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CH: Flugzeuge nachhaltig antreiben

Leigh Hackett (links) und Saurabh Kapoor (rechts) von Metafuels und Marco Ranocchiari vom PSI (Mitte) auf der ESI-Plattform.
Leigh Hackett (links) und Saurabh Kapoor (rechts) von Metafuels und Marco Ranocchiari vom PSI (Mitte) auf der ESI-Plattform.

DMZ –  POLITIK / MM ¦ Benjamin A. Senn ¦               Leigh Hackett (links) und Saurabh Kapoor (rechts) von Metafuels und Marco Ranocchiari vom PSI (Mitte) auf der ESI-Plattform.

 

Das Paul Scherrer Institut PSI und das Schweizer Start-up Metafuels entwickeln ein neues Verfahren zur Gewinnung von nachhaltigem Flugtreibstoff, einem sogenannten SAF – Englisch für sustainable aviation fuel. Gemeinsam konzipieren sie nun die Errichtung und den Betrieb einer ersten Pilotanlage auf dem PSI-Areal, um die Technologie zu validieren und sie in naher Zukunft im grossen Massstab kommerziell zu nutzen.

 

Das PSI und Metafuels haben sich zum Ziel gesetzt, ein effizientes Verfahren zur Herstellung von kostengünstigem synthetischem Kerosin aus nachwachsenden Rohstoffen zu entwickeln und zu vermarkten. Aus Wasser, erneuerbarem Strom und Kohlendioxid aus nachhaltigen Quellen soll ein hochwertiger Treibstoff entstehen, mit dem sich bereits heutige Flugzeugtypen antreiben liessen – entweder als Beigabe zum fossilen Kerosin oder eventuell als Haupttreibstoff. In Zusammenarbeit mit dem Metafuels-Team haben Forschende am PSI hierfür einen katalytischen Prozess entwickelt, der nicht bloss die fossilen Ausgangsstoffe umgeht, sondern auch eine höhere Selektivität – also das Verhältnis von Ausbeute und Umsatz – sowie eine effizientere Nutzung erneuerbarer Energien als in den bisher eingesetzten SAF-Verfahren erzielt. Mit dieser Technologie namens aerobrewTM wollen das PSI und Metafuels gemeinsam den Kohlenstoffkreislauf schliessen und das Netto-Null-Ziel auch in der Luftfahrt realisieren.

 

«Im Vergleich zum traditionellen Treibstoff hat unsere Technologie das Potenzial, den Kohlenstoffausstoss während des gesamten Lebenszyklus je nach Produktionsstandort um 80 bis 95 Prozent zu senken», erklärt Saurabh Kapoor, Mitbegründer von Metafuels. Das für die Technologie benötigte Kohlendioxid stammt hierbei entweder direkt aus der Luft oder aus Non-Food-Biomasse wie beispielsweise aus Holz- oder pflanzlichen Abfällen. Mittels Elektrolyse lässt sich aus erneuerbaren Energien wie Wind- oder Photovoltaikkraftwerken und Wasser grüner Wasserstoff gewinnen. «Aus Wasserstoff und Kohlendioxid produzieren wir grünes Methanol – der Ausgangsstoff für unser synthetisches Kerosin.»

 

Eine nachhaltige Zusammenarbeit

Die Mitbegründer von Metafuels arbeiten bereits seit über einem Jahrzehnt an der Entwicklung von Strategien und Technologien für den Umstieg von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energiequellen. Die drei Mitbegründer Leigh Hackett, Saurabh Kapoor und Ulrich Koss bringen sowohl fundierte wissenschaftliche und wirtschaftliche Fachkenntnisse als auch viel Erfahrung im Energiesektor mit. Sie haben bereits an komplexen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Dekarbonisierung von Energiesystemen gearbeitet. Mit dem Flugsektor haben sie nun eine neue Herausforderung gefunden.

 

Metafuels kam mit einem fertigen Business-Plan und einem Technologiepfad ans PSI. «Könnt ihr so was machen?», lautete die schlicht anmutende Frage. «Wir mussten natürlich zuerst ins Labor und eine Vielzahl entsprechender Experimente durchführen», erinnert sich Marco Ranocchiari, Leiter der Versuchsplattform Energy System Integration (ESI) am PSI. «Es hat geklappt, und wir konnten unser wissenschaftliches Modell bestätigen. Mittels einer katalytischen Reaktion konnten wir einen Prozess entwickeln, um synthetisches Kerosin aus grünem Methanol zu produzieren und dabei die Selektivität gegenüber alternativen SAF-Verfahren signifikant erhöhen.»

 

Metafuels und PSI gehen nun in die nächste Phase des Projekts, in der eine Pilotanlage gebaut und betrieben werden soll. Die Pilotanlage wird in Form von zwei Containermodulen auf der ESI-Plattform auf dem PSI-Campus installiert und in die bestehende Infrastruktur integriert. Damit soll die Technologie validiert werden, um sie in naher Zukunft im grossen Massstab kommerziell zu nutzen.

 

Auf der ESI-Plattform entwickelt und demonstriert das PSI in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie und Forschung Prozesse, die ein CO2-neutrales Energiesystem ermöglichen. Im Fokus stehen Energiekonversionsprozesse, die Biomasse energetisch nutzbar und erneuerbare Energien speicherbar machen, um diese beispielsweise eben im Flugsektor nutzen zu können.

 

Die energieintensivste Art zu reisen

Der Luftverkehr ist für etwa zwei bis drei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Trotz dem Bewusstsein über die Klimaauswirkung des Fliegens bleibt die Reiselust gross und es ist davon auszugehen, dass der Flugverkehr weiter anwachsen wird. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen und den Flugverkehr in den kommenden Jahren klimaneutral zu gestalten, wird intensiv an Alternativen geforscht.

 

Nebst synthetischem Kerosin existieren auch Alternativen wie Batterien und Wasserstoff. Lithium-Ionen-Batterien, wie sie beispielsweise in Elektrofahrzeugen vorkommen, haben jedoch eine sehr geringe gravimetrische Energiedichte. Das heisst, sie benötigen enorm viel Masse, um die erforderliche Energie zu liefern. Für Mittel- und Langstreckenflüge, bei denen jedes Kilogramm zählt, fallen Batterien sprichwörtlich zu stark ins Gewicht. Zudem müsste hierfür die Logistik an Flughäfen entscheidend angepasst werden, um mehrere Flugzeuge schnell und parallel zu laden.

 

Wasserstoff in flüssiger Form besitzt zwar eine höhere gravimetrische Energiedichte als traditionelles Kerosin, seine volumetrische Energiedichte ist jedoch etwa viermal geringer. Das heisst, ein wasserstoffbetriebenes Flugzeug benötigt ein viel höheres Tankvolumen, um die erforderliche Energie zu liefern. Um dieses Problem zu umgehen, entwickelt beispielsweise Airbus eine Hybridtechnologie, welche den Wasserstoff einerseits in Gasturbinen verbrennt und ihn andererseits in Brennstoffzellen verstromt. Dafür muss jedoch das komplette Design von Flugzeugen einschliesslich dem Treibstoffsystem und dem Antrieb überarbeitet werden.

 

«Flüssiges synthetisches Kerosin hat den Vorteil, dass es direkt in die bestehende Flughafeninfrastruktur integriert und in konventionellen Triebwerken genutzt werden kann», erklärt Marco Ranocchiari. «Die im Einsatz stehende Flugzeugflotte muss somit nicht ersetzt werden und das fossile Kerosin lässt sich kontinuierlich durch synthetisches Kerosin ersetzen.»

 

CO2-Emissionen machen jedoch nur etwa ein Drittel bis zur Hälfte der Klimaauswirkungen des Luftverkehrs aus. Mindestens ebenso wichtig ist beispielsweise die Bildung von Kondensstreifen. Bei der Verbrennung von fossilem Kerosin stossen Flugzeugturbinen auch Russ und andere Kondensationskeime aus, welche bei den kalten Temperaturen in grosser Höhe sofort zu Eiskristallen gefrieren und als Kondensstreifen sichtbar werden. Unter bestimmten Bedingungen entwickeln sich daraus künstliche Wolken – sogenannte Aviatik induzierte Zirruswolken. Einige dieser Wolken lassen zwar das sichtbare Sonnenlicht fast ungehindert passieren, reflektieren und absorbieren jedoch die Infrarotstrahlung von der Erdoberfläche sehr effizient und so kann diese Strahlung nicht ungehindert ins Weltall entweichen. «Durch die molekulare Zusammensetzung synthetischer Treibstoffe lässt sich der Verbrennungsprozess beeinflussen und so beispielsweise die Entstehung von Russpartikel deutlich reduzieren», erklärt Marco Ranocchiari. Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass sich dadurch nicht bloss die Nettoerwärmung der Erde reduzieren, sondern auch die lokale Luftqualität an Flughäfen verbessern lässt.

 

Über das PSI

Das Paul Scherrer Institut PSI entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Zukunftstechnologien, Energie und Klima, Health Innovation und Grundlagen der Natur. Die Ausbildung von jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen des PSI. Deshalb sind etwa ein Viertel unserer Mitarbeitenden Postdoktorierende, Doktorierende oder Lernende. Insgesamt beschäftigt das PSI 2200 Mitarbeitende, das damit das grösste Forschungsinstitut der Schweiz ist. Das Jahresbudget beträgt rund CHF 400 Mio. Das PSI ist Teil des ETH-Bereichs, dem auch die ETH Zürich und die ETH Lausanne angehören sowie die Forschungsinstitute Eawag, Empa und WSL.

 

 

 

 

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