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Bundesrat Ueli Maurer warnt vor einer weiteren Machtverschiebung und fordert "Gegengewicht"

DMZ –  POLITIK ¦ GESELLSCHAFT ¦ AA ¦                     

KOMMENTAR

 

Bundesrat Ueli Maurer warnt vor einer weiteren Machtverschiebung an seiner Rede am 14.9.2021. Wenn man nicht wüsste, dass es sich dabei um reale Aufnahmen handelt, ginge man klar von Fake-News aus. Dem ist aber leider nicht so. Das Video mit seiner Rede wird bereits breit geteilt auf und in diversen ominösen Kanälen, als Aufruf zur Gegenwehr verstanden. Auf Anfrage erhielten wir von seinem Departement die Antwort: "Wir äussern uns  nicht dazu.". Was kann nun der unbescholtene Bürger damit anfangen?

 

"Mit deutlichen Worten appelliert Ueli Maurer an die Landesbewohner. Er fordert eindringlich auf, persönlich aktiv zu werden und nicht weiter in Passivität zu verweilen. Die bisherige Passivität hat dazu geführt, dass eine brandgefährliche Machtverschiebung stattfinden konnte. Und es droht, dass diese Machtverschiebung noch viel weiter geht! Es sollte jedem zu denken geben, wenn ein Bundesrat die Bevölkerung um Hilfe bittet und durchblicken lässt, dass er selber nicht den Einfluss hat, welcher ihm in seiner Funktion eigentlich zustehen sollte. Im Klartext: Die Alarmglocken läuten sturm! Bitte schliesst Euch alle dem Widerstand an, übernimmt Eigenverantwortung und helft mit, diese bedrohliche Machtverschiebung zu stoppen! Ich stehe ein für eine diktaturfreie Schweiz!" So der Aufruf, der auch rege per Whatsapp verschickt wird.

 

Es ist natürlich klar, dass solche Nachrichten in gewissen Kreisen als Aufruf verstanden werden, so klingt es dann auch nach, in den Kommentaren unter dem Video auf diversen Kanälen (für die wir an dieser Stelle keine Werbung machen).

 

Freude an der Macht

Die Expertengruppe ziehe macht an sich und der Bundesrat habe auch Freude an der Macht, führt Bundesrat Maurer in seiner rede aus. Diese Machtkonzentration sei gefährlich. Diese könne aber nur passieren, wenn es keine Gegenkraft gebe. Und wenn "wir" uns nicht darum kümmern würden, dann machten das die, die an der Macht seien dann schon. Man müsse das Gegengewicht bilden, damit die Macht nicht zu gross werde. Er findet es auch extrem, welche Macht dem Bundesrat zugesprochen wurde. Auch gab er seinen Spruch die Pandemie sei "eine Führungskrise und keine Corona-Krise" zum besten.

 

Ist ein solcher Bundesrat überhaupt noch tragbar? Einer der gegen die eigenen Beschlüsse schiesst? Der das Volk zur Gegenwehr aufruft?

 

 

 

Causa Trychlersack

Die "lächerlichen Trychler" (wie sie schweizweit genannt werden) laufen jeweils zuvorderst mit, wenn der Leithammel dieser "Demos" den Bundesrat wahlweise auch mal als Faschisten bezeichnet und den Brauchtum u.a. auch damit in den Dreck zieht. Diese "Freiheitstrychler", wie sie sich selbst nennen, sammeln, wie alle anderen aus dieser zusammengewürfelten Kleingruppe von Impfgegnern, Naturjüngern und anderen Verirrten auch fleissig Spenden. Wofür ist auch hier unklar, Hauptsache Geld, es geht ja um die Freiheit.

 

Bereits hier zeigte sich Bundesrat Maurer nicht mit dem nötigen Gespür und Respekt. Oder vielleicht war es auch Absicht. verstehe muss man es nicht. Aber dass ausgerechnet immer diejenigen von Spaltung sprechen, die diese anheizen ist bezeichnend.

 

Dass der SVP Bundesrat noch nicht gemerkt hat, wo es geschellt hat, verwundert kaum. Er zieht sich sogar einen Sack dieser Truppe über, die mit Glocken den Krieg gegen diesen führt. Solches Gebaren ist eines Staatsmannes nicht würdig, aber wen kümmerts. In der Schweiz kann jeder machen, was er will, ohne Folgen, ausser, er setzt sich für etwas Positives ein, dann wird es eng.

 

"Spaltung der Gesellschaft"

Noch so eine Schlagzeile, die die Clickbaitorientierten Medien verbreiten und anfeuern. Auch hier sind es ausgerechnet die Aggressoren (Skeptiker, Gegner...), die davon sprechen, dass die vernunftbegabte Mehrheit für diese "Spaltung" verantwortlich zu machen sei. Paradox!

Zum Skeptiker wird man erst aus Angst. Macht es sich, wer immer nur vor der Spaltung der Gesellschaft warnt, nicht etwas zu einfach? Ist eine solche Warnung nicht vor allem wohlfeil? Letztlich wird doch niemand, der ein ernsthaftes Interesse am gesellschaftlichen Miteinander hat, für dessen Spaltung eintreten.

Nur wenige zweifeln daran, dass Sozialen Medien grossen Einfluss auf die interne Feindseligkeit einer zunehmend ausdifferenzierten Gesellschaft haben. Eine Gesellschaft, die sich in diesem Raum im Vergleich zu früheren Jahrzehnten vervielfacht antrifft und dort konfrontativ und kompromisslos auseinandersetzt. 

 

„Unsere Gesellschaft war noch nie einheitlich. Wir hatten früher aber Massenmedien, bei denen sich fast alle informierten – alle sahen Nachrichten im Fernsehen. Durch das Internet ändert sich die Situation. Jede Gruppe hat heute ein eigenes massgeschneidertes Nachrichtenangebot, das mehr oder weniger nach journalistischen Massstäben arbeitet. Viele dieser Angebote sind ‚alternative Medien‘, deren Autoren es mit den Fakten nicht so eng sehen, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Sie überspitzen. Diese Angebote verstärken die gesellschaftliche Spaltung weiter.“

Wolfgang Schweiger, Kommunikationswissenschaftler

 

 

Würde man die Minderheit der Corona-Lästerer nicht laufend medial pushen, gäbe es auch nichts, das einer Bewegung gleich kommen würde

Viele Menschen sind wegen der Corona-Krise ängstlich oder unsicher. Das ist verständlich, denn die Krise und was da noch kommen mag, birgt viele unbeantwortete Fragen. Das Finden nach Antworten kann noch eine Weile dauern. Deshalb ist es wichtig, mit den Ängsten und Unsicherheiten umgehen zu können. Einigen Menschen gelingt dies nicht mehr und verlieren sich. Meist ist die Panik nach den ersten vier Wochen vorbei. Menschen sind extrem anpassungsfähig und finden auch in gefährlichen Zeiten ihren Wohlfühlpegel wieder. Denken wir mal an Menschen, die in Kabul oder Johannesburg leben. Dort sind die täglichen Gefahren erheblich höher als bei uns, und dennoch behalten die Menschen ihre Lebensfreude. Aber auch hier verlieren sich diese Menschen bereits und den Blick für die Realität. Vieles wird natürlich für Klicks und Geld von Medien zusätzlich angeheizt: "Coronamüdigkeit", "Aufstand", "Demos" usw. - alles hochgekocht, nicht existent und überbewertet. Würde man die Minderheit der Corona-Lästerer nicht laufend medial pushen, gäbe es auch nichts, das einer Bewegung gleich kommen würde. Dabei spielt man gefährlich mit diesen verängstigten und unsicheren Menschen. Ignorieren ist wohl das erfolgreichste Mittel gegen diese Panik bei den Corona-Lästerern. Die Mehrheit der Menschen wird sich auch weiterhin vorsichtig verhalten. Beratungsresistente Corona-Leugner wird man ohnehin nicht mit Fakten erreichen. Deshalb muss deren Tun schlicht ignoriert werden.

 

Meinungsfreiheit wird durch Radikalisierung ersetzt

Diejenigen, die für sich selbst bei jeder Gelegenheit auf "Meinungsfreiheit" und Anerkennung ihrer Überzeugungen pochen, zwingen anderen ihre Position auf, vielfach schreiend, in der Gruppe, an anderesdenkende gerichtet. Die Protestierenden glauben, für skeptische Abwägung und kritische Aufgeklärtheit zu stehen. Tatsächlich aber durchlaufen viele Corona-Lästerer eine bisher so nie gesehene, pandemische Echtzeitradikalisierung. Sie lässt sich nicht nur an solchen Situationen erkennen, sondern auch an den Leitfiguren der Szene. Wenn Beweggründe oft anders sind in diesen Gruppierungen, haben alle eines gemeinsam: Antisoziale, impulsive und narzisstische Persönlichkeitsmerkmale. Antisozialität hängt mit einem Mangel an Empathie gegenüber anderen, wie z.B. Älteren oder Kranken, zusammen. Ein rücksichtsloses Missachten der Interessen und des Wohlergehens anderer steht im Zentrum der Antisozialität genauso wie manipulatives und oft auch gewalttätiges Verhalten. Im Hintergrund stehen meist kognitive Grundannahmen, wie „meine Interessen sind wichtiger“, „ich lasse mir von keinem etwas sagen“, „ich mache mir alle Regeln selbst“ oder „die anderen sollen gefälligst tun, was ich will“.

 

Die impulsive Persönlichkeit wirkt auch oft antisozial. Im Unterschied zur ausschliesslich antisozialen Persönlichkeit ist sie aber weniger strategisch und manipulativ, sondern kann sich viel schlechter steuern und kontrollieren. Wenn es etwa gilt, wahrgenommene oder auch nur diffus gespürte Bedürfnisse zu befriedigen, vergisst die impulsive Persönlichkeit Vorsätze und Regeln, um zu ihrem vermeintlich einzig wichtigen Ziel zu kommen. Daraus entstehen oft automatisierte unbewusste Verhaltensroutinen bis hin zu Zwängen.

 

Die Bewegung der riesigen Minderheit

Die emotionale Beweisführung ist inzwischen der wohl wichtigste Mechanismus der Bewegung, weil Gefühle über soziale Medien ansteckend wirken können. Denn genau dafür wurden soziale Medien gebaut, die virale Verbreitung des "Engagements", wie man die meist emotional gefärbte Beteiligung am Netzgetöse bezeichnet. Wenn man Angst hat, existiert definitiv ein Grund, um Angst zu haben. Wenn man spürt, da sei etwas faul, dann ist etwas faul. Wenn man sich wütend fühlt, dann ist das der Beweis dafür, dass etwas schiefläuft und jemand verantwortlich sein muss. Die narzisstische Persönlichkeit muss sich selbst in den Mittelpunkt stellen, um das Gefühl der Wichtigkeit zu erlangen und nicht an Selbstwertmangel zu leiden. Sie braucht kontinuierlich Bestätigung und Aufmerksamkeit. Sie verhält sich wie ein Luftballon, der ständig mit heisser Luft aufgepumpt werden muss. Im Grunde überdehnt sie die Grenzen ihres kleinen Ichs und kann damit andere nachhaltig schädigen. Wenn andere sie dann einschränken, empfindet sie dies schnell als Herabsetzung oder Kränkung. Entweder sie setzt sich an die Spitze der Bewegung oder sie rebelliert dagegen und hintertreibt die geforderten Veränderungen. Dieses Verhalten zeigt sie auch in der Krise, denn für die jetzige krisenhafte Situation der Gesellschaft gilt, dass die sonst mehr oder weniger kaschierten Persönlichkeitsanteile nunmehr unter Stress deutlicher und intensiver hervortreten.

 

Oft neigen Menschen dazu, Sichtweisen zu entwickeln, die mit ihrem Selbstbild übereinstimmen. Nimmt sich eine Person als selbstbestimmtes Individuum wahr, ist sie eher geneigt, COVID-19 zu verharmlosen – zum Beispiel, indem sie es mit der Grippe vergleicht. Nicht-Experten greifen oft zu vereinfachten und aus dem Zusammenhang gerissenen Argumenten, solange sie ihre Sichtweise stützen (motiviertes Denken). Das verleitet sie auch zu der irrigen Schlussfolgerung, dass ihr eigenes Urteil den Ansichten der Experten ebenbürtig sei. Verschwörungstheorien sind eine extreme Form des motivierten Denkens. Jede Tatsache, die die vertretenen Überzeugungen untergräbt, wird durch das „eigene Wissen“ der Verschwörungstheoretiker über die wahren Gründe und „Machenschaften“ überdeckt. Die Medien geben durch ihre Berichterstattung eine Art Sicherheit an diese Gruppierung ab, die es definitiv nicht braucht und kontraproduktiv in der Bewältigung der Krise ist.

 

Es ist wichtig, Dinge zu erklären, mit Fakten zu überzeugen aber auch zu wissen, dass es Menschen gibt, die man nicht erreichen kann.


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