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Die Schweiz befindet sich erneut in einem gefährlichen Blindflug

DMZ –  WISSENSCHAFT / POLITIK ¦  L. Wallner ¦        

KOMMENTAR

 

Was viele Menschen zu vergessen scheinen, ist die Tatsache, dass das Virus trotz der Aufhebung fast aller Corona-Massnahmen in der Schweiz natürlich weiter grassiert – immer noch stecken sich pro Woche eine Viertelmillion Menschen mit dem Virus an. Da die Massnahmen nicht schrittweise zurückgenommen wurden, ist man in der Schweiz erneut im Blindflug. Leider machte die Regierung diesen Fehler immer und immer wieder und hat einfach nichts aus Fehlern gelernt. Und vor allem wurde nie in die Zukunft geschaut. Denn testen wird sich ab sofort kaum mehr jemand, da die Massnahmen ja aufgehoben sind. Einerseits wird man also keine Test-Zahlen mehr haben, wie sich das Virus entwickelt, andererseits wird der Graubereich der real Erkrankten noch sehr viel grösser werden.

 

Anstatt zuerst Instrumente und Vorkehrungen zu treffen und einen vernünftigen Ausstieg zu planen und zu realisieren, schoss die Regierung erneut verfrüht und planlos ins Blaue. Nach eigenen Begründungen der Exponenten, weil sie "nicht mehr bedroht werden" möchten, weil sie "in den letzten zwei Jahren zu viel arbeiten mussten", weil die "Wirtschaft schon lange alles öffnen will" und die SVP erneut SRF attakiert. Oder so ähnlich unplausibel sind die Begründungen.

Wie müsste nun geplant werden?
Mit diesen Zahlen, die wir aktuell haben, von einem entspannten Frühling und Sommer zu sprechen ist ebenso fern ab jeder Realität, wie die mediale Inszenierung des Pandemieendes - Eine Pandemie, die noch nie weiter weg von einem Ende war als aktuell. Fest steht aus Expertensicht aber schon heute, dass der nächste Herbst und Winter wieder zum Knackpunkt werden. Denn das Infektionsgeschehen im Zusammenhang mit Sars-CoV-2 tritt saisonal auf, wie inzwischen klar ist. Aber von einer vermeintlichen und „guter Grundimmunität“, wie es medial zelebriert wird, ist die Schweiz ebenfalls Lichtjahre entfernt und glänzt einmal mehr als Europäisches Rücklicht (schlechte Impfquote).

 

Neue Virusvarianten

Weitere Virusvarianten werden ebenfalls kommen, das ist normal, so sind Viren. „Wir müssen davon ausgehen, dass sich das Virus weiter verändert“, sagt Richard Neher, Experte für Virusevolution von der Universität Basel. Dabei gebe es aber noch viele Unklarheiten. Etwa, ob sich SARS-Cov-2 weiter so sprunghaft verändert, wie zuletzt bei der Omikron-Variante, oder eher langsam und kontinuierlich. Zudem wisse man bei Corona noch nicht viel dazu, wie sich das Virus vor dem Hintergrund von Impfung und vorheriger Infektion verhält. Auch hier wappnet man sich nicht. Damit würde wieder eine Überlastung des Gesundheitswesens drohen. Eine Überlastung ist zwar bereits im Normalbetrieb festzustellen, aber die Politik sieht das offenbar anders. Die Pflegekräfte haben 2 Jahre am absoluten Limit gearbeitet. Ihnen die Überlastung abzusprechen ist sehr unfair.

Im Übrigen wurde die Delta-Variante, die aktuell immer noch etwa 1000 Fälle pro Tag ausmacht, von den Medien und der Politik einfach ignoriert wurden. Wir erinnern uns. In der Vergangenheit ordnete man in der Schweiz Shutdowns an, wenn sie dort 100 - 200 Fälle (Delta) am Tag hatten. Heute, bei 1000 Fällen, der genau selben Variante, hebt man alle Massnahmen auf.

 

Überwachungssystem

Die Schweiz müsste sich spätestens jetzt von Faxgeräten verabschieden und ein Überwachungssystem aufbauen, wie das in weniger reichen Ländern bereits Tatsache ist. Es kann nicht das Ziel sein immer zu hören, dass die Schweiz so reich und wunderbar ist, wenn sie doch in Realität im Gesundheitswesen, Sozial- und Bildungsbereich so rückständig ist.

 

Über das aktuelle Infektionsgeschehen muss man unbedingt auf dem Laufenden zu sein um vielleicht diesmal dann frühzeitig reagieren zu können. Dazu sind Massnahmen auf verschiedenen Ebenen nötig und das Datensammeln in den Spitälern, Virusmengen-Überwachung im Abwasser, zufällige Tests in der Bevölkerung müssen endlich funktionieren. Auch die Immunität der Bevölkerung muss laufend getestet werden und für die Long-Covid-Fälle braucht es ein schweizweites Register, wie das seit Monaten von Zivilgesellschaften gefordert wird.

 

Auf Anfrage bei den Behörden erhalten wir dann auch die unbefriedigende Antwort, dass Überlegungen über ein Überwachungsprogramm angestellt würden. Aber es wird nicht gesagt wann, wie, worüber genau, von wem seit wann und wie der aktuelle Stand ist. Also auch hier offenbar Blindflug.

 

Grundsätzlich ist es so, dass die Schweiz während der ganzen Pandemie Probleme damit hatte, verlässliche Daten zu erheben und zusammenzuführen. So wusste man in den letzten Wochen beispielsweise nicht, wie gross der Anteil an den gesamten Ansteckungen Erstinfektionen waren oder wie viele Geimpfte oder Genesene sie betrafen. Für eine lückenlose Überwachung braucht es jetzt vor allem eine gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen, was das Gelingen eines solchen Unterfangens vielleicht deshalb schon beerdigt. Denn diese Zusammenarbeit hat zwei Jahre lang rein gar nicht funktioniert. Wer anderes behauptet, lügt. Die Fakten sind brutal, die Schweiz hat komplett versagt. Sie kam bisher nur so einigermassen durch die Pandemie, weil sehr viele Menschen solidarisch waren und sich an die Massnahmen hielten und sich impfen liessen. Alle anderen haben stets dazu beigetragen, die Pandemie zu verlängern und vor allem zu verschlimmern, was man auch aktuell wieder hervorragend sehen kann. Dass sich dies genau so verhält, liefern die Fakten, die vorhanden sind, bereits bestens.

 

Die Vorgänge, Entscheide, Fehlentscheide all dieser Entscheidungsträger ist lückenlos aufzuarbeiten, und zwar bereits jetzt während der Pandemie, denn diese endet noch lange nicht.  

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