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Das „Gutachten“ des Corona-Expertenrats bezeichnet sich selbst korrekt als Ansammlung von „Einsichten“

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦                                 

KOMMENTAR

 

Der Corona-„Sachverständigenrat“ hat mit seinem „Gutachten“ zu den Maßnahmen vor allem seine eigene Auflösung begründet. Der „Bericht“ bestätigt vollständig die Gründe, die Prof. Drosten für seinen Rückzug aus dem Gremium angegeben hatte: Keine ausreichende wissenschaftliche Expertise in der Virologie und der Epidemiologie, keine ausreichenden Ressourcen zur wissenschaftlichen Arbeit mit einer unklaren Datenlage, kein Setup für wissenschaftliche Forschung.

 

Das ist angesichts der Bedeutung der Fragestellung und der kontroversen öffentlichen Debatte ein politisches Versagen. Die Besetzung des Sachverständigenrats, sein Mandat, seine genauen Aufgaben sind vollkommen intransparent. Genau das darf aber nicht sein.

 

So wurde dieser „Bericht“ gestern in vielen Foren als etwas gefeiert, was er selbst gar nicht aussagt: Eine angebliche Bestätigung, dass die Maßnahmen nicht funktionierten. Natürlich wurde das um die üblichen politischen Wertungen bis zu Verschwörungstheorien, die sich angeblich gleicht mit bestätigen, weiter gedreht.

 

Auffällig ist, dass den meisten Kommentatoren der Bericht selbst zu der Zeit nicht vorgelegen hat. Mir wurde er über Pressekontakte zugespielt als ich insbesondere Kubickis „Wertung“ der Ergebnisse kommentierte. Das ist Teil des Versagens, denn bisher hat niemand in der Regierung oder aus dem Rat daran gedacht, den Bericht selbst vielleicht einzuordnen und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Die Welt hat Kubickis „Emissionen“ umfangreich abgedruckt, es aber „versäumt“, den Lesern als Kontrast vielleicht mal die Quelle selbst zur Verfügung zu stellen. Die Tagesschau hat das nachgeholt, er ist hier online gestellt worden: https://www.tagesschau.de/gutachten-sachverstaendigenrat…

 

Es wäre aber Aufgabe des Expertenrats und der Regierung gewesen, sowohl eine offizielle Einordnung als auch die Quelle selbst breit zur Verfügung zu stellen, statt das Dokument nur an die Presse herauszugeben und dann abzuwarten, was sich im Medienwald so ergeben wird. Das ist gerade deshalb so bitter, weil der Bericht selbst ein – sehr gutes! – Kapitel zur Krisenkommunikation umfasst. Das hätte der Rat selbst vielleicht beherzigen und Leute wie Kubicki durchaus mal lesen dürfen.

 

Ich vermute, dass die wenigsten sich jetzt noch die Mühe machen werden, ihre eigenen Bewertungen dieses „Gutachtens“ durch dessen Studium zu überprüfen. Es genügt ja, wenn „Analysten“ wie Kubicki das tun. Man darf angesichts dieser kommunikativen Fehlleistung von Rat und Regierung davon ausgehen, dass dieser Bericht nun in die Ewigkeit als Beleg für alles mögliche eingehen wird – ohne dass er jemals wirklich gelesen wurde.

 

Ich zitiere daher nur ein paar wesentliche Begriffe aus dem Dokument, welche insbesondere hinsichtlich des wissenschaftlichen Anspruchs und der „Ergebnisqualität“ meine maßgebliche Bewertung bestätigen. Der Expertenrat sagt nämlich vor allem eines ganz klar: Er konnte die gestellte Aufgabe, die Maßnahmen zu bewerten, nicht leisten.

 

Der Bericht sagt insbesondere, dass eine „Evaluierung“ einzelner Maßnahmen oder Maßnahmenpakete nicht möglich war. Das ist ein wissenschaftlich gesetzter Begriff und alleine diese Feststellung genügt, um festzustellen, dass der Rat selbst sich hier von einem wissenschaftlichen Ergebnis distanziert.

 

Was er leistet, wird hingegen bezeichnet als „Einsichten“ zu „Aspekten“, die im weitesten Sinne etwas mit dem Auftrag zu tun hatten, die Maßnahmen insgesamt zu bewerten. Zu diesen „Einsichten“ zählt dann auf 160 Seiten: Lockdowns wirken am besten, wenn sie frühzeitig ergriffen werden, während sie zu spät eingesetzt sehr lange dauern und an Effektivität verlieren. Letzteres übrigens nicht, weil sie „biologisch“ dann nicht mehr wirken, sondern weil sich, wie Weiland Kubicki so schön dokumentierte, dann immer weniger daran halten. Weitere „Einsichten“ besagen, dass Masken sehr wirksam sind, aber richtig getragen werden müssen. Eine ganz besondere „Einsicht“ lautet, dass es insbesondere zu Schulschließungen nicht mal Einsichten gibt. Die ganz wesentliche „Einsicht“ hingegen: Die Daten lassen nicht mehr zu und das ist alles ganz ganz schlimm, weil das ja dazu führt, dass man nicht mehr leisten kann, als diese „Einsichten“ auf 160 Seiten zu verteilen.

 

So liest man als mit wissenschaftlichen Schriften vertrauter zwischen Mitleid mit den Autoren und berechtigtem Ärger über den Stellenwert, den diese „Einsichtensammlung“ in unserer Gesellschaft erreicht, hin und her gerissen diese 160 Seiten und kommt halt zur Erkenntnis: Drosten hatte Recht und hier wird ihm das sehr länglich bestätigt.

 

Letztlich bleibt der Ärger hängen, denn die Hinweise von Drosten auf die mangelnde personelle Ausstattung sowohl des Gremiums selbst als auch seines Backgrounds werden leider auch bestätigt. Der „Einsichtsbericht“, den man nicht mal „Gutachten“ nennen sollte, arbeitet sich sehr deutlich an der Datenlage ab, ohne jedoch auch nur den geringsten Versuch zu zeigen, mit diesen Daten halt doch etwas zu machen. Nun haben aber viele mit Analysen von schwierigen, weil unsystematisch erhobenen Daten befasste Experten in den letzten zwei Jahren ausreichend bewiesen, dass man daraus sehr wohl valide Ergebnisse ziehen kann und dass dies noch weitaus besser wird, wenn man die nationale Nabelschau mal verlässt und die eigenen Daten in den Kontext globaler wissenschaftlicher Erkenntnisse setzt.

 

Das ist dann der Punkt, an dem man dem „Expertenrat“ bei allen selbst zurecht dokumentierten Einschränkungen bezüglich der Bearbeitung des Auftrags schon mangelnde Kompetenz vorwerfen darf. Die „gefundenen“ und so hübsch aufgeschriebenen „Einsichten“ sind überwiegend Tautologien aus der epidemiologischen Standardliteratur, die Kritik an den Daten ist ebenso Standard im Bereich Statistik und deren Auswertung muss man deshalb trotzdem nicht verweigern. Wenn man das trotzdem macht, darf man gerne einen weiteren wissenschaftlichen Standard bemühen: Komme ich selbst nicht weiter, recherchiere ich in globalen wissenschaftlichen Quellen, ob meine Fragen vielleicht anderweitig bereits beantwortet wurden.

 

Insofern ist dieses Dokument ohnehin kein wissenschaftliches, was es auch nicht von sich behauptet, es erfüllt aber leider auch nicht die wesentlichen Kriterien für wissenschaftliches Arbeiten.

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