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Neue Studie - "Schulen sind keine Insel der Seligen. Wenn man sie nicht schliesst, geht man ein erhebliches Risiko ein.“

Infektionsrate sechsmal höher Antikörperstudie deckt Dunkelziffer bei Kindern auf
Infektionsrate sechsmal höher Antikörperstudie deckt Dunkelziffer bei Kindern auf

DMZ – GESUNDHEIT / WISSEN ¦ AA ¦

 

Das Thema "Kinder und Corona" ist von Beginn der Pandemie an ein heiss diskutiertes. Inzwischen gibt es einige Studien, die sich mit der Frage beschäftigen, ob Kinder sich genauso häufig mit dem Coronavirus infizieren, aber nicht so schwer erkranken wie Erwachsene. Oder ob es daher kommt, dass sie einfach weniger getestet werden. Der Berliner Virologe Christian Drosten sieht in seiner Studie zur Infektiosität von Kindern keinerlei Hinweise darauf, dass Kinder in Bezug auf Sars-CoV-2 nicht genauso infektiös seien wie Erwachsene. Zu einer Öffnung von Kitas und Schulen heisst es in seiner Studie: "Die uneingeschränkte Öffnung dieser Einrichtungen sollte sorgfältig mit Hilfe von vorbeugenden diagnostischen Tests überwacht werden."

 

Neue Studie: Kinder unter 10 genauso oft infiziert wie Erwachsene

Eine neue und weitere Studie hat untersucht, welche Rolle Schulen beim COVID-19-Infektionsgeschehen spielen. Prof. Dr. Dr. h. c. Michael Wagner kommt in seiner bislang noch unveröffentlichten Studie zum Schluss, dass Schulen genauso Ansteckungsherde sind, wie alle anderen Bereiche des öffentlichen Lebens. Demnach sei das Virus bei Kindern unter 10 Jahren ähnlich häufig nachweisbar wie bei älteren Kindern oder bei erwachsenen Lehrern. Studienleiter Prof. Dr. Dr. h. c. Michael Wagner fordert eine "ehrliche Diskussion" über Schulöffnungen, wie u.a. puls24.at berichtet.

 

Auch sei klar, dass auch jüngere Kinder ansteckend sind, wie Studienleiter Michael Wagner, stellvertretender Leiter des Zentrums für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft an der Universität Wien, erklärt. Die Dunkelziffer bei den Unter-10-Jährigen sei gross, "weil Kinder unter 10 Jahren weniger getestet werden", sagt Wagner. Kinder im Volksschulalter zeigen häufig keine Symptome und würden nicht getestet, weil von dem Irrtum ausgegangen wird, dass sie nicht infektiös seien.

 

Schulschliessung und Masken

"Schulschliessungen sind ein hochkompliziertes Thema, bei dem tausende Aspekte hineinspielen, nicht zuletzt auch das Recht auf Bildung und wirtschaftliche Auswirkungen", sagt er. "Ich würde mir aber vor allem eine ehrliche Diskussion in der Politik und Öffentlichkeit wünschen."

 

Man könne ja auch offen etwa die wirtschaftlichen Aspekte von Schulöffnungen diskutieren und Massnahmen abwägen, aber dies solle nicht aufgrund von nachweislich falschen Annahmen wie "Die Schulen sind sicher" oder "Kinder unter 10 Jahren spielen keine Rolle" geschehen, fordert der Mikrobiologe.

Hinsichtlich Schutzmassnahmen spricht sich Wagner deutlich für eine Maskenpflicht in der Schule aus - auch bei den Jüngsten. 

 

"Schulen sind keine Insel der Seligen. Wenn man sie nicht schliesst, geht man ein erhebliches Risiko ein.“ (Kreisbote) 

 

Bereits Anfang November kritisierten mehrere österreichische Wissenschaftler in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass Aussagen wie "Die Schulen sind besonders sichere Orte" nicht aufrecht zu erhalten seien. Immer mehr Studien weltweit deuten inzwischen darauf hin, dass auch Volksschulkinder das Coronavirus ebenso häufig in sich tragen wie Erwachsene und dieses durchaus auch oft an ihr Umfeld weitergeben.

Auch Forscher aus München haben bereits Anfang November etwas Wichtiges herausgefunden. Sie haben Blutproben von 12.000 Kindern und Jugendlichen aus Bayern auf Sars-Cov-2-Antikörper untersucht – und Erstaunliches gefunden.

 

Was man bisher wusste

Auch Kinder können sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 anstecken und es verbreiten. Bisherigen Daten zufolge ist jedoch der Krankheitsverlauf von COVID-19 selbst bei Babys und Kleinkindern häufig geringer ausgeprägt und verläuft milder als bei Erwachsenen.

Kranke Kinder sollen zu Hause bleiben und bei Bedarf ärztlich behandelt werden.

 

Um zu wissen, wer mit dem Coronavirus infiziert ist, sind Antikörpertests eher weniger relevant. Sie eignen sich aber umso mehr in der Forschung, um bereits genesene Personen auf eine vergangene Infektion zu testen – oder deren Blutproben. Die Schulen blieben weiterhin offen, ebenso die Kindertagesstätten. Bislang wurden Kinder nicht als Pandemietreiber gesehen. Ein neues Analyseverfahren im Antikörpertest deckt nun eine deutlich höhere Infektionsrate auf.

 

Sechsfache höhere Ansteckungsrate bei Kindern

Die neue Methode ergab im Vergleich zu den vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Ernährung (LGL) gemeldeten Fällen nun eine um das sechsfache höhere Ansteckungsrate bei Kindern. Knapp die Hälfte (47 Prozent) der Kinder mit Antikörpern zeigten keine Symptome. Rund ein Drittel (35 Prozent) der Kinder, die mit einem auf das Virus positiv getestetem Familienmitglied zusammenlebten, wiesen Antikörper auf. Dies deutet laut den Wissenschaftlern auf eine höhere Übertragungsrate hin als in bisherigen Studien beschrieben - und damit auch auf eine höhere Dunkelziffer bei Kindern. Da viele Personen - bei Kindern knapp die Hälfte - keine Covid-19-typischen Symptome entwickeln, werden sie nicht getestet. Um verlässliche Daten über die Ausbreitung des Virus zu bekommen, reicht es also nicht aus, nur auf das Virus selbst zu testen.

Es ist also wahrscheinlich, dass Kinder wie bei anderen Infektionskrankheiten wie der Grippe als Treiber "funktionieren". Einige Untersuchungen sprechen dafür, andere dagegen. Die neuste Studie aus Bayern spricht klar dafür.

 

 

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Ergebnisse des SARS-CoV-2-Antikörper-Screenings

Zwischen Januar 2020 und Juli 2020 untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler knapp 12.000 Blutproben von Kindern in Bayern im Alter zwischen 1 und 18 Jahren (Teilnehmende der Fr1da-Studie) auf SARS-CoV-2-Antikörper. Zwischen April und Juli wiesen im Schnitt 0,87 Prozent der Kinder Antikörper auf (zweifach-positiv). Im Vergleich zu den vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Ernährung (LGL) gemeldeten Fällen von Kindern in Bayern (zwischen 0 und 18 Jahren), die zwischen April und Juli positiv auf das Virus getestet wurden, war die Antikörperhäufigkeit damit sechsmal höher.   

Die Ergebnisse machten keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern sichtbar. Knapp die Hälfte (47 Prozent) der Kinder mit Antikörpern waren asymptomatisch. Rund ein Drittel (35 Prozent) der Kinder, die mit einem auf das Virus positiv getestetem Familienmitglied zusammenlebten, wiesen Antikörper auf. Dies deutet auf eine höhere Übertragungsrate hin als in bisherigen Studien beschrieben. Zudem zeigten die Ergebnisse innerhalb Bayerns deutliche geographische Unterschiede („Hot-Spots“). Am meisten positive Antikörpertests gab es im Süden Bayerns.

Darüber hinaus wurden die Kinder auch auf Typ-1-Diabetes-Autoantikörper getestet. Diese dienen als Früherkennungsmerkmal für präsymptomatischen Typ-1-Diabetes. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten keine Zunahme dieser Antikörper feststellen. Dies lässt darauf schliessen, dass COVID-19 und Typ-1-Diabetes bei Kindern nicht miteinander assoziiert sind.

 

Bedeutung für COVID-19-Massnahmen

„Unsere Studie liefert wichtige Ergebnisse, die die Diskrepanz zwischen gemeldeten Virusinfektionen und Antikörperaufkommen offenlegen“, sagt Markus Hippich, Erstautor der Studie und Postdoc am Helmholtz Zentrum München. „Da viele Personen, bei Kindern knapp die Hälfte, keine COVID-19-typischen Symptome entwickeln, werden sie nicht getestet. Um verlässliche Daten über die Ausbreitung des Virus zu bekommen, reicht es also nicht aus, nur auf das Virus selbst zu testen.“

Studienleiterin Prof. Anette-G. Ziegler ergänzt: „Nationale Programme, die mit hoher Spezifität und Sensitivität auf Antikörper testen, könnten den Ländern zuverlässige Daten liefern, um sich auf die Zukunft vorzubereiten. Sie könnten ihnen dabei helfen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen und die Auswirkungen regionaler und landesweiter COVID-19-Massnahmen zu überprüfen.“

 

Dashboard

Die Studienergebnisse sind gemeinsam mit einer Übersicht zur geografischen Verteilung der Antikörperhäufigkeit in einem Online-Dashboard verfügbar: covid-dashboard.fr1da-studie.de/app_direct/covid-dashboard/. Die Zahlen werden monatlich aktualisiert.

 

Einschränkungen der Studie

Antikörper gegen SARS-CoV-2 sind erst nach einer bis vier Wochen nachweisbar. Deshalb können diese Messwerte nicht dafür genutzt werden, um Aussagen über das aktuelle Infektionsgeschehen zu treffen. Bisher gibt es keine Belege dafür, dass SARS-CoV-2-Antikörper zu einer Immunität gegen das Virus führen. Falls dies belegt werden sollte, könnten die Ergebnisse wichtige Informationen zur Immunitätslage der Kinder in Bayern liefern.

 

Über die Studie

Diese Studie wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) unterstützt. Förderer der Fr1da-Studie sind die LifeScience-Stiftung, JDRF und The Helmsley Charitable Trust.

Mehr zu Fr1da: www.helmholtz-muenchen.de/en/aktuelles/latest-news/press-information-news/article/47571/index.html

 

 

Quellen: 


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