifikationsbogen sind Ihre Leistungen in der zweiten Hälfte des vergangen Jahres zwar nicht unbedingt schlechter geworden, aber Sie machen eindeutig zu viele Fehler. Herr Frehner hat ja deswegen schon im März deswegen mit Ihnen ein Gespräch geführt...

 

davon weiss ich gar nichts

 

Ach ja? So was vergessen Sie einfach? Ich beginne zu verstehen. Herr Frehner schrieb sinngemäss „„hat ihre Pendenzen nicht im Griff, arbeitet hektisch, ihr Stil wirkt teilweise chaotisch, hat auch Mühe mit dem Ablegen von Dokumenten usw.“

 

Ihr Handy klingelt

 

Entschuldigen Sie, darf ich's kurz nehmen? Das ist Roy Stevenson, der ist gerade in Dubai wegen dieses defekten Krans....

 

Hallo Roy, schön Sie am Telefon zu haben, wie war das Weekend? Ja, hier auch. Aber Sie rufen sicher wegen des Krans an. Nun, ich hatte auf meinem Laptop einen Absturz und bin deswegen nicht dazugekommen, aber Sie hören in den nächsten Tagen von mir, muss mich kurz fassen, bin in einem Meeting. Einen guten Tag!

Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, beim mangelhaften Ablegen von Dokumenten.

 

Aber ich lege doch keine Dokumente ab, und überhaupt...

 

Genau. Das ist es ja. Sie legen wichtige Korrespondenz nicht ab, und wir suchen dann stundenlang. Jedenfalls können Sie nicht von uns erwarten, dass wir diesen Zustand langfristig hinnehmen. Wir sind ein zertifiziertes Unternehmen, wir haben Prozesse und Strukturen, und es kann einfach nicht sein, dass bei uns offizielle Abnahmeprotokolle verschwinden, wie das vor zwei Wochen wieder passiert ist...

 

Die Zuständigkeit für diese Abnahmeprotokolle ....

 

Wissen Sie was, Frau Solentaler? Je länger ich mit Ihnen rede...

 

Ich bin nicht...

 

Ach was! Jetzt lassen Sie mich doch ein einziges Mal ausreden. Ich muss Ihnen ganz klar sagen, dass Sie erstens nicht imstande sind, strukturiert zu arbeiten, und zweitens, und das auch noch im Widerspruch zu den Aussagen im letzten Qualifikationsbogen, mangelt es Ihnen an der Fähigkeit, auf Menschen einzugehen. Sie sitzen jetzt seit neun Uhr hier..

 

Seit zehn Uhr, wir haben seit Sonntag wieder Winterzeit

 

Also gut, seit zehn. Ich stelle nachher die Uhr um, wenn Sie das glücklich macht. Neuer Versuch: Sie sitzen jetzt seit Winterzeit zehn Uhr plus minus zehn Minuten vor mir auf diesem Stuhl und unterbrechen mich ständig, weil Sie offensichtlich nicht gelernt haben, zuzuhören. Ob dieses Defizit Ihrer Veranlagung oder Ihrer Kinderstube zuzuschreiben ist, geht mich nichts an, ich war zum Glück nie Ihr Vorgesetzter.

 

Ihr Handy klingelt

 

Was soll das? Lassen Sie doch dieses Scheisshandy klingeln, es gehört ja nicht Ihnen.

 

Kann ich jetzt wieder an die Arbeit gehen?

 

Nein, verdammt nochmal. Ich entlasse Sie, Frau Solentaler, hiermit im Auftrag Ihres Vorgesetzten. Sie arbeiten zu langsam und zu fehlerhaft, Sie hören nicht zu und haben keinen Anstand. Falls Sie hierzu nichts zu sagen haben, ist das Gespräch jetzt beendet. Sie sind per sofort freigestellt.

 

Mein Name ist Kalberer. Frau Solentaler ist die Schwarzhaarige, mit der Sie am Freitag in der Cafeteria geflirtet haben.

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