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Covid-19 - Grenzwert bei PCR-Tests viel zu hoch

Einer Meinung - wenn auch mit Schreibfehler
Einer Meinung - wenn auch mit Schreibfehler

DMZ – WISSENSCHAFT ¦ D. Hans Aebischer ¦

 

Viele Tests und so oft wie möglich haben zu Beginn der Corona-Pandemie gut geklappt. In einigen Ländern gehen nun aber die Kapazitäten zur Neige, mit zu teuren und langsamen Tests wird Zeit und Geld verschwendet, und viele Menschen müssen grundlos in die Quarantäne. Seit Wochen wird vor der Unzuverlässigkeit von Antikörpertests zur Bestimmung einer möglichen Serokonversion nach überstandener Covid-19-Erkrankung gewarnt. Damit fehlte ein wichtiger Baustein in der Covid-19-Diagnostik. Das ändert sich jedoch gerade. Es ist Zeit, die Strategie anzupassen. Darin sind sich sogar für einmal sogar Virologe Hendrik Streeck und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach einig. Eine Seltenheit.

 

Um in der Corona-Pandemie einen halbwegs normalen Alltag zu ermöglichen, muss viel getestet werden - vor allem auch präventiv. Doch die bisher verwendeten PCR-Tests stellen sich dafür als ziemlich ungeeignet heraus: Sie sind nicht nur viel zu aufwändig und teuer, sie sind für den Masseneinsatz auch viel zu präzise. Wissenschaftler fordern daher einen Strategiewechsel.

 

Sowohl Virologe Hendrik Streeck und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach haben einen Artikel der "New York Times" verbreitet und kommentiert. Daraufhin schrieb Streeck auf Twitter: "Das @Karl_Lauterbach  mal meiner Meinung ist:" (inkl. Schreibfehler), woraufhin Karl Lauterbach antwortete: "Hallo!!!! Das kommt oft vor. Wir melden uns halt meistens nur, wenn es Dissens gibt. Vielleicht sollten wir das ändern..." Im Bericht der New York Times geht es darum, dass in den USA sehr viele Menschen positiv getestet werden, obwohl sie wahrscheinlich gar nicht ansteckend sind. Denn beim Standard-PCR-Test gibt's grundsätzlich nur zwei mögliche Ergebnisse: Ja oder Nein. Anders ausgedrückt: Der Test ist eigentlich nur dazu da, das Virus nachzuweisen. Ein positiver Befund sagt nichts darüber aus, ob ein Patient krank ist, war oder wird. Und man weiss auch nicht, ob er ansteckend ist.

 

Wie zuverlässig ist der Corona-Test?

Kein Test ist fehlerfrei. Positive und negative Testergebnisse können also auch mal falsch liegen. Wie verlässlich ein bestimmtes Testverfahren ist, wird zunächst durch zwei Parameter bestimmt: Sensitivität und Spezifität. 

 

Die Sensitivität eines Tests gibt an, bei wie viel Prozent der Infizierten ein Test die Infektion auch wirklich erkennt. Ein Test mit einer Sensitivität von 99 Prozent identifiziert 99 von 100 Infektionen und eine nicht. Eine Person hat also ein falsch-negatives Ergebnis. Heisst: Je höher die Sensitivität ist, desto sicherer erfasst ein Test die Erkrankung.

Stand bisher der Nachweis einer akuten Infektion auf der Dringlichkeitsleiter ganz oben, gewinnt jetzt der Nachweis der Serokonversion, also der Test auf das Vorhandensein SARS-CoV-2 spezifischer Antikörper, zunehmend  an Bedeutung.

Dem trägt auch das Fachjournal »JAMA« Rechnung, das in einem Viewpoint-Artikel einen Überblick über die Zeitspannen gibt, in denen die Reverse Transkriptase Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR) und der IgM- und IgG-Enzym-Immunosorbent-Assay (ELISA) eingesetzt werden können. Denn um Fehlinterpretationen zu vermeiden, ist es wichtig, dass die beiden grundverschiedenen diagnostischen Tests zum richtigen Zeitpunkt nach einer möglichen Infektion zum Einsatz kommen.

Die Spezifität gibt an, zu wie viel Prozent ein Test eine gesunde Person auch als gesund erkennt. Ein Test mit einer Spezifität von 95 Prozent liefert bei 95 von 100 gesunden Menschen ein negatives Ergebnis. Bei fünf Gesunden schlägt der Test allerdings trotzdem an und erkennt sie fälschlicherweise als infiziert. Er liefert also bei fünf Personen ein falsch-positives Ergebnis.

 

Falsche Informationen

In mehreren Youtube-Videos wird behauptet, dass PCR-Tests zum Nachweis von Corona-Infektionen in 30 bis 50 Prozent der Fälle falsche Ergebnisse lieferten, weil sie zum Beispiel auf andere Viren reagierten. Das Ausmass der Pandemie werde deshalb überschätzt. Der Virologe Christian Drosten hat den Aussagen bereits öffentlich widersprochen.

 

Experten fordern einen Strategiewechsel

Die Virusmenge im Körper eines Patienten sei entscheidend, ob er ansteckend sei oder nicht, sagt Epidemiologe Michael Mina von der Harvard T.H. Chan School of Public Health. Dass diese Tatsache vernachlässigt werde, sei unverantwortlich. Auch deutsche Experten fordern einen Strategiewechsel. Zu ihnen gehört Charité-Virologe Christian Drosten. Es brauche "eine Testung auf Infektiosität statt auf Infektion", schrieb er in der "Zeit". Die gängigen PCR-Tests lieferten die nötigen Informationen zur Viruslast schon. "Würden wir uns zutrauen, aus den inzwischen vorliegenden wissenschaftlichen Daten eine Toleranzschwelle der Viruslast abzuleiten, könnten Amtsärzte diejenigen sofort aus der Abklingzeit entlassen, deren Viruslast bereits unter die Schwelle gesunken ist. Es würden wohl die allermeisten sein", so Drosten.

 

Die "New York Times" schreibt, die meisten PCR-Tests lieferten ein positives Ergebnis bereits bei einem Ct-Wert unter 40. Das entspricht einem Artikel der "Pharmazeutischen Zeitung" nach der auch in Deutschland gängigen Praxis. Aber "jeder Test mit einer Zyklusschwelle über 35 ist zu empfindlich", sagte Juliet Morrison, Virologin an der Universität von Kalifornien, der "New York Times". Ein vernünftiger Grenzwert läge zwischen 30 und 35. Ihr Kollege Michael Mina ist für den Ct-Wert, den das RKI empfiehlt. Ein gesenkter Grenzwert hätte auf die registrierte Zahl der Infektionen dramatische Auswirkungen. So seien in einem New Yorker Labor im Juli 794 Tests positiv ausgefallen, von denen bei einem auf 35 gesenkten Ct-Wert die Hälfte weggefallen wäre, schreibt die "New York Times".

 

Einsatz von Schnelltests 

Mina und andere US-Wissenschaftler plädieren daher für den Einsatz von Schnelltests. Auch in Deutschland fordern dies immer mehr Experten, beispielsweise Karl Lauterbach und Virologe Alexander Kekulé. Zu den Verfahren, die im Ausland schon zugelassen sind oder in Deutschland kurz davor sind, gehören Antigen-Tests, die nicht Erbgut, sondern Proteine des Virus nachweisen. Die Einfachsten funktionieren so unkompliziert wie Schwangerschaftstests.

Die Schnelltests sind ungenauer als PCR-Tests, beim Testen von symptomlosen Menschen ist das aber sogar ein Vorteil. Denn sie schlagen nicht an, wenn die Viruslast zu gering ist, um ansteckend zu sein.

„Der PCR-Abstrichtest eignet sich optimal in der frühen Erkrankungsphase, also vom 1. Tag der Infektion bis zum Zeitpunkt, wo die getestete Person klinische Symptome gezeigt hat. In dieser Zeit weisen Betroffene für den Schnelltest jedoch noch zu wenig Antikörper auf. Wenige Tage nach dem Auftreten klinischer Symptome, wie beispielsweise Husten oder Fieber, nimmt in der Regel die Antikörperkonzentration, also die Akutglobuline (Immunglobulin-M, kurz IgM), im Blut stetig zu und erfährt einen Peak um den 7. Bis 10. Tag, sodass die Sensitivität des Schnelltests steil auf über 92 Prozent ansteigt. Das haben wir in einer multizentrischen prospektiven Studie nachweisen können. Zudem liegt die Rate eines falsch positiven Testergebnisses bei fast 0 Prozent. Das bedeutet: Ist das Virus mit dem PCR-Abstrichtest nicht nachweisbar, ist auch der Schnelltest negativ, die Person ist nicht an COVID-19 erkrankt", sagt Dr. Gunther Burgard.

 

Schnelltests sind also wahrscheinlich genau das richtige Werkzeug, das bei vorbeugenden Tests und Massentests eingesetzt werden sollte, statt PCRs zu verschwenden. Damit würden vielleicht nicht alle Überträger erwischt, sagt Michael Mina. Aber Schnelltests würden sicher die ansteckendsten Personen inklusive den Superspreadern finden. "Das allein würde Epidemien praktisch auf null bringen."

 

Schnelltests für den Hausgebrauch

Verbraucher sollten die Finger davon lassen, denn es gibt keine Schnelltest für den Privatgebrauch. Hier wird mit der Angst der Menschen Kasse gemacht. Medizinprodukte unterliegen streng geregelten Qualitätsansprüchen, weisen beispielsweise immer gesicherte Zertifikate wie eine CE-Kennzeichnung aus und sind nur für den professionellen Einsatz gedacht. Zudem müssen sie professionell entsorgt werden.

 

 

 

Quellen: 


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