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Zeitmanagement: Fünf Thesen

DMZ –  BLICKWINKEL ¦ Ruedi Stricker ¦                   

 

Wir verschenken Effizienzgewinne

John Maynard Keynes soll in den Dreissiger Jahren des letzten Jahrhunderts unserer Generation prophezeit haben, dass wir dank der grossen Produktivitätsfortschritte mit drei Stunden täglicher Arbeit ein komfortables Leben haben würden. Offensichtlich sind wir Menschen jedoch sehr kreativ, wenn es darum geht, uns selber um die Früchte unserer Arbeit zu bringen. Die Verkürzung der Arbeitszeiten kompensieren wir mit einer Verlängerung der Fahrzeiten. Wir kaufen doppelt so viel Lebensmittel, wie wir essen, um wenigstens die Kosten für die Ernährung höher zu halten als die Krankassenprämien. Und auf sozialpsychologischer Ebene ist ein Zeitgenosse, der Zeit hat, schon fast suspekt. Langeweile ist aus moralischer Sicht verwerflicher als spassorientierte Vernichtung von Ressourcen, da Letzteres wenigstens einen Beitrag ans Sozialprodukt leistet.

 

Zeit hat keinen Wert

Jeder kennt den Spruch «Zeit ist Geld». Wenn’s drauf ankommt, handeln wir jedoch nicht danach. Dazu ein Beispiel aus der Praxis: Die Verkaufsabteilung einer Firma führt ein Meeting durch. 7 Personen diskutieren 2.5 Stunden über ein Problem, kommen allerdings wegen der schlechten Vorbereitung und Durchführung zu keinem brauchbaren Ergebnis. Inklusive Vorbereitung, Anreise und Protokoll kostet das Meeting rund 4 000.--. Kein Mensch redet danach über diesen Betrag, obwohl im gleichen Unternehmen drei Manager eine Unterschrift leisten müssen, wenn ein Sachbearbeiter für 1 000.—Franken einen Computer bestellt. Dieses Denken äussert sich auch am POS, wo wir Produktpreise mit denjenigen im Internet vergleichen und den Einwand betreffend Dienstleistung und Beratung mit dem schlagenden Argument kontern: «Die Verkäuferin ist ja sowieso da».

 

Wir planen zu ambitiös

Erfahrung hilft uns, Dinge besser zu machen. Im Zeitmanagement stellen wir jedoch eine erstaunliche Lernresistenz fest. Aufgaben werden notorisch mit zu geringem Zeitaufwand geplant. Bei vielen wiederkehrenden Aufgaben wie die Bearbeitung der Mailbox, Erstellen von Rapporten oder Durchführen von Sitzungen haben wir keine Ahnung, geschweige denn Zahlen über den Zeitaufwand. Der Einwand, man könne Büroarbeit nicht planen wie die Produktion von Schrauben, lässt sich kontern mit einer anderen Frage: Sollen Generäle auf die Planung eines Gefechts verzichten, weil das Wetter unklar ist? Allein die Feststellung von Peter Drucker, wonach ein Manager im Durchschnitt pro Tag nur rund eine Stunde Zeit zur freien Verfügung hat und der Rest weitgehend fremdbestimmt ist, müsste uns doch nachdenklich stimmen

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Mit jeder neuen Technik stirbt eine alte

Die Summe der Fähigkeiten und Werkzeuge, die wir routiniert und sinnvoll einsetzen, ist offensichtlich beschränkt. Das Erstellen eines Briefs zeigt dies anschaulich.

1935: A diktiert einen Brief. B tippt synchron mit dem Zehnfingersystem in die QWERTZ Tastatur* der Schreibmaschine. A unterschreibt, B steckt den Brief in einen Umschlag. Fertig.

2015: A töggelt mit einem individuellen Sechsfingersystem in die QWERTZ Tastatur des Computers. Zu den motorischen Problemen kommen die Schwierigkeiten mit der modernen Rechtschreibung. Wenn dann auch noch die Fragen betreffend Drucker und Papier gelöst sind, landet das Papier unterschrieben beim Chef, der es nach Feierabend lesen, korrigieren und neu drucken wird...

 

* Pikantes Detail: Die QWERTZ Tastatur wurde damals so entwickelt, dass die Mechanik der Maschine nicht durch zu schnelles Tippen überfordert wurde.

 

Wir entscheiden zu spät

Anstehende Entscheidungen verursachen Stress. Instinktiv wissen wir, dass sie mit Risiken verbunden sind, und deshalb verschieben wir sie lieber und blenden dabei ein wichtiges Prinzip aus: Heute nicht zu entscheiden, ist auch eine Entscheidung. Besonders gravierend sind die Folgen bei sozialen Problemen. Während wir unser Beziehungsnetz stetig und ohne Bedenken – Stichwort «Facebook» – erweitern, tun wir uns beim Reduzieren schwer. Wir hoffen, dass sich unsere geschäftlichen und privaten Partner irgendwann doch noch bessern oder sich ohne unser Zutun verabschieden. Wenn wir dann Pech haben, schlägt Murphy wieder einmal zu: Die Dinge ändern sich zum ungünstigsten Zeitpunkt und auf genau jene Art, die wir eigentlich längst befürchtet hatten. Mit Eigenverantwortung hat diese «Strategie» so wenig zu tun wie das Warten auf den grossen Knall, wenn das Fass voll ist, der Kragen platzt und das Stammhirn die Stellvertretung des Verstands übernimmt.

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