RRRrrrr Renners Rasende Randnotiz - Schweizer Errungenschaften

Alon Renner (Potrait von Olivia Aloisi)
Alon Renner (Potrait von Olivia Aloisi)

DMZ – KOLUMNE ¦ Alon Renner ¦

 

Wir sind wieder wer! Fussball sei Dank! Und auch wenn ich mir kein einziges Spiel angeschaut habe, so lasse ich mich doch von der Euphorie anstecken. Herzlich willkommen zu meiner neuen Kolumne, in der es um Schweizer Errungenschaften geht. Was dies alles mit Fussball zu tun hat? Nun, Ihr werdet sehen.

 

Wie – Du hast Dir kein einziges Spiel der Nati angeschaut? Nein und nicht nur das. Ich habe mir gar kein Spiel der EM angeschaut. Denn Fussball geht mir am Allerwertesten vorbei. Und zwar so richtig. Und dies sage ich völlig emotionslos. Ohne Leidenschaft und ohne Passion. Ich verbinde mit Fussball nichts Negatives. Bis auf Hooligans, Fanaufmärsche, die geplante WM in Katar, die Zuschauerzahlen im Wembley-Stadion von diesem Sonntag und den Umstand, dass die EM die SARS- CoV-2 Mutationsvariante Delta gerade so richtig in Umlauf bringt.

 

Ich könnte nicht mal eine ganze Kolumne darüber füllen, wie kalt mich Fussball lässt. Denn hierfür müsste ich ja zumindest ein Minimum an Kenntnis haben. Und er müsste mich aufregen, mir einen Vorwand bieten, mich hierfür in Rage zu schreiben. Euch darzulegen, was ich denn alles grauenhaft an ihm finde... Aber hey, an und für sich ist Fussball gar nicht grauenhaft. Ich empfinde ihn einfach nicht als attraktiv. Viel lieber als elf verschwitzten Vorstadthelden, die einem Ball hinterherrennen, schaue ich mir Filme, Kunst, Politiksendungen, Stand Up Comedy, etc. an. Oder lese ein Buch.

 

Das unglaubliche Phänomen ist ja, dass ausserhalb dieser Sportart auf Fussballer in der Regel nicht wirklich oft hinaufgeschaut wird. Es sind keine Krankenpfleger*innen, Feuerwehrmänner, Lehrer*innen, Wissenschaftler*innen, Künstler*innen, Politiker*innen etc. Als Mannschaft aber stehen sie für eine Stadt oder ein Land und gewinnen sie ein Turnier, dann nimmt dies zuweilen eine ganze Nation ein. Ihr Triumph wird dann zu unserem Triumph. Wir haben gewonnen! Wir sind die Besten! Wir sind die Schönsten! Und nicht die Elf auf dem Rasen. Das sind irgendwelche Zugewanderte mit unaussprechlichen Namen. Denen man auch gerne die übelsten Fluchworte hinterherruft. Oder auf Social Media schreibt, sollten sie einmal nicht gewinnen. Und dann auch noch die Nerven hat, ihre Familien zu beleidigen...

 

Aber ich wollte über Schweizer Errungenschaften sprechen. Wie die Erfindungen.

1891 konzipierte unsere Armee, die beste der Welt, das Schweizer Taschenmesser, das dann später serienmässig durch Victorinox hergestellt wurde.

 

Ein Amerikaner hatte wohl die erste Idee, aber Martin Winterhalter entwickelte 1925 den Reissverschluss, den wir heute kennen. Und auch der Klettverschluss (Velcro) ist eine Schweizer Erfindung. Georges Mestral bemerkte bei der Jagd im Jura, dass Früchte einer Pflanze an seinen Kleidern und am Fell seines Hundes hängen blieben und nur schwer zu entfernen waren. Bei genauerem Hinsehen entdeckte er winzige Häkchen an den Kletten, die sich mit den Fasern der Kleider und den Hundehaaren verbanden. Mit Freunden aus der Textilbranche gelang es ihm 1947. das Verhalten dieser Früchte zu kopieren.

 

Der Sparschäler «Rex», auch als Kartoffelschäler oder Y-Sparschäler bekannt, wurde ebenfalls 1947 von einem Schweizer patentiert. Alfred Neweczerzal erfand ihn, so die Legende, weil ihm das Kartoffelschälen im Militär zu mühsam war. Mit seiner Erfindung revolutionierte er die Küchenarbeit weltweit.

Nach dem Börsencrash von 1929 blieb Brasilien auf Unmengen unverkaufter Kaffeebohnen sitzen. Das staatliche Kaffeeinstitut wandte sich mit dem Auftrag an Nestlé, die lokale Branche durch ein Verfahren zu retten, das den Kaffee in Form eines löslichen Pulvers konservieren würde. Als es nach fünf Jahren noch immer nicht gelungen war, das unverwechselbare Aroma eines frischen Kaffees im Pulver zu konservieren, brach Nestlé das Projekt ab. Ein Chemiker aus dem Team liess sich aber nicht beirren und machte privat weiter. Zuhause in seiner Küche experimentierte er solange auf eigene Kosten fort, bis ihm 1936 der Durchbruch gelang. Nescafé war geboren.

 

In einem Land, in dem die Züge auf die Sekunde genau ankommen und wo fünf Minuten Verspätung als unpünktlich gelten, wird die Terminplanung als Kunst zelebriert. So erstaunt es nicht, dass die Online-Terminplanung 2007 von zwei Schweizern erfunden wurde. Doodle wird heutzutage täglich von über 20 Millionen Menschen genutzt.

 

Die Liste der Schweizer Errungenschaften ist beachtlich und in der Tat lang. Dazu gehören nebst dem Cellophan, der Alufolie, der Knoblauchpresse, dem Stabmixer, und dem Birchermüesli auch solche Dinge wie der Schmelzkäse, das LSD, der Absinth, die E-Gitarre, die fehlende Zivilcourage, also das Wegsehen, wenn jemand im öffentlichen Raum Unrecht tut, jemandem Unrecht angetan wird, oder wenn sich jemand in Not befindet und der Rechtspopulismus, wie ihn die SVP betreibt. Da haben wir uns ebenfalls ganz schön ins Zeug gelegt. Gefühle zeigen ist übrigens auch nicht so unser Ding. Mitgefühl insbesondere...

 

Und was hat das jetzt alles mit Fussball zu tun? Viel. Denn eine unserer herausragendsten Eigenschaften ist das Teamwork. In einem so kleinen, dezentralen Land mit 26 verschiedenen föderalen Strukturen funktionieren die Dinge dann am besten, wenn alle mit anpacken. Wenn man die Dinge zusammen tut.

Mitunter zähneknirschend. Aber dies wird viel öfter getan als man denkt. Und nicht nur bei unseren bunten Sportmannschaften. In den Dörfern, den Städten, den Parlamenten, den Firmen, zwischen Handelspartnern usw. ist die Zusammenarbeit etwas, das uns tagtäglich vorgelebt wird. Und gerade in der Pandemie, ja, wir befinden uns noch mittendrin, geht es nicht, ohne dass wir zueinander schauen und miteinander die Krise bewältigen. Es geht um Solidarität, um Verantwortung, Rücksicht- und Anteilnahme. Es geht darum, dem Virus gemeinsam die Stirn zu bieten. Gerade im Sommer, wenn sich aufgrund der saisonalen Entspannung der falsche Eindruck einschleicht, es sei alles vorüber oder zumindest nicht so schlimm.

 

Die Fallzahlen steigen wieder, die Delta Variante ist auf dem Vormarsch und hinter ihr lauert schon die nächste, noch schlimmere Variante, wenn wir den Teufelskreis nicht durchbrechen. Und trotz allem schleicht sich Impfmüdigkeit ein. Dabei wäre es jetzt gerade wichtig, sich richtig aufzustellen und für das Team zu spielen.

 

Im Kleinen und im Grossen haben wir in den letzten 16 Monaten gezeigt, dass wir dies können. Dass wir dies auf die Beine bekommen. Lasst uns unbedingt so weiter machen! 

 

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