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AT: Kickl überschreitet rote Linie

Herbert Kickl (CC BY-SA 4.0)
Herbert Kickl (CC BY-SA 4.0)

DMZ –  POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦                               Herbert Kickl (CC BY-SA 4.0)     

 

Holocaust-Vergleiche sind keine Meinungsfreiheit. Verharmlosung und Bedeutungsumkehr auch bei Workshops der Demokratiewerkstatt Thema

Wien (PK) - Nachdem der freiheitliche Klubobmann Herbert Kickl im Zuge eines ZIB 2-Interviews Schriftzüge wie "Impfen macht frei" als Kritik am Nationalsozialismus zu erklären versuchte und die Situation von Schülerinnen und Schülern heute mit jener von jüdischen Kindern zu Beginn des Nationalsozialismus verglichen hatte, meldet sich nun der Präsident des Nationalrats zu Wort und übt scharfe Kritik an den Aussagen Kickls.

 

"Meinungsfreiheit ist ein wichtiges Gut in unserer Demokratie, aber bei jeder Form des Antisemitismus ist eine klare Grenze zu ziehen. Solche Aussagen, wie jene des FPÖ-Klubobmanns, überschreiten diese Grenze klar. Wer schon einmal in Auschwitz war und die Zeile 'Arbeit macht frei' mit eigenen Augen am Eingang dieses Vernichtungslagers prangend gesehen hat, dem würden solche Vergleiche und auch deren Rechtfertigung nicht über die Lippen kommen. Diese bewusste Provokation ist zynisch, verharmlosend und ein Schlag ins Gesicht für die wenigen heute noch lebenden Opfer des Nationalsozialismus und deren Nachfahren. Ich würde mir von einem gewählten Volksvertreter unseres Landes im Jahr 2021 daher eine Klarstellung zum Slogan 'Impfen macht frei' erwarten und keine perfide zynisch eingesetzte Bedeutungsumkehr. Provokation und kalkulierte Aufmerksamkeit rechtfertigen nicht jedes Mittel. Kickl spielt hier ganz gezielt mit NS-Gedankengut, was Österreichs Ansehen in der demokratischen Welt schadet. Er hat damit eindeutig eine rote Linie überschritten, wogegen ich klar Stellung beziehe", so Sobotka, der Kraft seiner Funktion als Präsident des Nationalrats auch Vorsitzender des Kuratoriums des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus ist.

 

Generell seien derartige Vergleiche in jeder Form abzulehnen und entschieden zurückzuweisen. Impfungen und andere Corona-Maßnahmen seien ausschließlich für den Schutz der Bevölkerung gedacht, während Jüdinnen und Juden zur Zeit des Nationalsozialismus gedemütigt, erniedrigt, ihrer Bürgerrechte und am Ende bestialisch ihres Lebens beraubt wurden, so Sobotka weiter. 

 

Aufgrund der zunehmenden Verharmlosung und Bedeutungsumkehr von nationalsozialistischen Ausdrücken und Zeichen bei Demonstrationen kündigt der Nationalratspräsident auch eine diesbezügliche Auseinandersetzung mit derart zynischen Vergleichen bei Workshops der Demokratiewerkstatt des Parlaments an. "Jungen Menschen die fundamentalen Unterschiede zwischen Demokratie und Terrorregime zu verdeutlichen, kann angesichts solcher Entwicklungen nur unser oberstes Ziel sein", so Sobotka abschließend.

 

Der Nationalratspräsident hatte sich nach den Aussagen Kickls in der ZIB 2 unmittelbar mit der Antisemitismus-Forscherin der TU Berlin, Dr. Monika Schwarz-Friesel, in Verbindung gesetzt, um die grundsätzlichen Vergleiche und auch spätere Relativierungsversuche zu thematisieren. Schwarz-Friesel sieht generell "jeden NS-Vergleich als unverhältnismäßig und Holocaust-relativierend, da die Shoah ein unikales Menschheitsverbrechen war, das Leid und Tod über sechs Millionen Jüdinnen und Juden brachte. Dass Anti-Corona-Demonstranten sich mit damals Verfolgten vergleichen, den stigmatisierenden gelben Stern tragen - welcher seinerzeit Verdammnis und Tod bedeutete - und KZ-Sprüche in Bezug auf die Corona-Maßnahmen umdeuten, ist eine besonders perfide und pietätlose Form der Shoah-Relativierung", so die Kognitionswissenschaftlerin.

 

 

Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦ 

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