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Long-Covid bei Kindern

DMZ – GESUNDHEIT / WISSENSCHAFT ¦ Anton Aeberhard ¦

 

Long Covid ist ein Begriff, der Berichten zufolge im Mai 2020 erstmals von Elisa Perego als Hashtag auf Twitter verwendet wurde und keine medizinische Bezeichnung ist.

Long Covid entkräftet das Argument, dass das Coronavirus für junge Leute oder Menschen ohne Vorerkrankung grundsätzlich nicht gefährlich sei. Derzeit sprechen Experten von bis zu zehn Prozent der Fälle, die Kinder und Jugendliche ausmachen. Schlussfolgerung: Nur wer eine Infektion vermeidet, riskiert auch keine Langzeitfolgen. Am besten gelingt dies mit der Impfung.

 

Rolle der Kinder und Jugendlichen

Lange war man davon überzeugt, dass junge Menschen eine untergeordnete Rolle in der Corona-Pandemie spielen. Doch nach oft nur milder oder moderater Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (COVID-19) kann ein komplexes Beschwerdebild bestehen bleiben - obwohl alle Standarduntersuchungen unauffällig sind. Dieses Long Covid-Phänomen zeigt sich immer häufiger. Mittlerweile ist Delta mit 75 Prozent aller Neuinfektionen die dominante Corona-Variante in Grossbritannien. Besonders in Schulen breitet sich das Virus erneut schnell aus. Innerhalb von vier Wochen wurden fast 100 Ausbrüche in Primar- und Sekundarschulen festgestellt. Wie das Fachjournal «The British Medical Journal» in einem Bericht von Anfang Juni schreibt,  gibt es in England zudem «wachsende Sorgen», dass sich die Variante vor allem unter Schülern ausbreitet, da es mehrere schwere Ausbrüche an Schulen gab.

Die Tatsache, dass sich Schulen erneut als Treiber zeigen, hat die weiteren Entscheidungen und Schritte der Politik leider nicht beeinflusst.

 

Die Rolle von Kindern und Jugendlichen bei der COVID-19-Pandemie spielte immer schon eine zentrale Rolle. Dafür gab es nicht bloss Anzeichen, sondern unumstössliche Beweise aus diversen Studien. Dass dieses Thema nach wie vor vehement seit Monaten stillgeschwiegen wird, war unserer Zeitung stets ein Dorn im Auge. Deshalb berichten wir seit Anfang der Pandemie regelmässig über die Rolle der Kinder, Jugendlichen und Schulen im Zusammenhang mit Covid-19. Nun endlich berichtet, wenn auch verspätet, die Swiss National COVID-19 Science Task Force, die Behörden in der aktuellen COVID-19-Krise berät, detaillierter darüber und veröffentlicht Daten aus einer neueren Studie. Lange spielte vor allem auch die Schweiz eine unrühmliche Rolle bei der Frage, welche Rolle Kinder und Jugendliche in dieser Pandemie spielen. So wurde sogar monatelang gelogen. Daniel Koch, der umstrittene ehem. Covid-19-Delegierte des Schweizer Bundesamtes für Gesundheit, hatte nebst der Aussage, das Masken nichts bringen, ebenfalls immer wieder unterstrichen, wie wenig Kinder Überträger des Coronavirus seien. Koch sagte bei einer der Pressekonferenzen in Bern sogar: "Kinder erkranken nicht und infizieren sich auch nicht. Sie sind wirklich keine Überträger des Virus." Gesundheitsminister Alain Berset stimmt der Aussage zu, Kinder seien "keine Treiber des Coronavirus".

 

Long Covid gibt Rätsel auf

Täglich infizieren sich Menschen mit dem neuen Coronavirus. Die allermeisten bekommen davon entweder gar nichts mit oder haben nur milde Verläufe. Ein nicht unbedeutender Anteil der Infizierten hat einen schwierigen Verlauf, muss ins Krankenhaus und im schlimmsten Fall sogar künstlich beatmet werden. Rund drei Viertel überleben diese mehrwöchige Tortur.

Doch in immer mehr Studien zeigt sich: Auch solche, die Corona auf der Couch auskuriert haben leiden noch über Wochen oder mehr als ein Jahr an Folgen der Infektion. Long Covid gibt die Ärzten und Forschern noch immer viele Rätsel auf. Denn es betrifft Atemwege, das Herz-Kreislauf-System, den Muskelapparat, das Nervensystem und auch den Stoffwechsel. 

Auch eine Kohortenstudie aus Moskau im European Respiratory Journal zeigt, dass Kinder und Jugendliche von Long Covid betroffen sein können. Die Forscher stellten fest, dass ein Viertel der Kinder und Jugendlichen zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung anhaltende Symptome aufwiesen. Insgesamt 126 Kinder (24,3 Prozent) im mittleren Alter von 10,4 Jahren litten auch 8 Monate nach der Erkran­kung noch unter Beschwerden. Am häufigsten waren Müdigkeit (10,7 Prozent), Schlafstörungen (6,9 Prozent) und sensorische Probleme (5,6 Prozent). Insgesamt 44 Kinder (8,4 Prozent) hatten mehrere Symptome.

 

Als Langzeitfolgen von Covid-19 zählen hauptsächlich folgende Symptome:

  • Übermässige Müdigkeit und Erschöpfung
  • Kopfschmerzen
  • Husten
  • Kurzatmigkeit und Atembeschwerden
  • Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn
  • Schlaflosigkeit
  • Muskelermüdung/Muskelschmerzen
  • Schmerzen in der Brust
  • Intermittierendes Fieber
  • Hautausschläge
  • Beschwerden nach körperlicher Anstrengung

"Ich frage mich, ob unsere Jugend, nachdem sie uns Erwachsene und die ältere Bevölkerung durch ihr rücksichtsvolles Verhalten geschützt hat, es wirklich verdient hat, dass man sie jetzt mit Corona durchseucht. Haben wir nicht eine Verantwortung für unsere Jugend? Eine Durchseuchung der Jugend in Kauf zu nehmen, darf keine Option sein."

Michael Meyer-Hermann, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

 

Die immer grössere Beweislage für Langzeitfolgen nach einer Infektion mit dem Coronavirus macht erneut deutlich, wie wichtig es ist, Ansteckungen und damit möglicherweise auch Fälle der Art des Chronischen Erschöpfungssyndroms zu verhindern. Auch bei Kindern! Denn auch bei einer Fallstudie mit schwedischen Kindern traten bei den Mädchen und Jungen Müdigkeit, Konzentrationsprobleme, Kopfschmerzen, Atemnot, Herzklopfen, Schwindel oder Halsschmerzen auf. Nach sechs bis acht Monaten hatten sich einige Symptome gebessert, doch alle Kinder litten noch unter Müdigkeit.

 

Derweil stellen sich in Schweden nicht zuletzt auch deswegen Wissenschaftler die Frage: Hat Schweden seine Kinder wirklich geschützt?

Die Wissenschaftlerin Johanna Höög hat sich zusammen mit Sofia Breland genauer angeschaut, wie es Kindern während der Pandemie in Schweden ergangen ist - das Ergebnis zeichnet ein düsteres Bild.

 

 

Es gibt auch schwerere Fälle wie das PIMS-Syndrom, eine seltene, aber mitunter lebensgefährliche Spätfolge. In Grossbritannien, wo die Infektionszahlen derzeit wieder nach oben gehen, hat sich eine Selbsthilfegruppe zu Long Covid bei Kindern gegründet.

 

Sars-Cov-2-Infektion: Zwei bis vier Wochen danach kann PIMS auftreten

Die Liste der Krankheitssymptome ist lang. Sie reicht von Fieber und Bauchschmerzen bis hin zu Entzündungen des Herzbeutels oder der Herzklappen. Sie ähneln der Symptomen des Kawasaki-Syndroms. Allerdings verläuft MIS-C wohl schwerer und die betroffenen Kinder und Jugendlichen sind älter. Außerdem sind die Ursachen einer Erkrankung am Kawasaki-Syndrom unklar. Bei MIS-C geht die Weltgesundheitsorganisation WHO von einer Sars-Cov-2-Infektion im Vorfeld aus. Zwei bis vier Wochen später treten die Syndrome dann auf. Allerdings ist dieser Zusammenhang noch nicht ausreichend untersucht. Auch in CH / AT / DE sind Kinder immer öfter vom pädiatrischen entzündlichen Multisystem-Syndrom (PIMS) betroffen.

 

Etwa 0,18 Prozent der Kinder mit klinisch manifester COVID-19 sterben, meist infolge eines pädiatrischen entzündlichen Multisystemsyndroms (PIMS). Nicht zuletzt schon deshalb müssten auch unter 18-Jährige geimpft werden, sagen Infektiologen. Das sei wesentlich, damit schnellstmöglich eine Herdenimmunität erreicht werden kann. Hersteller der COVID-19-Vakzinen arbeiten mit Hochdruck daran, Studiendaten zur Impfung von Kindern ab 12 Jahren und auch jünger zusammenzutragen und eine entsprechende Zulassung zu erhalten.

 

Impfen zentral

Auch Kinder und Jugendliche gegen das Coronavirus zu impfen, ist laut Experten zentral. Es traten bei den Kindern und Jugendlichen bisher nur die üblichen möglichen Impfreaktionen auf und waren mild bis moderat. Genannt wurden Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Fieber. Es gab keine Fälle von Thrombosen oder anaphylaktischen Schocks.

 

Verbreitung von Long Covid

Welcher Anteil von allen mit COVID-19 Infizierten Langzeitfolgen entwickelt, ist nach wie vor nicht genau zu beziffern. Gut erforscht sind allerdings die Folgen für die Gruppe der hospitalisierten Patienten. Laut Statistik der ONS starben 12,5 % der Menschen mit schweren Covid-19 Krankheitsverläufen an Spätfolgen.

 

Viel Beunruhigung hatte die Studie von Danilo Buonsenso, Kinderarzt an der Uniklinik in Rom ausgelöst, die im Mai in der Fachzeitschrift Acta Paediatrica erschienen war. Buonsenso und Kollegen hatten zwischen März und November 2020 129 an Covid-19 erkrankte Kinder im Alter von sechs bis 16 Jahren zu Post-Covid-Symptomen befragt, darunter Schlafstörungen, Abgeschlagenheit, Muskelschmerzen oder Erkältungssymptome. Mehr als ein Drittel berichtete noch nach vier Monaten über zwei, ein weiteres Viertel über drei oder mehr Symptome.

 

Ebenfalls Statistiken aus England bestätigen, dass rund zehn Prozent aller Kinder und Jugendlichen bis 16 Jahren fünf Wochen nach der Diagnose noch mindestens ein Symptom erlebten. In Russland haben Kinderärzte beobachtet, dass jedes Vierte im Krankenhaus behandelte Kind fünf Monate nach der Entlassung noch Symptome hatte.

 

Fazit: Keine Ansteckung, keine Langzeitfolgen

 

 

Quellen:


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