Red Bull, Coca Cola und Fliegen

DMZ –  BLICKWINKEL ¦ Ruedi Stricker ¦                   

Nein, ich werde Red Bull nicht verklagen, obwohl ich allen Grund dazu hätte. Auf den Gedanken, dass Getränke Flügel verleihen, brachten mich nämlich schon in den Sechziger Jahren eine Physikstunde und eine Werbetafel.

Unser Physiklehrer zeichnete sich weder durch besonderes pädagogisches Geschick noch fachlich dadurch aus, «das Pulver erfunden zu haben». Aber darum geht es hier gar nicht. Vielmehr begriff ich eines Tages mehr intuitiv als intellektuell den praktischen Nutzen der Vektorgleichungen im Kontext des Gleitflugs.

Um einen Gleitflug zu erleben, benötigt man einen Segelflugzeug, einen Fallschirm oder ein genügend grosses Stück Blech. Letzteres ist aus technischer Sicht deutlich weniger geeignet, aber für ein pubertierendes Mitglied der ländlichen Bevölkerung leichter zu beschaffen. So ein Teil befand sich nämlich im Restaurant «Falken» auf dem Parkplatz und hatte die Aufgabe, nichtkonsumierende Gäste fernzuhalten und gleichzeitig auf Coca Cola aufmerksam zu machen.

Der Falkenwirt hatte weder eine Überwachungskamera noch einen scharfen Hund, und so gelang es uns am helllichten Tag, unbemerkt die vier Schrauben zu lösen und das Blech zu entfernen. Mit diesem Objekt begaben wir uns zu zweit auf eine Anhöhe oberhalb einer perfekt geeigneten Felswand, um einen Pilotversuch (sic!) durchzuführen. Der herrschende starke Föhn bot perfekte Bedingungen.

«Wenn ich das Blech im richtigen Winkel gegen den Wind halte, kann ich mich mit dem Oberkörper darauflegen und die beinahe senkrechte Felswand hinunterlaufen.» erklärte ich meinem nach wie vor zweifelnden Begleiter. Gesagt, getan. Die ersten Meter verliefen erfolgversprechend, bis eine heftige Bö das Blech aufstellte und mich unsanft an die Felswand schlug.

Als ich das Bewusstsein wieder erlangte, war ich schon unten angelangt. Vor mir stand R. W. und stellte erleichtert fest, dass ich zwar übel aussah, aber tatsächlich noch lebte. Nach diesem Erlebnis habe ich nie mehr eine Coca Cola Tafel geklaut, und für die spätere Geschichte mit der schönen Serviertochter im Falken fehlt hier leider der Platz.