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COVID-Gesetz: Schutzbedürftige appellieren an Stimmbevölkerung

DMZ – GESELLSCHAFT / LEBEN ¦ Peter Metzinger ¦     

 

Für rund 100'000 bis 200'000 immunsupprimierte Patienten in der Schweiz bleibt die COVID-19-Pandemie trotz Impfungen weiterhin lebensgefährlich. Denn sie können keine Immunität gegen SARS-CoV-2 aufbauen. Eine Ablehnung der Verlängerung des COVID-19-Gesetzes würde den Zugang zu COVID-Medikamenten für den Winter 2023/24 verhindern und vulnerable Personen schutzlos zurücklassen.

 

Zwei Betroffene appellierten während einer Online-Medienkonferenz des Ja-Komitees der Zivilgesellschaft für das COVID-Gesetz an die Stimmbevölkerung der Schweiz, sich nicht von Falschinformationen zum Gesetz leiten zu lassen, sondern Ja zu stimmen, damit ihre Versorgung mit lebenswichtigen Medikamenten auch im kommenden Winter und ohne Unterbrechung möglich bleibt. Das Ja-Komitee kritisiert die zahlreichen Falschinformationen zum COVID-Gesetz und unterstützt das Anliegen der Vulnerablen. Andreas Kyriacou, Präsident der Freidenker-Vereinigung der Schweiz gab als Fazit der Medienkonferenz zu Wort, dass die Massnahmen, um die es am 18. Juni geht, «niemanden in seiner Freiheit beschränken, sondern all jenen Freiheit ermöglichen, die sich immer noch besonders schützen müssen». 

 

Zu Beginn der Medienkonferenz präsentierte Peter Metzinger, ehrenamtlich engagierter Leiter des zivilgesellschaftlichen Ja-Kampagne, die Beweggründe des Ja-Komitees der Zivilbevölkerung, sich für Fakten und gegen Falschinformationen zum COVID-Gesetz zu engagieren. Der kritisierte, vermeintliche Impfzwang ist zum Beispiel im Gesetz gar nicht enthalten. Tatsache ist aber, dass die Verlängerung der wenigen verbliebenen Maßnahmen für viele Menschen lebenswichtig ist. Mit der Medienkonferenz gab das Komitee Betroffenen die Chance, ihre Sichtweise darzulegen. 

 

Anna Troelsen, 28, ist eine dieser vulnerablen Personen und leidet an juveniler idiopathischer Arthritis, Skoliose und cortisonbedingter Osteoporose. Für sie wäre eine COVID-Ansteckung nach wie vor gefährlich. Dass auch junge Menschen zu den besonders gefährdeten Personen gehören, wissen ihrer Erfahrung nach viele nicht. Es ist wichtig, dass nicht nur Altersgebrechen jemanden zu einer besonders gefährdeten Person machen können. Beispielsweise leben von 1’000 Kindern ein bis zwei mit einer Arthritis, einer entzündlichen Gelenkerkrankung, womit auch sie in die Gruppe besonders gefährdeter Personen gehören.

 

Auch Anna Troelsen litt bereits als 5-Jährige an starken Gelenkschmerzen. Das viele Cortison, welches sie gegen die Entzündungen nehmen musste, verursachte eine Osteoporose. Dennoch versucht sie, ein «normales» Leben zu führen, so weit das geht. Sie studiert, arbeitet nebenbei und verbringt ihre Freizeit gerne mit ihrem Hund. Viele Medikamente, die gegen Rheuma wirken, wirken entzündungshemmend, schwächen aber das Immunsystem. Betroffene können schlecht oder gar keine Immunität gegenüber SARS-CoV-2 aufbauen. Seit einer COVID-19-Infektion im Februar 2022 ist sie schlapp und braucht viel mehr Schlaf als früher. Für das Studium wird sie nun länger brauchen. 

 

«Für mich ist Corona nach wie vor gefährlich und dies zu einer Zeit, in der die meisten Menschen froh sind, dass es vorüber ist und die Pandemie schon fast vergessen haben. Ich bin kein Einzelfall. Wir sind speziell auf den Schutz, welchen uns das COVID-19-Gesetz gibt, angewiesen», gab sie gegenüber den anwesenden Medienschaffenden an. Anna Troelsen versteht nicht, wieso die Menschen heute anders mit der Pandemie umgehen.

 

Zwar gibt es seit ca. Mai 2022 eine Prophylaxe-Therapie  für immunsupprimierte Menschen, diese bietet immerhin einen gewissen Schutz. Trotzdem müssen sich immunsupprimierte Menschen aber schützen. Anna Troelsen wünscht sich deshalb, «dass man Menschen wie mir, die Teil der vulnerablen Gruppe sind, wieder mehr Verständnis entgegenbringt.»

 

Für den 62-Jährigen David Haerry dürfen die Hochrisikopatienten nicht vergessen gehen. Er selbst lebt seit 40 Jahren mit dem HI-Virus, ist Mitgründer und Vorsitzender des Positivrats, eines Fachgremiums, das sich für die Interessen von Personen mit HIV und Hepatitis einsetzt. Er versteht, dass die große Mehrheit der Bevölkerung «die Nase voll hat von COVID». Doch für viele immunsupprimierte Risikopatienten bleibe nichts anderes übrig, als Menschenansammlungen zu meiden und Maske zu tragen: «Ich habe einen Bekannten mit Multipler Sklerose, der aus Angst vor einer Ansteckung fast nur zu Hause sitzt und sogar Spitalbesuche meidet», so Haerry.

 

Zusammenfassend wurde an der Medienkonferenz des Ja-Komitees der Zivilgesellschaft für das COVID-Gesetz festgehalten:

In der Schweiz leben schätzungsweise 100 000 bis 200 000 Personen, d.h. ca. 2% der Schweizer Bevölkerung, deren Immunsystem aufgrund einer Erkrankung oder Therapie (z.B. Chemotherapie, Immunsuppressiva oder Dialyse) geschwächt ist, sogenannte immunsupprimierte Patienten. Betroffen sind zum Beispiel Personen mit Leukämie, Multipler Sklerose, rheumatoider Arthritis oder Personen, die eine angeborene eingeschränkte Immunität oder eine Organtransplantation hinter sich haben. Bei diesen Patienten wirken Impfungen oft nicht ausreichend oder gar nicht. Im Falle einer COVID-19-Infektion muss zudem mit einem schwereren oder längeren Verlauf und einem höheren Hospitalisierungsrisiko gerechnet werden.


Anders als für 98 Prozent der Bevölkerung ist die Pandemie für uns immunsupprimierte Menschen noch nicht vorbei. Weiterhin kann jede Ansteckung mit COVID-19 für uns lebensgefährlich sein. Davon gelten rund 10'000 gemäß den SSI-Kriterien als sogenannte Hochrisikopatientinnen und Hochrisikopatienten, welche in ganz besonderem Masse schutzlos und damit gefährdet sind. Viele dieser Patienten leben noch immer in lockdown-ähnlichen Zuständen und sind in ihrem Privatleben und ihrer Erwerbstätigkeit eingeschränkt. Auch für Angehörige und Freunde ist diese Situation oft belastend.

 

Das COVID-19-Gesetz sichert nicht nur das Förderprogramm zur Erforschung, Entwicklung und Herstellung von COVID-19-Arzneimitteln, sondern auch den Zugang zu bestehenden und neuen COVID-19-Arzneimitteln, auch wenn sie noch nicht zugelassen sind. Diese Arzneimittel wären bei einer Ablehnung der Verlängerung des COVID-19-Gesetzes nicht mehr zugänglich. Insbesondere prophylaktische Therapien für vulnerable Personen mit geschwächtem Immunsystem, die trotz Impfung keine ausreichende Immunabwehr gegen die aktuell immer noch zirkulierenden COVID-19-Varianten entwickeln, sind für Betroffene zentral. 

 

Ein Nein zu COVID-19-Gesetz würde bedeuten, dass diese Patienten trotz erhöhtem Risiko im Winter 2023/24 ohne medikamentösen Schutz auskommen müssten.

 

Es wäre falsch, den vulnerablen Personen den Zugang zu Medikamenten für den Winter 2023/24 – und damit eine gewisse Erleichterung und Lebensqualität – vorzuenthalten.

 

Weitere Informationen und Fotos der Referierenden entnehmen Sie bitte der Mediendokumentation hinter diesem Dropbox-Link:
https://www.dropbox.com/sh/mqaoyzoy45gz8o5/AAAAweHU2pvB2nX3uF6SqgX7a?dl=0


Eine Aufzeichnung der Medienkonferenz finden Sie hier: 
https://www.dropbox.com/sh/ou0y8w4g6rr5g5f/AACsIg16nxASlpjrTA5-KKqOa?dl=0

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