Oma mit einem Teil des Starterkits

DMZ – KULTUR ¦ Urs Heinz Aerni ¦

 

In Ihrem Buch «Mutter lässt grüßen» beleuchtet die Autorin Angela Weiss neue Zugänge zur der Rolle der Großmutter und Mutter für unsere charakteristische Prägungen.

 

Urs Heinz Aerni: Es gibt eine Unmenge an Ratgebern und Sachbücher, auch für Mütter, brauchen wir noch ein Buch über Mütter? 

 

Angela Weiss: Mein Buch ist all jenen gewidmet, die von einer Mutter geboren wurden und eben nicht exklusiv für Mütter. Die Perspektive ist diesmal nicht von der Mutter auf ihr Kind gerichtet sondern wir blicken zurück auf die Beziehung mit und zu unseren Müttern. 

 

Aerni: Das könnte zum Beispiel beuteten, dass ich mein Verhältnis zur Mutter überdenke. Was gibt es denn dabei zu entdecken?

Weiss: Unsere Empfängnis, Schwangerschaft, Geburt und frühe Kindheit bekommt durch die Lektüre eine ganz neue und besondere Bedeutung, sozusagen eine persönliche Dimension.

 

Aerni: Das heißt konkret?

Weiss: Wussten Sie zum Beispiel, dass Ihre erste Zelle, die Eizelle bereits im Embryo ihrer Mutter angelegt wurde, als diese sich im Bauch ihrer schwangeren Großmutter befand?

 

Aerni: Mit anderen Worten, etwas von mir ich ruhte vor meiner Geburt schon in meiner Oma?

Weiss: Die Hälfte Ihres genetischen Starterkits. Damit nicht genug: Unser Gedächtnis besteht nicht nur aus Erinnerungen die im Gehirn eingelagert sind sondern wir haben auch ein ganz frühes Zellgedächtnis.

 

Aerni: Quasi eine Reise ins Leben vor dem Leben?

Weiss: Durch Selbst-Fragen wird die Leserin und der Leser  auf eine Reise in die Anfangszeit eingeladen und erfährt damit überraschende Hintergrundinformationen. Denn da haben unsere Prägungen angefangen und die sind oft völlig unabhängig von genetischen Anlagen. 

 

Aerni: Wird die Rolle, die unsere Mütter spielten und spielen nicht überbewertet?

Weiss: Der erste Gott im Leben war nun mal die Mutter. Unsere Existenz begann im mütterlichen Universum. Sie richtete uns in ihrem Leib ein Paradies ein und war die Herrscherin über diese unsere erste Welt. Unsere Liebeserfahrungen lernten mit, bei und in ihr laufen.

 

Aerni: Okay, aber wir haben uns abgenabelt, wir sind erwachsen geworden und haben Abstand gewonnen.

Weiss: Das sicher ja, aber Zeit unseres Lebens pendeln wir seitdem zwischen Nähe und Distanz. Ziel dieser Übung ist Stabilität und Autonomie. Als Kleinkinder kämpften wir um Mutters Nähe, in der Trotzphase ging es um Distanz und in der Pubertät suchten wir die Ablösung. Stellvertretend für die Mutter versuchen wir uns seitdem mehr oder weniger erfolgreich an Liebespartnern.

 

Aerni: Dann sind wir diesen frühen Prägungen unwiederbringlich ausgeliefert?

Weiss: Sobald wir uns dieser Anlagen bewusst werden, erlangen wir darauf Einfluss.

 

Aerni: Also, nach Erkennen kommt das Handeln.

Weiss: Korrekt, dem geht jedoch ein Bewusstseinsprozess voraus. Das Buch leitet diesen Prozess an. Darüber hinaus erhält der Lesende praxisnahe Schützenhilfe Erfahrungen, die nicht so glücklich gelaufen sind mit neuen positiven Gefühlserfahrungen zu überschreiben und zu heilen. 

 

Aerni: Und wenn aber alles Bestens verlief und ich mit meiner Mutter recht gut klar komme?

Weiss: Auch dann ist es ein großer Gewinn, sich auf seine Mutter und damit auch auf einen wichtigen Teil von uns selbst einzulassen...

 

Aerni: Ihr Buch fungiert im Sinne eines Reiseführers, so scheint es.

Weiss: Es soll eine unterhaltsame, berührende, inspirierende Reise durch die Seelenlandschaft sein. Ihre ersten Liebeserfahrungen, vergangene Abendteuer, Kämpfe, Erfolge und Frustrationen, all das hat unsere Mutter maßgeblich geprägt.

 

Aerni: Wir sollen also die erste Frau unseres Lebens nochmals kennenlernen?

Weiss: Richtig. Ihr Charakter beeinflusst unser Verhalten bis zum heutigen Tag. Die biologisch-emotionale Analyse wird das Verhältnis zu ihr verändern. Mit heilsamen Nebenwirkungen und neuen Selbstwahrnehmungen.

 

Aerni: Zu guter Letzt, was hat Sie persönlich bewogen, zu diesem Thema ein Buch zu schreiben?

Weiss: Gezeugt und befruchtet wurde die Idee den Einfluss der Mutter genauer zu betrachten während Gesprächen mit meinen Patienten und - wie könnte es anders sein, durch Selbstbeobachtung. Fragen nach der Mutter und der Beziehung zu ihr machen Türen zu verborgenen inneren Welten auf. Selten bin ich einem Menschen begegnet, dem seine Mutter, in welchem Verhältnis er auch immer zu ihr stand, völlig gleichgültig war. Und wenn, dann macht auch so eine Behauptung hellhörig.

 

Informationen:

Das Buch: «Mutter lässt grüßen – Ein heilsamer revolutionärer Blick auf die erste Frau in unserem Leben» von Angela Weiss, Verlag GU, ISBN 978-3-8338-7422-2

Angela Weiss ist Heilpraktikerin, Gesprächs-und Hypnose-Therapeutin. Seit 2012 lebt sie in der Schweiz und praktiziert in einemganzheitlich orientierten Ärztezentrum in Zürich, in der Schul-und Erfahrungsmedizin verbunden werden. In ihren Therapiegesprächen „liest“ Angela Weiss ihre Patienten und deren Geschichten–was für sie bedeutet, Gefühle, Gedanken und Absichten eines Menschenwahrzunehmen. Symptome sind eine Ausdrucksform, für die sich der Körper entschieden hat, um sich mitzuteilen. "Körper sprechen individuelle eigene Sprachen und diese entsprechen nicht immer den Worten, die ein Mensch wählt. Wo es Verständnis gibt, beginnt Heilung", so Weiss. In Therapiegesprächen fiel Angela Weiss der immer wiederkehrende Bezug zur Mutter auf – unabhängig vom Alter oder Geschlecht ihrer Patienten. Das war ihr Anlass zu forschen und zu beobachten: Welchen Anteil hat die Mutter am Wesen eines Menschen, an seinen Konflikten, Ängsten und Sehnsüchten? 


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