RRRrrrr Renners Rasende Randnotiz - Warum wir klatschen

Potrait von Olivia Aloisi
Potrait von Olivia Aloisi

DMZ – KOLUMNE ¦ Alon Renner ¦                        Potrait von Olivia Aloisi 

 

Klatschen gehört zu den ersten Klängen, die wir als Kleinkinder selbst erzeugen können. Zusammen, in einer Gruppe wird aus diesem Geräusch Applaus - ein bemerkenswertes Phänomen…

 

Mal als Ausdruck der Begeisterung, mal aus Ausdruck der Dankbarkeit oder zur Anheizung der Stimmung: seit Jahrhunderten ist das Klatschen eng mit

Darbietungen und Aufführungen verbunden. Doch warum tun wir dies eigentlich? Herzlich willkommen zu meiner neuen Kolumne.

 

Das Schauspiel beginnt erst nach dem Erklingen des letzten Tones, dem Verbeugen der Bühnenkünstler, dem Ende des Vortrages: Beifall brandet auf. Wie ein Regenschauer prasselt er hernieder, die Zuschauer schlagen sich in die Hände, manchmal minutenlang. Vor allen Dingen aber: ohne dass sie sich zuvor abgesprochen hätten. Wer wohl angefangen hat? Dies ist beim besten Willen nicht auszumachen. Kaum ist die Vorstellung vorüber, setzt der Applaus ein. Einfach so. Ein fesselnder Moment.

 

Wie man richtig klatscht, haben wir eigentlich nie gelernt. Nach dem Auftritt einer Band, einer Ballettaufführung oder einer Street Performance gibt es kein Zeichen, wann man mit dem Applaudieren beginnen soll. Auch den Rhythmus gibt keiner vor. Trotzdem funktioniert das Klatschen. «Auch ein Publikum von 50 000 Menschen in einem Fussballstadion kann sich innerhalb von zwei Sekunden synchronisieren, ohne vorher verbal zu kommunizieren. Das ist total faszinierend» meint Jutta Toelle. «Selbstverständlich drückt Applaus Lob für die Auftretenden aus“, sagt die Frankfurter Musikwissenschaftlerin. „Er ist der Ersatz für ein persönliches Dankeschön. Es kann ja nicht jeder Zuschauer gesondert zur Bühne gehen.“ Und alle machen mit, obwohl der Einzelne nicht heraussticht, nicht gehört wird. Mit dem Beifall, drücken die Menschen als Gruppe aus, dass ihnen die Vorführung gefallen hat. Und machen das Klatschen somit zu einer Handlung, die sich vor allem in der Kommunikation von Massen abspielt.

 

Aber wieso machen wir das? Warum machen wir mit? Darauf weiss Jutta Toelle eine Antwort. Die Musikwissenschaftlerin beschäftigt sich seit Jahren mit diesem Phänomen. Klatschen ist ihr zufolge auch ein Zeichen – und das mag überraschen –der Erleichterung. Je nach Konzert, je nach Theateraufführung, Lesung, Vortrag oder Sportart meint sie, sässen wir eine kurze oder längere Zeit still, in der wir uns weder bewegen, noch äussern, noch überhaupt Geräusche von uns geben würden. Dies sei eine relativ unnatürliche Situation. Nachdem wir das Geschehen so gebannt, so konzentriert verfolgt haben, wollen wir uns wieder rühren und über das Erlebte austauschen. Kommt hinzu, dass uns die Aufführung unter Umständen ergriff, berührte oder sonst wie beschäftigte. Der Applaus ist Teil der Erlösung.

 

Überall auf der Welt drücken sich die Menschen durch Beifall aus, wenngleich dieser unterschiedlich ausfällt. Die Applausregeln eines Landes muss man kennen. Bei uns etwa diese: In einem Klassikkonzert ist Klatschen zwischen den einzelnen Sätzen nicht erwünscht, bei Pop- oder Jazzkonzerten hingegen ist dies nach jedem Lied, jedem Solo möglich. Und in der Oper dürfen nach jeder Arie die Hände gegeneinandergeschlagen werden. Hier darf man sogar laut «Bravo» rufen. Auch wenn der Dirigent die Bühne betritt, klatscht das Publikum höflich. Der Applaus ist in diesem Fall als «Willkommensgruss» gedacht.

Das gemeinsame Applaudieren am Ende einer Darbietung verwandelt ausserdem die Anwesenden. Schon in der Urzeit entdeckten die Menschen ihre Hände als «Musikinstrument». Bevor man gegen einen anderen Stamm in den Krieg zog, klatschten und tanzten die Krieger. Dadurch verschmolzen sie zu einer Einheit. Gemeinsamer Beifall verbindet. Etwas ähnliches geschieht heute noch in Konzertsälen, Theaterhäusern und in Sportstadien: nach einer besonders gelungenen Vorstellung klatscht das Publikum plötzlich im gleichen Rhythmus. In ihrer Begeisterung springen manchmal die Leute sogar von ihren Plätzen auf und klatschen im Stehen weiter – «Standing Ovation» nennt sich dies. Einer zieht den anderen mit. Applaus kann einen ziemlichen Sog, eine grosse Macht ausüben.

 

Vermutlich haben sich übrigens schon die alten Griechen kräftig in die Hände geschlagen. In ihrer Mythologie jedenfalls findet sich mit der Figur des Krotos gewissermassen der Erfinder des rhythmischen Beifalls. Sein Name bedeutet übersetzt nichts anderes als Klatschen. Und auch die Römer spendeten nach Theateraufführungen Applaus und wurden extra dazu aufgefordert: "Plaudite!", klatschet, hieß es, sobald eine Vorstellung vorbei war. In der Arena des Circus Maximus hatten sie sogar eine genau festgelegte Ordnung wie denn der Beifall ablaufen sollte: Zunächst wedelten sie mit den Zipfeln der Toga, bei grösserer Begeisterung schnippten sie mit den Fingern, und wenn sie vor Freude durchdrehten, applaudierten sie wie wild.

 

Hat Euch die Kolumne gefallen? Nächste Woche geht es mit den Klimaaktivsten der Letzten Generation und der Frage weiter, inwiefern uns das liebe Geld bei der Bewältigung der Klimakrise weiterhelfen kann.

 

Ganz liebe Grüsse

Euer Alon

 

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