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Das russische Geschäftsmodell wird im Kern erschüttert

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦                                 

KOMMENTAR

 

Da zu meiner gestrigen Kritik an der Berliner Zeitung bezüglich der indisch/russischen Ölgeschäfte dann doch wieder einige noch schwächere Beiträge zu „sprudelnden russischen Öleinnahmen“ kamen, hier ein paar Daten dazu.

Chart 1 zeigt den Preisverlauf der europäischen Sorte Brent und des russischen Urals über die letzten zehn Jahre. Erkennbar und unstrittig ist es durch die Sanktionen gelungen, den Preis für russisches Öl nach unten abzukoppeln – und zwar deutlich: Brent ist ca. 53% teurer als Urals!

 

Der Preis für Russland nähert sich inzwischen 50$ pro Barrel. Indien und China dürften für einen weiteren Discount einkaufen, der aber nicht bekannt ist. Die Förderkosten Russlands sind inzwischen unklar. Viele Jahre wurden sie im Mittel mit 20$ pro Barrel geschätzt. Chart 2 zeigt eine der letzten Analysen, als noch gute Daten verfügbar waren. Das sind Preise in Rubel pro Tonne, die umgerechnet etwas mehr als diese 20$ betragen – Ende 2018!

 

Zu beachten ist aber die rasch steigende Preisentwicklung, die auch dadurch erklärt wird, dass Russland lange Zeit vorhandene Quellen ausgeschöpft und zu wenig in die Exploration neuer investiert hat. Hinzu kommt, dass die günstig zu bewirtschaftenden Ölquellen vor allem an den Pipelines liegen, die überwiegend nach Europa liefern.

 

Sowohl für die Förderung als auch die Exploration waren in Russland im Wesentlichen Kooperationen mit der westlichen Ölindustrie zuständig, die sich nun überwiegend zurück gezogen haben. In brauchbaren Analysen von Ölmarktexperten, zu denen deutsche Medienberichte leider großen Abstand haben, wird nachgewiesen, dass die Technologien nun fehlen, was zu Produktionsausfällen, erheblich steigenden Beschaffungslücken und Kosten führen sollte. Die Unbekannte an der Stelle ist die Hilfe durch chinesische Firmen. Es ist nicht transparent, was die leisten können, was sie davon zur Verfügung stellen und natürlich erst recht nicht, welche Preise sie dafür verlangen.

 

Daher ist die Bandbreite der Schätzungen für die aktuellen Produktionskosten schwierig, sie reicht von 30$ bis 45$. Ebenso ist unklar, welche Menge Russland noch produzieren kann, jenseits der Frage, welche über neue und erschwerte Kanäle absetzbar ist.

 

Bei den Förderkosten sind die Lieferkosten natürlich noch nicht enthalten. Zu welchen Gesamtkosten Russland seine neuen Partner in China, Indien und Afrika beliefern kann, ist insofern nicht seriös abzuschätzen, aber dahin gibt es kaum Pipelines!

 

Klar ist aber der Trend: Die Marge schwindet immer mehr, sie ist vielleicht sogar bereits negativ. Die Menge schwindet ebenfalls, wenngleich nicht bekannt ist, in welcher Größenordnung. Die Gesamtgewinne, wenn es die denn noch gibt, sinken also ganz erheblich. Der Nachteil von mehr als 50% zu anderen Lieferanten ist zudem ein erheblicher relativer Verlust, den man ganz sicher auch in Russland sehen wird.

Wenn Medien oder superkluge Einzelpersonen also immer noch von „sprudelnden Einnahmen“ reden und dabei Geschäftsdaten von Gazprom&Co nutzen, die – wenn sie denn überhaupt stimmen – aus der Anfangsphase des Kriegs stammen, bei also kurzfristig eskalierten Ölpreisen und einer Zeit, zu der es noch gar keine Sanktionen gegen russisches Öl gab, so ist das irgendwo zwischen Inkompetenz und Absicht zu verorten.

 

Tatsache ist, dass das mit großem Abstand wichtigste und für Russland (über)lebensnotwenige Geschäftsmodell nachhaltig beschädigt ist. Aufgrund der Reserven, die Russland zuvor aufgebaut hat, kann es das eine Weile durchhalten, aber nicht sehr lange.

 

Russland mag durchaus auch an den Falschmeldungen bei uns beteiligt sein. Aber rechnen können die bekanntlich exzellent. Das ist eine ökonomische Katastrophe. Die Einnahme-Ausfälle gegenüber den früheren Mengen und Weltmarktpreisen dürften Putin klar sein – und nicht nur dem.

Die Sanktionen wirken nachweislich und sie landen hier nichts geringeres als einen Volltreffer in die Lebensader. Die Frage ist nur, ob Putin das Loch flicken kann, die Reserven, es lange auszuhalten, hat er nicht.

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