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Feuerwerk - Unnötig, teuer und Hauptsache laut

DMZ - GESELLSCHAFT / LEBEN ¦ Marco Perroulaz ¦ David Aebischer ¦

KOMMENTAR

 

Mit dem Silvesterknallereimüll und -nebel kommt hoffentlich die Besinnung - kaum.

Abfallberge, Umweltbelastung und hohe Gesundheitsrisiken durch Feuerwerk werden auch in der Schweiz mehrmals jährlich in Kauf genommen. Offiziell zur Nationalfeier und natürlich auch an Silvester. Inoffiziell aber auch zu jeder Feierlichkeit beliebiger ‚Gruppierungen’ im weitesten Sinne, sowie zu jedem mehr oder weniger runden Geburtstag und natürlich zur Hochzeit und überhaupt.

 

Den Schweizers soll dies geschätzte 40 Millionen Franken wert sein. Etwa 22 Franken pro Kilogramm. Den jährlichen Verbrauch in der Schweiz schätzt das BAFU (Bundesamt für Umweltschutz) nämlich auf etwa 1‘800 Tonnen Feuerwerkskörper.

 

Die Wetterprognose für die kommende Silvesternacht ist ungünstig, aber Feinstaubwolken sind vermutlich die beste Werbung für ein Feuerwerksverbot, welches wohlweisslich kaum irgendwo ausgesprochen wird. Wieso das nicht der Fall ist, wissen nur diejenigen, die es immer noch nicht verbieten, trotz aller Gründe, die für ein Verbot sprechen. Vielen stinkt die Silvester-Knallerei seit Langem, und an diesem Jahreswechsel könnten es wieder ein paar mehr werden. Die Wetterprognose spricht dafür: feuchtkalte Luft, kein Regen, wenig Wind. Da sind die Chancen gering, dass sich der Drecknebel schnell verzieht. Die Feinstaubwolken, die besonders die grossen Städte am Neujahrsmorgen einhüllen, sind vielleicht die beste Werbung für ein flächendeckendes Verbot der privaten Feuerwerkerei.

Aber wie bei so vielen anderen dummen Angewohnheiten, so verhält es sich auch mit dem anachronistischen Brauch, alle Jahre wieder Unmengen Sprengstoff in die Luft zu jagen: Den Schweizern wird leid, was ihnen lieb ist. 

 

Feinstaub

Unter der ‚Verpackung’ aus Holz, Karton, Kunststoffen oder Ton, seien in den Feuerwerkskörpern gesamthaft rund 460’000 Kilogramm pyrotechnische Feuerwerkssätze (Salpeter, Schwefel, Kohle und farbgebende Metalle) enthalten, heisst es dort. Daraus entstehen beim Abbrennen rund 320’000 Kilogramm Feinstaub. Dieser wird bei Dieselmotoren zunehmend verflucht. Im Gegensatz zu jenem rieselt der Feinstaub aus Feuerwerk ungefiltert auf uns nieder und versickert letztendlich in Äckern und Gewässern. Daneben verbleiben noch weit über 1‘300‘000 Kilogramm Kunststoffe, Holz und Karton die stets liegen bleiben. Aus den Augen aus dem Sinn und nach mir die Sintflut.

Gründe, die gegen Feuerwerk sprechen, gibt es zur Genüge. Sie reichen von Geldverschwendung, über Abfallberge und Umweltverschmutzung, viel unnötigen Lärm, Schädigung von Leib und Leben, bis hin zu Tierquälerei. Einen schwerwiegenden Punkt vergisst man nur allzu gerne: Kinderarbeit. Etwa 70 000 Kinder sollen es allein in Indien sein, die an der Herstellung von Feuerwerk beteiligt sind, dadurch krank, vielleicht behindert werden oder gar in einem Unfall ums Leben kommen. Wirtschaftlich haben sie gar nichts davon, für weniger Geld als die Erwachsenen gleichermassen bis zu dreizehn Stunden täglich an sechs Tagen jede Woche zu malochen, statt die Schule zu besuchen. Indien gehört nach China zu den wichtigsten Herkunftsländern der Welt für Feuerwerk, sie liefern bis zu 97 Prozent der gehandelten Feuerwerksprodukte.

 

Mit gutem Beispiel ging im August die Migros voran. Mehr und mehr ihrer regionalen Genossenschaften verzichteten »aufgrund der aktuellen Klimaentwicklung und zunehmender Planungsunsicherheit« auf den Verkauf von Feuerwerk. »Die Mittelländische« berichtete darüber. Die Klimafrage wird allerdings bislang - ebenso wie die Umweltfrage generell - allgemein nicht thematisiert. Es geht, wirtschaftlich nachvollziehbar, ganz profan um Nachfrage und die Kosten-/Ertragsfrage.

 

Auf Anfrage sagten die Mitbewerber, dass sie die aktuelle Trockenheitslage sowie die Vorgaben in den Kantonen und Gemeinden beobachten, um bei entsprechenden Warnungen den Verkauf einzuschränken. Und im Weiteren

»Coop verkauft auch weiterhin Feuerwerk. Als Vollsortimenter bieten wir unseren Kundinnen und Kunden die Wahlfreiheit.«

 

So auch für diesen Silvester.

 

[Lidl] »Derzeit ist kein allgemeiner Verzicht auf den Feuerwerksverkauf geplant.«

»Denner verkauft in seinen rund 500 eigenen Filialen schon seit einigen Jahren kein Feuerwerk mehr. Bei den rund 300 inhabergeführten Standorten (Denner Satelliten/Denner Partner) entscheiden die Inhaber selbstständig, ob sie Feuerwerk im Sortiment anbieten wollen. Die überwiegende Mehrheit verzichtet aber ebenfalls seit längerem auf den Verkauf.«

»Manor verkauft nur noch in 5 Filialen Feuerwerksartikel (‪ab 19.7.‬): Chur, Basel, Winterthur, Zürich Letzi, Schwyz.«

 

Aldi startet bescheiden und bietet im aktuellen Wochenprospekt nebst einer Schweizerfahne, Fackeln und Bengalischen Hölzchen für Kinder nur Dekor-Artikel wie Lampions an. Dort heisst es »Auf Grund der bestehenden Kundennachfrage wird ALDI SUISSE auch dieses Jahr wieder Feuerwerkskörper zum Nationalfeiertag ‪am 1. August‬ zum Verkauf anbieten.«

Quellen gibt es also zur Genüge. Auch im Internet. Es ist ja nicht so, dass man die Feierlaune und die Begeisterung für ein schönes Feuerwerk, das nebenbei bemerkt auch tiergerecht ganz ohne Knallerei auskommen könnte, vermiesen möchte. Sondern um die Menge der Schadstoffe und Abfälle. Leider ist es aber so, dass selbst ‚Experten’ der Meinung sind, aus Klimaschutzgründen darauf zu verzichten, mache keinen Sinn. Ein bisschen hier und ein bisschen da, spielt ihrer Meinung nach offenbar überhaupt keine Rolle für die Umwelt. Konsequenterweise auch wenn das Total aller ‚Kleckse’ am Ende gegen hundert Prozent tendiert? Man kann ja im restlichen Jahr noch lange genug lamentieren, dass allgemein zuwenig für den Umweltschutz getan wird und dass das Gemüse voll Schwermetall und die Gewässer voll Plastik sind.

 

Was wäre eigentlich, wenn das ‚Pariser Modell’ Schule machen würde? Dort beruft man sich auf das nationale Feuerwerk am ‚quatorze juillet‘, dem Nationalfeiertag, und begnügt sich zu Silvester mit einer Laser- und Lichtershow am Eifelturm. Seit 2000 wurde wenigstens zum Jahreswechsel kein herkömmliches Feuerwerk mehr gezündet. 


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