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AT: EU will neue Vorschläge zur Lebensmittelkennzeichnung vorlegen und Tierschutzvorgaben überarbeiten

DMZ –  POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦                                    

 

Die Europäische Kommission will noch heuer einen Vorschlag zur Überarbeitung der bestehenden Rechtsvorschriften zur Lebensmittelkennzeichnung vorlegen. Außerdem plant sie neue Tierschutzvorgaben und Änderungen im Arzneimittelrecht. Das geht aus einem Bericht von Sozial- und Gesundheitsminister Johannes Rauch über aktuelle EU-Vorhaben in seinem Zuständigkeitsbereich hervor, der vor kurzem dem Nationalrat und dem Bundesrat vorgelegt wurde ( III-886 d.B.).

 

Auch klare Regelungen für neue gentechnische Verfahren zur Änderung des Genoms von Pflanzen wie etwa der Einsatz der Genschere CRISP/Cas hat die Kommission demnach in Aussicht gestellt. Im Sozialbereich sind unter anderem Initiativen zur Einführung eines Europäischen Behindertenpasses und zur Aktualisierung des Qualitätsrahmens für Praktika zu erwarten. Die Arbeiten an einem Europäischen Sozialversicherungspass zur Unterstützung der Arbeitsmobilität sollen fortgesetzt werden.

 

Nährwertkennzeichnung auf Verpackungsvorderseite

Konkret ist im Bereich der Lebensmittelkennzeichnung laut Bericht eine Nährwertkennzeichnung auf der Verpackungsvorderseite sowie eine Kennzeichnung alkoholischer Getränke geplant. Zudem sollen obligatorische Herkunftskennzeichnungen ausgeweitet und die Haltbarkeitsbestimmungen adaptiert werden. Ziel ist es, die Konsument:innen besser zu informieren, damit sie bewusstere Kaufentscheidungen treffen können. Das Gesundheitsministerium steht dem Vorhaben vor diesem Hintergrund grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. Mehr Transparenz am Teller und ein besserer Schutz von Konsument:innen vor Täuschung seien zentrale Anliegen, heißt es dazu unter anderem im Bericht. Auch die Einführung eines EU-einheitlichen und leicht verständlichen Modells zur Bewertung des Nährwerts eines Produkts – etwa in Form einer farblichen Codierung – wird ausdrücklich unterstützt. Adaptierte Mindesthaltbarkeitsangaben sollen Lebensmittelabfälle vermeiden helfen.

 

Österreich fordert strengere Vorgaben für Tiertransporte

Was den Bereich Tierschutz betrifft, drängt Österreich insbesondere auf eine Überarbeitung der geltenden Vorschriften zum Tiertransport. Außerdem will sich das Gesundheitsministerium unter anderem für ein Verbot der Pelztierhaltung, Mindestanforderungen für die Putenmast und EU-weite Standards zur Verhinderung von Qualzuchten einsetzen. Auch Vorgaben für die Haltung von Tieren in Tierheimen, die Kennzeichnung und Registrierung von Zuchttieren und artspezifische Tierschutzvorgaben für Rinder, Mastkälber und Zuchtfische werden als notwendig erachtet. Konkrete Vorschläge in Sachen Tierschutz will die EU-Kommission – basierend auf einem im vergangenen Jahr durchgeführten "Fitness Check" – im 3. Quartal 2023 vorlegen.

 

Neue gentechnische Verfahren in der Pflanzenzucht

Bereits für das zweite Quartal 2023 erwartet das Gesundheitsministerium Vorschläge der EU-Kommission für einen neuen Rechtsrahmen für Pflanzen – bzw. daraus hergestellte Lebens- und Futtermittel –, die mit Hilfe neuer genomischer Verfahren (NGT) wie gezielter Mutagenese und Cisgenese gezüchtet wurden. Dazu gehören etwa auch der Einsatz der Genschere CRISPR/Cas und ähnliche Techniken, die eine zielgerichtete Veränderung von pflanzlichem Erbgut ermöglichen. Der neue Rechtsrahmen soll einerseits ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt sicherstellen, andererseits aber auch Innovationen im Agrar- und Lebensmittelbereich ermöglichen. Österreich pocht jedenfalls darauf, dass rechtliche Vorgaben für gentechnisch veränderte Produkte wie etwa das Vorsorgeprinzip, Risikobewertungen oder Kennzeichnungspflichten auch für neue gentechnische Verfahren zur Anwendung kommen müssen und verweist in diesem Zusammenhang unter anderem auf das Regierungsprogramm und eine Entschließung des Nationalrats vom Juni 2021.

 

Austausch von Gesundheitsdaten

Grundsätzlich von Österreich begrüßt wird ein schon im vergangenen Jahr von der EU-Kommission vorgelegter Verordnungsvorschlag zur Schaffung eines "Europäischen Raums für Gesundheitsdaten" (EHDS), der zum einen den Austausch elektronischer Gesundheitsdaten ermöglichen und zum anderen eine Sekundärnutzung der Daten für Forschung, Innovation und Politikgestaltung erleichtern soll. Dem Gesundheitsministerium ist es allerdings ein zentrales Anliegen, dass betroffene Personen selbst entscheiden können, was in ihrer elektronischen Gesundheitsakte steht und wer welche Gesundheitsdaten einsehen kann. In diesem Sinn brauche es eine gänzliche Opt-Out-Möglichkeit, hält das Ressort zu den EU-Vorschlägen fest und verweist in diesem Zusammenhang auch auf einen entsprechenden Auftrag des EU-Unterausschusses des Nationalrats. Aktuell wird über den Kommissionsvorschlag auf EU-Ebene weiter verhandelt, zuletzt war im Dezember ein vom tschechischen Vorsitz vorgelegter Fortschrittsbericht von den Gesundheitsminister:innen zur Kenntnis genommen worden.

 

Weitere aktuelle EU-Vorhaben im Gesundheitsbereich

Für März 2023 hat die EU-Kommission einen Revisionsentwurf zur Überarbeitung des Arzneimittelrechts in Aussicht gestellt. Ziel des Vorhabens ist es, die Versorgungssicherheit in der EU zu erhöhen und Innovation in Bereichen zu fördern, in denen der medizinische Bedarf derzeit nicht gedeckt ist. Patient:innen sollen weiterhin einen Zugang zu hochwertigen, sicheren, wirksamen und erschwinglichen Arzneimitteln haben. Zu diesem Zweck sollen die Rechtsvorschriften vereinfacht und ein effizientes Regelungsumfeld geschaffen werden.

 

Weitere aktuelle EU-Vorhaben im Gesundheitsbereich betreffen die Überarbeitung des Gebührensystems der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA, die Einrichtung einer EU-Drogenagentur in Form der Ausweitung des Mandats der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD), die Überarbeitung der Verordnungen über Arzneimittel für Kinder und für seltene Krankheiten sowie die Verankerung EU-weiter Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Substanzen, die aus menschlichem Blut, Gewebe oder menschlichen Zellen gewonnen werden und beim Menschen zum Einsatz kommen. Auch die Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH-Verordnung) soll überarbeitet werden. Widmen will sich die EU-Kommission außerdem den Themen psychische Gesundheit und Krebsbekämpfung.

 

Bereits abgeschlossen werden konnten die Verhandlungen über das von der Kommission vorgelegte Paket zur "Europäischen Gesundheitsunion", das auf eine Verbesserung der Reaktionsfähigkeit der EU auf gesundheitliche Notlagen abzielt.

 

Europäischer Sozialversicherungsausweis, Disbality Card

Als für den Sozialbereich zuständiger Minister informiert Rauch die Abgeordneten unter anderem über ein laufendes Pilotprojekt zum Europäischen Sozialversicherungsausweis (ESSPASS), das sich allerdings erst im Anfangsstadium befindet. Erste konkrete Erfahrungen werden für heuer erwartet – dann könnte sich auch entscheiden, inwieweit sich die derzeit erprobte digitale Lösung auch für Anwendungen wie eine Europäische Krankenversicherungskarte eignet. Österreich unterstützt die Bemühungen zur Entwicklung einer "digitalen Brieftasche" für den schnellen und sicheren Nachweis von Sozialversicherungsansprüchen, wird im Bericht betont, hält die Beachtung von Datenschutzbestimmungen aber für essenziell.

 

Basierend auf der aktuellen EU-Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat die EU-Kommission im September 2022 ein Beschäftigungspaket vorgelegt, dessen Ziel es ist, die Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderungen zu erhöhen. Außerdem ist eine "EU Disability Card" in Planung. Dieser europäische Behindertenausweis soll es Menschen mit Behinderung europaweit erleichtern, angemessene Unterstützung zu erhalten, wenn sie in ein anderes Land der EU reisen. Auch von einem Legislativvorschlag zur Stärkung der Gleichbehandlungsstellen könnten Menschen mit Behinderung profitieren, wird im Bericht festgehalten.

 

Weiters im Sozialbereich geplant sind eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Sozialwirtschaft und die Vorlage eines Expert:innenberichts zur Stärkung der Sozialschutzsysteme in den EU-Ländern. Eine hochrangige Konferenz wird sich mit dem Thema "Sicherstellung eines autonomen Lebens älterer Menschen" beschäftigen. Auch zum Thema "soziale Eingliederung und Zugang zu angemessenem Wohnraum" ist eine Konferenz geplant. Zudem will das aktuelle Ratsvorsitzland Schweden die Verhandlungen über die bereits seit dem Jahr 2008 in Verhandlung stehende Antidiskriminierungsrichtlinie beleben. Im Rahmen des sogenannten "Europäischen Semesters" werden auch Fortschritte der EU-Länder bei der Umsetzung der Grundsätze der sozialen Säule der EU bewertet, etwa was Kernziele in den Bereichen Beschäftigung, Kompetenzen und Armutsbekämpfung betrifft.

 

Streitpunkt Arbeitslosengeld für Grenzgänger:innen

Nach wie vor auf EU-Ebene verhandelt wird außerdem über einen Verordnungsvorschlag der EU-Kommission aus dem Jahr 2016, der auf eine bessere Koordinierung der Sozialsysteme der EU-Länder abzielt und unter anderem die grenzüberschreitende Gewährung von Arbeitslosengeld, Familienbeihilfe und Pflegeleistungen betrifft. Mehr als ein Dutzend Trilogverhandlungen zwischen der Kommission, dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten waren bisher erfolglos. Nur bei den Pflegeleistungen sei bisher eine grundsätzliche Einigung erzielt worden, heißt es im Bericht. Österreich kann sich vorstellen, besonders strittige Punkte wie die Zahlung von Arbeitslosengeld an Grenzgänger:innen aus dem Paket herauszunehmen, sieht aber keine Bereitschaft der Kommission ihren Vorschlag zurückzuziehen oder in modifizierter Form neu vorzulegen.

 

Ausbau von Schlichtungsstellen

Im Konsumentenschutzbereich strebt die Europäische Kommission unter anderem eine Modernisierung der Rechtsvorschriften über alternative Streitbeilegungsverfahren (ADR) an, wobei insbesondere Online-Plattformen und Unternehmen aus Drittstaaten im Fokus stehen. Laut Sozialministerium haben sich die in Österreich eingerichteten Schlichtungsstellen gut etabliert, es gebe aber wenig grenzüberschreitende Verfahren. Das könnte auch am zum Teil mangelnden Bekanntheitsgrad liegen. Im Zuge der geplanten Adaptierung der Rechtsvorschriften sollte nach Meinung des Ressorts unter anderem Augenmerk auf die Erhöhung der Motivation von Unternehmen gelegt werden, sich an außergerichtlichen Verfahren zu beteiligen.

 

Zu den weiteren Konsumentenschutz-Vorhaben zählen u.a. eine Verbesserung der Zusammenarbeit der Verbraucherschutzbehörden, die Überarbeitung des Rechtsrahmens für Rechte von Flugpassagieren und die Stärkung von Verbraucher:inneninteressen beim "grünen Übergang". Außerdem sollen konkrete Vorschläge zu einem "Recht auf Reparatur" vorgelegt werden. In Bezug auf Vorschläge zur Verbesserung der Produktsicherheit besteht bereits weitgehender Konsens zwischen Europäischem Parlament und Rat – die finalen Beschlüsse dazu sollen laut Bericht voraussichtlich im Frühjahr 2023 erfolgen.

 

 

Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦ 

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