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Swiss-Leitung will sich mit Steuergeldern belohnen, währenddessen die Kultur um ihr Überleben kämpft

DMZ – KULTUR / POLITIK / WIRTSCHAFT ¦ Walter Fürst ¦

KOMMENTAR

 

Bereits am 22. März 2020 schrieben wir zu der möglichen Unterstützung der maroden Fluggesellschaft SWISS, die zudem nicht mal schweizerisch ist. Die Lufthansa-Tochtergesellschaft Swiss hoffte auf Hilfe vom Staat. Eine Stützung durch Steuergelder der Eidgenossenschaft wurde diskutiert. Dies in der Situation - in der alles andere Priorität haben sollte. Trotzdem, noch im August erhielt die Airline eine Rettungsspritze über 1,5 Milliarden Franken. Eine Ungeheuerlichkeit, während KMU Betriebe um ihre Existenz bangen mussten. Heute steht praktisch schon fest, dass diese 1.5 Milliarden kein Pump waren, wie es der Bevölkerung vorgegaukelt wurde, sondern Geld, das weg ist. Noch befremdender ist es, dass die Geschäftsleitung genau jetzt entschieden hat, einen Bonus auszuzahlen. 

 

Am 18. März 2020 hat Swiss-Chef Thomas Klühr gegenüber dem SonntagsBlick dem Bundesrat indirekt klar gemacht, dass ohne finanzielle Hilfe des Schweizer Staates ein Grounding nicht ausgeschlossen werden könnte. Daraufhin hagelte es viel Kritik, vor allem weil die Schweiz schon beim Swissair-Grounding mehrere Milliarden Franken locker gemacht hat. Die Gegner sagen ebenso, dass die Swiss eine Tochterfirma der Lufthansa Group sei und gar keine "Swissness" mehr besitzt.

 

Milliarden für Gewerbe und Kultur

Mit diesen 1.5. Milliarden könnte das Gewerbe unterstützt werden. Am Wichtigsten hierbei ist die Unterstützung der Kulturbetriebe und Kulturschaffenden, die bisher praktisch ohne Unterstützung auskommen mussten, obschon ihnen das Arbeiten durch die aktuelle Lage verunmöglicht wird. Was vielerorts stark kritisiert wird ist, dass bisher vor allem die bereits subventionierten und staatlich unterstützten Kulturbetriebe unterstützt wurden und sehr viele der privaten Betriebe bis heute vergebens auf Unterstützung warten. So sind z.B. sämtliche privaten Musikschulen von einer Unterstützung explizit ausgenommen. Wieso? Das kann niemand sagen. Auch Selbständigerwerbende der Branche warten bis heute auf Unterstützung. Allerdings hat ein Grossteil der Betriebe im kulturellen Bereich in Form von EO oder KAE Unterstützung erfahren. Aber viele fallen immer noch durch die Maschen.

 

Jetzt muss endlich etwas gehen

Es ist klar, dass die komplizierten Vorgänge und das ewige Formulare ausfüllen vor allem Ärger und zusätzlichem Frust auslösen. Die Politik sollte nun dafür Sorge tragen, dass die Kulturbranche (und zwar alle Zweige und Konstellationen) unkompliziert unterstützt werden, wie es im Märt angekündigt wurde. Was mit ausländischen Firmen wie der SWISS innerhalb weniger Tage gemacht werden kann, sollte auch für die Schweizer Kulturbranche umgesetzt werden können. Die Kulturbranche benötigt 1.5. Milliarden für das laufende Jahr, damit die bisherigen Verluste gedeckt sind. Weitere 2 Milliarden werden wohl für 2021 bereitgestellt werden müssen, sollte man auch im 2021 nicht auf Kultur verzichten wollen. Der Bundesrat ist natürlich gefordert, nun den vereinbarten Pump von der SWISS zurückzuverlangen, bevor diese groundet. Ein zugegebenermassen schwieriger Akt. Die dadurch frei werdenden Gelder können sinnvoller und viel breiter eingesetzt werden. Unabhängig dieses Geldes, ist das Budget der Kantone und vom Bund aktuell noch gross genug, um die Kulturbranche mit 1.5 Milliarden zu unterstützen. 

 

Politik

Der Bundesrat hat am 12. August die Botschaft zum Entwurf des Covid-19-Gesetzes zuhanden des Parlaments verabschiedet. Das Gesetz überführt die noch nötigen Massnahmen, die der Bundesrat seit dem 13. März 2020 zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie erlassen hat, in ordentliches Recht, darunter auch Unterstützungsmassnahmen für den Kultursektor. Das Covid-19-Gesetz wurde am 25. September in einer Schlussabstimmung von beiden Kammern gutgeheissen. Der Bundesrat hat die in Artikel 11 Covid-19-Gesetz vorgesehenen Unterstützungsmassnahmen für den Kultursektor in einer Verordnung konkretisiert.

 

Ausfallentschädigungen - Kantone in der Pflicht

Kulturunternehmen mit Sitz in der Schweiz, die aus der Absage, Verschiebung oder eingeschränkten Durchführung von Veranstaltungen und Projekten oder aufgrund betrieblicher Einschränkungen infolge der Umsetzung staatlicher Massnahmen einen finanziellen Schaden erlitten haben, können bei den Kanton eine Ausfallentschädigung beantragen. Hier muss es schneller gehen. Viele Betriebe warten immer noch auf "ihr" Geld. Es kann nicht sein, dass gewartet wird, bis es eine Vielzahl von Betrieben nicht mehr aus eigener Kraft schaffen, nur um so weniger Geld verteilen zu müssen. Hier müssen die Kantone nun umgehend handeln und auch endlich Farbe für ihre Kultur bekennen. Zu lange dauern die Prozesse, zu viele Hürden bestehen für die Kulturschaffenden. Vereinfachung und Klarheit sind gefragt! Zusätzlich müssen zur Hilfe für Selbständige und zur Kurzarbeitsentschädigung auch die Mieterlasse und die bereits beschlossene Härtefall-Hilfe für Unternehmen rasch kommen.

 

Man muss die Möglichkeit offenhalten, grossflächig A-fonds-perdu-Beiträge für die Kultur zu sprechen. Nicht (nur) Tourismus-, Sport- und Gastrobranche leiden. Und nur weil diese drei Branchen grosse Lobbys haben, die Kultur (praktisch ohne Lobby) zu vernachlässigen ist nicht nachvollziehbar. Schwach genug, dass sich diese drei Branchen nicht automatisch MITengagieren für die Kulturbranche, ohne die sie nicht auskommen würden. Ohne Kultur wird es dunkel, still und langweilig.... auch im Sport, Gastro und Tourismusbereich!

 

Kulturförderung muss ebenfalls weiterbestehen können

Die Kantone – und bis zu einem gewissen Ausmass lokale Behörden – tragen die Verantwortung für die kulturellen Belange von Kantonen und Regionen, während der Bund für kulturelle Angelegenheiten von nationaler Bedeutung zuständig ist. Die Kulturförderung ist damit zu einem festen Bestandteil der Politik des Bundes geworden.

Von den etwa 2,8 Mrd. Franken an öffentlichen Geldern, die jährlich zur Kulturförderung eingesetzt werden, kommen etwa 300 Mio. vom Bund, der Rest von den Gemeinden und den Kantonen.

Alle Massnahmen der Kulturförderung werden letztlich vom zweifachen Ziel bestimmt, den politischen Willen zu erhalten, der dieses Land vereinigt und die Erforschung der kulturellen Identitäten und der kulturellen Vielfalt der Regionen zu fördern. Auch hier muss gewährleistet sein, dass diese Gelder weiterhin eingesetzt werden, um dem Kulturplatz Schweiz nicht einen noch grösseren Schaden zuzufügen.

 

Stiftungen

Fast ein Viertel aller Schweizer Stiftungen unterstützt kulturelle Projekte und Initiativen und trägt somit massgeblich zur künstlerischen Vielfalt in unserem Land bei. Das Engagement von Kulturstiftungen wird auf jährlich eine halbe Milliarde Franken geschätzt. Einige Stiftungen haben bereits angekündigt, dass es aufgrund der aktuellen Situation künftig kaum mehr möglich sein wird überhaupt noch tätig zu werden. 


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