„Die Zukunft des Wanderns hat begonnen“

DMZ –  KULTUR ¦ Urs Heinz Aerni ¦                                     

 

Der Filmemacher Daniel Felix dreht mit einem Team aus der Ostschweiz einen Kinofilm, in dem alle Schweizer Kantone vorgestellt werden. Im Gespräch verrät er warum, und was das Wandern mit ihm macht.

 

Urs Heinz Aerni: Daniel Felix, sie arbeiten beim Schweizer Fernsehen, lieben innig die Technik der Eisenbahn und wohl sichtlich auch das Wandern, denn diesem Nationalsport in der Schweiz widmen Sie einen abendfüllenden Kinofilm. Welche Lebensqualität gibt Ihnen das Wandern?

 

Daniel Felix: Das Wandern ist für mich Erholung pur. Draußen in der Natur, in Bewegung, was auch die Gedanken in Bewegung bringt, und mit fantastischen Aussichten auf unsere Landschaften. Wandern zählt für mich zu den schönsten Form von Urlaub, denn es geht gerade vor der Haustür los ohne großes Anreisen um die halbe Welt. Nach einer schönen Tour fühle ich mich erholt und ich spüre eine richtige Lebensfreude, etwas für den Geist und die Bewegung gemacht zu haben.

 

Aerni: Während Touristen gerne mit mittelmäßig gestalteten Karten sich in Skandinavien oder am Mittelmeer wandernd verlaufen können, gibt es in der Schweiz ein gelbes Wandersystem, das Sie in ihrem Film dokumentieren. Um was genau geht es dabei?

 

Felix: In der Schweiz sind 65‘000 Kilometer Wanderwege ausgeschildert. Nicht nur das, auf den Wegweisern wird sogar die Zeit angegeben, um zu Fuß von hier nach dort zu gelangen. Diese Wege sind so gut beschildert, dass es kaum eine Landkarte nötig macht. In keinem anderen Land der Welt gibt es so ein flächendeckendes Wanderwegnetz, wie wir das hier in der Schweiz kennen.

 

Aerni: Da sollen viele Freiwillige mitzumachen...

 

Felix: Richtig, diese 65‘000 Kilometer werden von vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern tipptopp in Schuss gehalten. Stellen Sie sich diesen Aufwand und diese Arbeit vor, die dahinter steckt. Ich denke, das ist der ideale Inhalt für einen Kino-Dokumentarfilm.

 

Aerni: Sie arbeiten für den Film mit einem sympathischen Team. Wie hat sich das ergeben?

 

Felix: Das Team besteht aus sieben Personen, ich eingeschlossen. Wir kennen uns schon lange und sind gut befreundet. Im Kino in Weinfelden haben wir zusammen ein Filmfestival ins Leben gerufen. Wir zeigen jeweils einen ganzen Tag lang Schweizer Filme zu einem bestimmten Thema. Das sind Spielfilme und Dokumentarfilme. Da ich selber Filme drehe, kamen wir auf die Idee, für diesen Volksfilmtag jeweils einen eigenen Kurzfilm beizusteuern. Offenbar konnte ich mein Team motivieren, mit mir einen richtig langen Dokumentarfilm über das Wandern zu lancieren.

 

Aerni: Sie wählten auch überraschende Touren aus, wie zum Beispiel in Zürich eine idyllische, umgeben in der Natur und in Basel eine urbane mit Rheinhafen. Wie seid Ihr bei der Wahl vorgegangen?

 

Felix: Meine Idee war es, in jedem der 26 Schweizer Kantone eine Wanderung zu zeigen. Jede Kantonswanderung dauert exakt zwei Minuten. So ist ein kleiner Kanton gleichberechtig wie ein großer Kanton, was die Filmwanderung betrifft. Um an wirklich sehenswerte, abwechslungsreiche und auch versteckte Wanderwege zu kommen, baten wir die kantonalen Wandervereine um drei Tipps. Von diesen drei Vorschlägen haben wir dann eine Tour ausgewählt und haben den Weg mit Sack und Pack – und vor allem mit der Filmausrüstung begangen.

 

Aerni: Wobei je nach Wanderung auch die Gruppe größer oder kleiner wurde.

 

Felix: Ja, auf Einladung stießen jeweils Mitwanderinnen und -wanderer zu uns, die uns begleiteten und so plötzlich als Schauspieler und Statisten in einem Kinofilm auftreten.

 

Aerni: Ein Glücksfall ist auch die Titelmusik von Michael von der Heide. Wandert er eigentlich auch?

 

Felix: Ja, er wandert ebenso, er ist in Amden oberhalb des Walensees aufgewachsen. Im Film begleitet uns vor allem seine Musik. Ich mag seine Lieder sehr, ich bin ein Fan von ihm. Als ich an einem Samstagabend bei einem feinen Essen und einem guten Tropfen Wein seine CD hörte, ist mir ein Titel aufgefallen, der wunderbar zum Wanderfilm passen würde. Also rief ich ihn an und fragte ihn, ob wir dieses Lied verwenden dürften.

 

Aerni: Und?

 

Felix: Er war sofort angetan von dieser Idee.

 

Aerni: Das deutschsprachige Europa liebte und schätzte Ihren berühmten Vater, Kurt Felix, der mit Sendungen wie „Teleboy“ oder „Verstehen Sie Spaß“ für viele Familien den perfekten Fernsehabend sorgte. Wie hatte er es eigentlich mit dem Wandern?

 

Felix: Mein Vater konnte mich schon als kleiner Bub für‘s Wandern begeistern. Wir wanderten nicht einfach die Wege ab, sondern er hatte immer ein spezielle Idee. Als wir einmal in den 1970er-Jahren zu meinem Großvater unterwegs waren, nahmen wir das Funkgerät mit und übermittelten ihm alle 30 Minuten unseren Standort. Es war genial, wie wir von unterwegs miteinander kommunizieren konnten.

 

Aerni: Er war eben ein Mann der Medien und Kommunikation, Ihr Vater...

 

Felix: Wenn ich mir das heute überlege, waren wir wohl unserer Zeit um paar Jahrzehnte voraus. Oder mein Vater macht mit dem Lineal einen Strich durch die Landkarte und wir wanderten dann diesem Strich exakt nach. Über Stock und Stein. Und natürlich achtete mein Vater immer darauf, dass am Ende der Wanderung ein Restaurant und ein Bahnhof oder eine Seilbahnstation uns erwartete.

 

Aerni: Ihr Film mit dem schweizerdeutschen Titel „Chumm mit“, führt durch alle 26 Kantone und entdeckt Naturperlen. Aus mittlerweile allzu bekannten Gründen, wurde das eigene Land als Feriendestination neu entdeckt. Wie ist es Ihnen ergangen?

 

Felix: Für mich war das nichts Neues, da meine Partnerin und ich auch schon vor der Pandemie hauptsächlich Ferien in der Schweiz machten. Wir mussten uns also der Pandemie nicht anpassen. Es freut mich aber sehr, dass nun wieder viele Schweizerinnen und Schweizer das Wandern neu entdecken und schätzen lernen. Die Schweiz ist halt schon schön. Man muss sie nur entdecken.

 

Aerni: Sie selber leben mit Ihrer Partnerin im schönen Weinfelden im Kanton Thurgau. Eine Gegend, aus der Sie kommen und auch nicht verlassen möchten. Warum nicht?

 

Felix: Der Kanton Thurgau ist meine Heimat. Hier bin ich aufgewachsen und hier fühle ich mich verwurzelt. Dem Kanton Thurgau und auch Weinfelden, die Stadt in der wir leben, kommt im Wanderfilm eine spezielle Rolle zugute. Der Film beginnt und endet in Weinfelden und wir kehren auch immer wieder in den Kanton Thurgau zurück, wenn es um die Beiträge zum Wandweg-Unterhalt oder zur Wegweiserproduktion geht. Der Thurgau ist so quasi der Heimathafen des Films.

 

Aerni: Mancherorts sind Konflikte zwischen Biker und Wanderer zu vernehmen, oft heißt es, dass die Jugend eher weniger die Wanderschuhe umschnallt. Dann sei die Corona-Krise gut für ein Remake des Wandern. Wie sehen Sie die Zukunft des Marschierens über Stock und Stein?

 

Felix: Die Zukunft des Wanderns hat schon längst begonnen. Toll sind die verschiedenen Apps auf dem Smartphone, zum Beispiel die Landeskarten von Swisstopo oder die Routenplanung von Schweiz Mobil. Wandern ist damit modern geworden. Geblieben sind die schönen Landschaften, das gute Gefühl der Bewegung und das Plättli im Bergrestaurant nach der Anstrengung.

 

Aerni: Was gehört unbedingt in Ihren Wanderrucksack?

 

Felix: Viel Wasser, ein Cervela, ein Semmli und die Filmkamera.

 

Aerni: Mit welcher Gemütshaltung sollten die Besucherin und der Besucher ins’s Kino zu Ihrem Film kommen?

 

Felix: Sie erwartet ein positiver, lüpfiger Film. Wir besprechen keine Probleme oder Konflikte sondern wollen die Begeisterung und die Schönheit am Wandern vermitteln. Wenn mir nach dem Film jemand sagt, dass es schöne zwei Stunden waren, dann habe ich mein Zeil erreicht

 

Aerni: Bevor ich Ihnen viel Erfolg für den Film wünsche, erlaube ich mir die Frage, ob es schon Pläne für eine nächste Wanderung – respektive - ein nächstes Filmprojekt gibt?

 

Felix: Ideen für ein nächstes Filmprojekt habe ich natürlich immer. Und da der Titel des Films «Chumm mit» heißt, dann ist das Feld weit offen. Wieder zu Fuß? Oder mit dem E-Bike? Wer weiß?

 

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Daniel Felix wurde 1966 geboren und lebt heute mit seiner Partnerin und Mitfilmerin Alexandra Beck in Weinfelden, Kanton Thurgau. Er arbeitet im Teilpensum als Sendeleiter beim Schweizer Fernsehen SRF. Daneben dreht er freischaffend Videoproduktionen und gestaltet Webpublishing. Für den Film „Chumm mit“, der im März 2022 in die Kinos kommt, macht er das Drehbuch, die Kamera und die Regie. www.chumm-mit.ch 

 

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