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Post-Vac und Long-Covid müssen klar getrennt werden

DMZ – WISSENSCHAFT ¦ A. Aeberhard / S. Koller ¦KOMMENTAR 

 

Dass Impfungen Nebenwirkungen verursachen können ist keine neue Erkenntnis, sondern gilt seit Jahrzehnten. Auch die Corona-Impfung ist da keine Ausnahme und kann lokale Impfreaktionen auslösen wie Schmerzen an der Einstichstelle, Rötungen, Kopfschmerzen und Müdigkeit. Schwerwiegende Nebenwirkungen wie Thrombosen, also eine potenziell lebensbedrohliche allergische Reaktion sind sehr selten. Daher ist es falsch, Post-Vac und Long-Covid in den selben Artikeln zu verarbeiten. Long- Covid grassiert seit Jahren und viele Menschen leiden daran. Post-Vac hingegen ist noch nicht nachgewiesen.

 

Post-Vac: Die Meldenden entscheiden über die schwere der Nebenwirkungen

Die Nebenwirkungen werden von Betroffenen, Angehörigen und Ärzten selbst gemeldet, auch die Einstufung wird von den Meldenden selbst vorgenommen. Keine offizielle Stelle ändert etwas an dieser Einstufung, auch wenn sie offensichtlich nicht angemessen ist. So kommt es, dass ein großer Teil der als schwerwiegend eingestuften Nebenwirkungen doch "nur" Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schüttelfrost oder Fieber waren.

 

Jede einzelne Meldung braucht einen genauen Blick, ob es tatsächlich einen Zusammenhang mit der Impfung gibt. Es ist also nicht zulässig, die Zahlen der gemeldeten Fällen zu verwenden, um abzubilden, wie viele schwerwiegende Nebenwirkungen es gegeben hat. In der Tat ist bis heute kein einziger Fall wissenschaftlich bestätigt, der einen direkten Zusammenhang beweist. Bisher gibt es keine Hinweise, dass nach den Corona-Impfungen der Anteil von lang anhaltenden Symptomen ungewöhnlich hoch wäre. Das erklärt das Paul-Ehrlich-Institut und beruft sich dabei auf eine Untersuchung von internationalen Verdachtsfällen aus 36 Staaten.

 

Die Charité kam unter anderem zu dem Schluss, dass „sich ein Sicherheitsprofil von Covid-19-Impfstoffen ohne ärztliche Beurteilung eines kausalen Zusammenhangs zum verabreichten Impfstoff nicht medizinisch-wissenschaftlich valide erarbeiten“ lässt. Der Begriff „schwere Nebenwirkungen“ sei weder im Ethikantrag der Untersuchung noch im Studienprotokoll definiert. 

 

Anzahl Meldungen von schweren Nebenwirkungen sind gering

Allein bei Pubmed gibt es inzwischen zum Suchstring „covid-19 AND vaccination AND effectiveness“ weit über 23.000 wissenschaftliche Studien, die das Gegenteil der üblichen Berichten zu Impfungen und deren "Schäden" verbreitet. U.a. werden 100.000 Todesfälle und zwei Millionen Fälle von schweren Nebenwirkungen genannt. Dafür gibt es keine Belege. Die tatsächlichen Zahlen liegen deutlich niedriger.

 

Nebenwirkungen, wie Enzephalitis (Gehirnentzündung), können nicht den Impfungen zugeschrieben werden

Bei den Meldestellen für Nebenwirkungen wie der Swissmedic, der EMA oder auch dem deutschen Paul-Ehrlich-Institut wird diese schwere Nebenwirkung als potenzielle unerwünschte Reaktion von besonderem Interesse (AESI) geführt. Das heißt, die Meldestellen fordern Impfärzte aktiv dazu auf, entsprechende Ereignisse zu melden. Allerdings hat sich bisher noch kein signifikanter Unterschied in der Häufigkeit dieser Nebenwirkung zwischen Geimpften und Ungeimpften gezeigt. Mit anderen Worten: Enzephalitiden sind den bekannten Daten nach in der Bevölkerung allgemein genauso häufig wie bei Geimpften. Das ist für die genannten Stellen der Grund, diese Nebenwirkung auch nicht in die Produktinformation aufzunehmen.

 

ME/CFS tritt typischerweise nach Infektionserkrankungen auf und nicht nach einer Impfung

Die Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronische Fatigue-Syndrom tritt typischerweise nach Infektionserkrankungen auf. 3 von 4 Betroffenen berichten, dass sie zum Zeitpunkt des Beginns ihrer ME/CFS-Erkrankung eine Infektion durchgemacht haben. In der Forschung beschrieben ist ME/CFS u. a. nach dem Epstein-Barr-Virus, der Influenza, Enteroviren, SARS-Cov-1 und jetzt auch SARS-Cov-2. ME/CFS-Erkrankung  hat also nichts mit einer Impfung zu tun.

 

Auch der Fake-Ärzteverband „Ärztliche Berufsverband Hippokratischer Eid“ (als Verein eingetragen – 11.6.22, Hamburg) verbreitet weiterhin falsche und unbelegte Behauptungen. Seit der Gründung dieses „Verbandes“ rund um die Verschwörungsgläubigen und Fake-News Produzenten Sucharit Bhakdi, Rolf Kron, Wolfgang Wodarg, Ronny Weikl, Sonja Reitz, Thomas Külken und anderen gescheiterten Personen, werden weiterhin ungestraft massive Lügen, Fake-News verbreitet und im großen Stil Desinformation betrieben. Ausgerechnet einen Eid, der weder von Ärztinnen und Ärzten geleistet wird, noch eine Rechtswirkung hat, schreiben sich die Verantwortlichen auf die Fahne, der offenbar die Seriosität dieser „Gruppe von Türöffnern für Scharlatane“ unterstreichen soll. Aktuell behauptet der Corona-Leugner-Verein, dass in Deutschland 100.000 Menschen durch die Corona-Impfung gestorben seien und es gebe seit Beginn der Corona-Impfungen zwei Millionen Fälle schwerer Nebenwirkungen. Das ist komplett falsch und erlogen, wie alles andere, was dieser Fake-News-Verband vorwiegend auf Telegram und Fake-News-Portalen verbreitet und verbreiten lässt.

Post-Vac-Syndrome: Ursache noch unbekannt

Die genauen Ursachen für das Post-Vac-Syndrom sind noch nicht gefunden. Möglicherweise wird eine frühere Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus reaktiviert. Schieffer beobachtet bei den meisten Patienten ein sich hochschaukelndes Immunsystem. "Das verselbstständigt sich dann im Sinne einer Autoimmunerkrankung", sagt der Leiter der Spezialambulanz. Der Körper schaffe es nicht, eine selbst verursachte Entzündungsreaktion aufzulösen. " Dann läuft immer eine Spirale los, die am Ende zu einer Erschöpfung des Immunsystems führt." 

 

Das Paul-Ehrlich-Institut spricht aktuell von 0,029 Prozent der Geimpften, bei denen schwerwiegende Nebenwirkungen in Deutschland auftreten. Aber nur ein Teil der dokumentierten Fälle könnte tatsächlich mit dem Post-Vac-Syndrom in Verbindung stehen.

Gemessen an der Anzahl der Geimpften und den 943 gemeldeten Fälle bis Oktober 22 ergäbe dies gar nur eine Quote von 0,001 Prozent. Viel hängt davon ab, welche Symptome nach einer Impfung dem Post-Vac-Syndrom zugeordnet werden.

 

Long-Covid

Bei bis zu 67 Prozent der COVID-19-Patientinnen und -Patienten treten während der akuten Infektion neurologische Symptome auf. Diese Symptome können nach der Infektion fortbestehen oder erst Wochen später neu auftreten. Dazu zählen neurologische, neuropsychologische und neuropsychiatrische Symptome wie kognitive Störungen, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Depressionen, Angstzustände, Gangstörungen und allgemeine Müdigkeit. Die Pathogenese dieser Symptome ist nach wie vor ungeklärt und es gibt, abgesehen von Rehabilitationsmaßnahmen, derzeit keine wirksamen Behandlungen. „Studien zu Biomarkern für neurodegenerative Erkrankungen im Plasma und bildgebende Verfahren zur Integrität des Gehirns in Long- bzw. Post-COVID-19 Patienten zeigen Ergebnisse, welche mit unseren Beobachtungen übereinstimmen. Die Vielfalt der Symptome weist eindeutig auf eine Beteiligung verschiedener Hirnregionen hin“, erklärt Richter Assencio, „ob und falls ja, wie SARS-CoV-2 in das Gehirn gelangt, ist bisher nicht eindeutig geklärt. Wir konnten SARS-CoV-2 bei unseren Untersuchungen zwar zu keinem Zeitpunkt im Gehirn nachweisen, es gibt aber auch Studien, die geringe Mengen des Virus im Gehirn gefunden haben. Es wäre auch denkbar, dass allein die Reaktion des Immunsystems auf das Virus und die damit einhergehenden Signalmoleküle wie Zytokine die beobachteten Veränderungen hervorrufen.“

 

Die Forschenden vermuten, dass die Anhäufung von Tau und Alpha-Synuclein eine Ursache für die lang anhaltenden neurologischen Symptome sein können. Richter Assencio sagt: „Es besteht noch viel Forschungsbedarf. Ob die Anhäufung der Proteine in den Neuronen wirklich fortschreitende neurodegenerative Prozesse und neurologische Symptome auslösen, müssen weitere Studien klären. Eines steht aber fest: Wenn wir die Ursachen für die Symptome von Long- und Post-COVID-19 kennen, können darauf aufbauend rationale Therapien für die Betroffenen entwickelt werden. Alpha-Synuclein und Tau wären, falls sich unsere Annahmen bestätigen, wichtige Zielmoleküle für solche Therapien.“

Die Originalpublikation - Microgliosis and neuronal proteinopathy in brain persist beyond viral clearance in SARS-CoV-2 hamster model

Christopher Käufer, Cara S. Schreiber, Anna-Sophia Hartke, Ivo Denden, Stephanie Stanelle-Bertram, Sebastian Beck, Nancy Mounogou Kouassi, Georg Beythien, Kathrin Becker, Tom Schreiner, Berfin Schaumburg, Andreas Beineke, Wolfgang Baumgärtner, Gülsah Gabriel, Franziska Richter, DOI: https://doi.org/10.1016/j.ebiom.2022.103999

 

 

 

 

Quellen: 

  • Reusch et al (2022). „Influencing factors of anti-SARS-CoV-2-spike-IgG antibody titers in healthcare workers: A cross-section study.“ 
    Journal of Medical Virology: e28300. https://doi.org/10.1002/jmv.28300
  • Wagenhäuser et al. „Immunogenicity and safety of coadministration of COVID-19 and influenza vaccination.“ European
    Respiratory Journal 61(1): 2201390. https://doi.org/10.1183/13993003.01390-2022
  • Wagenhäuser et al. „Bivalent BNT162b2mRNA original/Omicron BA.4-5 booster vaccination: adverse reactions and inability to work compared to the monovalent COVID-19 booster.“ Clinical Microbiology and Infection. Article in Press. https://doi.org/10.1016/j.cmi.2023.01.008

 

Übersichtsarbeiten ME/CFS

 

  • 2021 Review, in dem der aktuelle Stand zu möglichen Krankheitsmechanismen, zur Diagnose und zu potentiellen Behandlungsmöglichkeiten zusammengefasst ist.

  • Die National Academy of Medicine (ehemals Institute of Medicine) hat im Jahr 2015 einen Report zu ME/CFS veröffentlicht, für den 9000 Studien ausgewertet wurden. Das Fazit: ME/CFS ist eine körperliche Erkrankung mit dem Leitsymptom Post-Exertional Malaise und muss dringend stärker erforscht werden.

Studien: 

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