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Pandemie noch lange nicht vorbei

MZ – INTERNATIONAL ¦ Anton Aeberhard ¦

KOMMENTAR 

 

Der WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus, hat am Montag zum Abschluss der online abgehaltenen WHO-Jahresversammlung betont, dass die Pandemie durchaus noch lange nicht vorbei sei. "Es ist eine Realität, dass wir noch sehr viel Arbeit vor uns haben, um diese Pandemie zu beenden", sagte Tedros in Genf. "Es ermutigt uns, dass die Zahl der gemeldeten Infektionen und Todesfälle weltweit weiter sinkt, aber es wäre ein monumentaler Fehler, falls irgendein Land nun denkt, die Gefahr sei vorüber."

 

Seit einem Monat sinken die Zahlen zu Neuinfektionen mit dem Coronavirus in verschiedenen Ländern und die 7-Tage-Inzidenz rapide. Woran das liegt ist nicht abschliessend geklärt. Man tappt teilweise gar im Dunkeln. Es kommen mehrere Ursachen zusammen, die die Infektionsraten sinken lassen könnten. Gewissheit hat man wohl erst in einigen Monaten. Auch warum die dritte Welle haltmachte, lässt Experten rätseln. Weder die eine, noch die andere Entwicklung wurde vorausgeahnt. 

 

Als die dritte Corona-Welle Mitte Februar noch anhob, schienen die Umstände unklar, und es war kaum abzuschätzen, mit welcher Wucht sie über den Globus schwappen würde. Erst Wenige der Weltbevölkerung waren geimpft, das weitere Tempo der Impfkampagne war bestenfalls Gegenstand von Spekulationen. Sars-CoV-2-Varianten wie B.1.1.7 oder B.1.351, denen in klinischen Tests eine erhöhte Infektiosität beschieden wurde, drohten sich immer stärker auszubreiten.

 

Warum es also zu diesem Halt und einer darauffolgenden Umkehrung der Kurve kam, lässt sich für die Fachwelt ebenfalls nicht abschliessend beantworten. Dass die Massnahmen besser wirkten, als ursprünglich vermutet spielt vielleicht eine Rolle. Aber dies allein kann es nicht sein. Denn wieso die bestehenden Regelungen über Wochen wenig Effekt zeigten, dann gegen Ende März einen umso stärkeren, bleibt ebenso rätselhaft.

 

Saisonalität

Auch in der Saisonalität wird eine Erklärung gesucht. Schon im Vorjahr sorgte der Frühling für einen Rückgang der Pandemie, und in den Sommermonaten gab es trotz Massnahmenlockerungen kaum nennenswerte Ausbrüche mehr. Die warmen Tage im abgelaufenen März könnten ein Vorbote gewesen sein. Mitte April bremste sich die Abwärtsbewegung allerdings wieder ein, kam sogar wieder zum Halt.

 

Wie das hinsichtlich der weiteren Entwicklung einzuschätzen ist, zeigt die Limitation der Prognosen auf. Mit simpler Trendfortschreibung kann man dem kaum mehr beikommen. Dennoch, viele Experten nehmen an, dass der Höhepunkt der dritten Welle trotz Mutationen und einer noch grossen Impfaufgabe bereits hinter uns liegt. 

 

Zusammenspiel mehrerer Faktoren

Wie immer dürften bei den erfreulichen Entwicklungen gleich mehrere Faktoren zusammengekommen sein, die in ihrer jeweiligen Einzelwirkung freilich nicht ganz einfach zu gewichten sind, wie auch Fachleute eingestehen. Einerseits wird betont, dass auch die jeweils warnende mediale Berichterstattung einen positiven Effekt gezeigt hat. Medienberichte führen auch zu Veränderung des Verhaltens.

 

Daneben spielten wohl noch weitere Faktoren im Laufe der letzten Wochen eine wichtige Rolle:

  • Starkes Testen, das mit dazu beitrug, dass der Anstieg der Fälle von Mitte Februar bis Ende März eher linear als exponentiell ausfiel.
  • Zahl der durch Impfungen immunisierten Personen nimmt langsam, aber beständig zu.
  • Saisonalität: Zwar herrscht in der Wissenschaftswelt Konsens darüber, dass bei der Verbreitung von Sars-CoV-2 wie auch bei anderen Atemwegserkrankungen jahreszeitliche Unterschiede eine wichtige Rolle spielen (siehe die am Ende des Texts angeführten Studien). Doch die Saisonalität erklärt nicht alles, denn in so gut wie allen Ländern der Erde wurde eine Verbreitung von Sars-CoV-2 unabhängig von der Jahreszeit oder der Temperatur beobachtet.

Fakten

  • Coronaviren überleben in kalter Umgebung länger
  • UV-Strahlung schadet den Coronaviren
  • Mit mehr Sonne steigt auch der Vitamin-D-Spiegel, der auch Einflüsse auf Coronavireninfektionen haben dürfte.
  • Wichtig sind aber vor allem zwei indirekte Faktoren: Ist’s draussen kalt, halten wir uns fast nur drinnen auf, wo auch fast alle Virusübertragungen geschehen. Zudem führt die trockene kalte Luft im Herbst und Winter zu Erkältungen und gereizten Schleimhäuten. Und diese sind die idealen Eingangspforten für Sars-CoV-2.

Das alles trägt dazu bei, dass die Infektionszahlen gerade stark zurückgehen. Die Saisonalität zeigt sich umgekehrt auf der Südhalbkugel. In etlichen Ländern im südlichen Afrika wird ein zum Teil dramatischer Anstieg der Infektionszahlen vermeldet. Und jene sieben Länder mit den aktuell meisten Covid-19-Toten in Relation zur Bevölkerungsgrösse liegen allesamt in Südamerika, angeführt von Uruguay.

 

Der bisherige Einfluss der Corona-Impfung ist noch überschaubar

Geimpfte werden nur noch sehr selten krank und geben das Virus nach bisheriger Studienlage kaum weiter. Das ist aber noch weit entfernt von der Herdenimmunität und beeinflusst das Infektionsgeschehen daher bislang nur zu einem begrenzten Anteil. Nur etwa zwanzig Prozent der möglichen Ansteckungen werden vom derzeitigen Impfstatus verhindert, schätzen Fachleute. Je jünger der Durchschnitt der Geimpften wird, umso deutlicher wird sich aber der Effekt der Corona-Impfungen auf das Infektionsgeschehen abzeichnen.

Doch auf die Reproduktionszahl könnten die bisherigen Impfungen schon den entscheidenden Einfluss genommen haben.

 

Verhalten: Immer noch das Wichtigste in der Bekämpfung der Pandemie

Am meisten wird das Infektionsgeschehen offenbar davon beeinflusst, wie wir uns alle verhalten. Ob sich die Menschen an die Corona-Regeln halten, Abstand halten, Masken tragen, sich möglichst nur im Freien treffen - und sich freiwillig testen lassen. Noch ein interessanter Nebenaspekt könnte dazukommen: In einer britischen Studie beschreiben die Autoren den Effekt, dass Menschen sich in den Tagen und Wochen vor dem Impftermin seltener infizieren. Möglicherweise reduzieren sie ihre Kontakte noch einmal stärker, um quasi auf den letzten Metern ja nichts mehr zu riskieren.

 

Vorsicht ist nach wie vor geboten

Je mehr die Corona-Regeln gelockert werden, umso stärker wird der Effekt des weiteren Impferfolges ausgebremst. Ist man dagegen weiterhin vorsichtig, könnten die Infektionszahlen noch schneller sinken. Und vor allem aus Sicht der Intensivmediziner ist viel daran gelegen, die Zahl der Neuinfektionen weiter zu senken.

 

 

 

 

Wichtige Studien zur CoV-Saisonalität:

 

 


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