RRRrrrr Renners Rasende Randnotiz - Lässt sich mit Geld die Welt retten?

Potrait von Olivia Aloisi
Potrait von Olivia Aloisi

DMZ – KOLUMNE ¦ Alon Renner ¦                        Potrait von Olivia Aloisi 

 

Letztlich sind es kühne Ideen und Visionen, die den Lauf der Welt verändern, prägen und Stoff zur Mythenbildung liefern, nicht die Finanzkraft. Innovation ist oft sogar zunächst einmal das Gegenteil von Gewinnmaximierung. Denn am Anfang von jeder grossen Idee steht der Wille zur Erneuerung, zum Wandel, zum Wechsel und der Bedarf an entsprechender Investition. Herzlich willkommen zu meiner neuen Kolumne.

 

Geld aber ist in der Regel bequem und konservativ. Es möchte die bestehenden Dinge belassen, um aus ihnen zu schöpfen und noch mehr zu schöpfen und noch mehr zu schöpfen... Bis der Krug leer ist und bricht, der Brunnen vertrocknet, die Quelle versiegt.

 

Man könnte sagen, dass Geld oftmals den Blickwinkel verengt, die Weitsicht vergisst, die Wendigkeit vernachlässigt und die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen verschläft. Was ich damit meine? Denken wir an Nokia oder Sony, beides Pioniere der Mobiltelefonie und im Falle von Sony auch noch der Erfinder des Walkmans, eine der grossen Firmen der Musikindustrie und zeitweiliger Computerproduzent, der nie auf die Idee kam, alle seine Produkte in einem einzigen zu vereinen. Bis dies Apple tat. Nun fristen beide Firmen, was die Telekommunikation anbelangt, ein Nischendasein.

 

Im Falle von Sony hat die Firma in den letzten 20 Jahren auch den Handel mit MP3 Dateien iTunes überlassen und denjenigen des Streamings Spotify.

 

Der massive Geldsegen des kurzfristigen Erfolges hatte die Manager der Firma blind gemacht. Heutzutage ist Apple die weit grössere und erfolgreichere Firma als Sony. Der Mangel an Wendigkeit, das Fehlen von Weitsicht und die stetige Bereitschaft, sich neu zu erfinden und Risiken einzugehen, wurde schon mancher Firma zum Verhängnis. Zum guten Glück, gibt es auch viele andere Beispiele. Was aber, wenn unser Planet von den falschen Managern geführt wird?

 

Wollen wir dem Klimawandel Einhalt gebieten, müssen wir uns in den nächsten Jahren nicht nur so schnell wie möglich von den fossilen Energieträgern verabschieden, sondern auch substantiell Gelder in die weitere Erforschung und Entwicklung alternativer Energien investieren. Denn ohne ihren Ausbau werden wir diesen Wandel nicht hinbekommen.

 

Dies bedarf aber vor allem auch einer mentalen Veränderung. Denn so wie ein schöner Teil der Menschheit die Welt sieht, sich mit ihr auseinandersetzt und die Dinge einordnet, lässt sich nur schlecht weitermachen... Lasst Euch ein Beispiel aus der allerjüngsten Geschichte geben:

 

Die Aktionen der «Letzten Generation» haben uns in den letzten Tagen und Wochen in Atem gehalten. Da wurden innert kürzester Zeit Gemälde von Raffael, Van Gogh, Monet und Klimt in den Museen dieser Welt mit Tomatensuppe und Kartoffelbrei bespritzt, bekleckert und begossen. Und auf den Strassen führten ihre Proteste, bei denen sie sich jeweils auf den Boden kleben, zu Stau, zu Stillstand, zur andächtigen Ansammlung von Blechkolonnen im Berufsverkehr. Wobei dann eben dieser Nichtverkehr, der Entzug von Mobilität, die Verdichtung der Wahrnehmung von Zeit, Leben und Entschleunigung in gar mancher Karosserie zu Aggression, in der Presse zu Wut und in den Sozialen Medien zu Raserei umschlug.

Insbesondere, weil in Berlin ein Unfallopfer, das auf der Strasse verstarb, vermeintlich nicht gerettet werden konnte, weil die Ambulanz aufgrund des Staus nicht rechtzeitig eintraf. So die ersten Medienberichte. Und dann entpuppte sich der Rettungswagen als zusätzlicher Räumungswagen der Feuerwehr, den die Notärztin vor Ort nicht benötigte. Denn diese war durchgekommen. Die «Letzte Generation» informiert jeweils vorab die Polizei über ihre Strassenaktionen und lässt auch eine Notgasse für Rettungsfahrzeuge in den Blockaden zu.

 

Pro Tag gibt es 1400 Staus in Deutschland. Fragt man die Fahrer der Sanitätsdienstwagen, so beklagen diese nicht etwa die «Letzte Generation», sondern, dass sie aufgrund der schlechten Verkehrspolitik ständig im Stau stehen und dass es wie beim Pflegepersonal einen Notstand an Personal gibt, über den auch in dieser Debatte geflissentlich hinweggeschwiegen wird.

 

Schnell war man zur Hand, den Begriff des Ökoterrorismus zu verwenden und die Aktivisten mit den Exponenten der RAF, der Hamas, der al-Qaida und des Islamischen Staates gleichzusetzen. Denn für diese galt bis anhin das Wort «Terrorist». Für Menschen, die aufgrund fehlgeleiteter fanatischer Ideologien andere Menschen gezielt für medienwirksame Massaker opfern.

 

Zu kritisieren gäbe es bei der «Letzten Generation» so einiges. Zum Beispiel der Mangel an Kenntnis der Kunstgeschichte. Hätte es nicht mehr Sinn gemacht und medial ein schöneres Bild geboten, Tomatensuppe über einen Siebdruck von Andy Warhol zu schütten? Oder Wein über das letzte Abendmahl von Da Vinci, Zitronensaft über die Lachsschnitten von Goya und Alka-Seltzer über die Absinth Trinkerin von Picasso?

 

Der Aktionskünstler Philipp Ruch, Mitbegründer des «Zentrums für politische Schönheit», das schon mal einen Nachbau des Berliner Holocaustmahnmals in die direkte Nachbarschaft des AfD Politikers Björn Höcke verpflanzte, kritisierte die Harmlosigkeit der Taten. Denn über jedem ausgewählten Bild war eine Glasscheibe zum Schutz des Gemäldes angebracht. Die Attentate verkämen so zum reinen Publicity Stunt.

 

Die Essensbewerfungen tun keinem weh. Die absurd, ja pervers teuren Kunstwerke, die aufgrund der Spekulationen am Kunstmarkt der letzten Jahre einen Wert von mehreren hundert Millionen Franken aufweisen und die sich nur noch Milliardäre leisten können, gingen bei den Anschlägen nicht zu Bruch. Es entsteht kein Gefühl dafür, was wir mit der herannahenden Klimakatastrophe wirklich zu verlieren haben... Alles was in den letzten Wochen entstand, war ein völlig irrationales, mediales Gewitter, das die eigentlichen Probleme nicht behandelt.

 

Ist es im Grunde nicht vielmehr eine Form von Terror, wenn durch unsere Industrialisierung und unseren Wohlstand die Heimat anderer Menschen bald unbewohnbar sein wird? Wenn diverse Inselstaaten und Städte, die am Meer liegen, untergehen?

 

Wenn es nach den besonders betroffenen Entwicklungsländern geht, sollten diejenigen dafür bezahlen, die für den menschengemachten Klimawandel hauptverantwortlich sind: diejenigen Länder, die am meisten Treibhausgase in die Luft stossen. In all den Jahren der Klimaverhandlungen wurde aber bis zur aktuellen Klimakonferenz nie über einen Fonds für klimabedingte Schäden gesprochen. Diese auszugleichen wäre auch eine ziemliche Herausforderung. Denn würde man nur den Kohlenstoffausstoss in der Atmosphäre beziffern, würde Europa der Welt 53 Billionen Dollar schulden.

 

Ein Konsens für die zwanzig besonders betroffenen Staaten könnte beispielsweise sein, die Schulden an den Westen nicht mehr zu bezahlen. Da geht es um 658 Milliarden Dollar. Man würde dann, wenn man das so regeln könnte, die jährlichen Zinsen für dieses Geld für grüne Technologien einsetzen.

 

Solche Ideen, Vorschläge und Argumente finden sich gar manche. Wichtig ist nur, dass wir sie endlich anpacken. Denn das menschliche Handlungsfenster, das eine lebenswerte Zukunft sichert, schliesst sich bald. Die Schäden, die entstehen, wenn wir nicht agieren, werden um ein Vielfaches teurer sein. Und das Geld, das wir dann in die Hände nehmen müssen, wird eine ganz andere Summe betragen.

Man mag von den Aktionen der «Letzten Generation» halten was man will, die Klimakrise haben sie wieder in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt.

 

Und das ist gut so!

 

Ganz liebe Grüsse

Euer Alon

 

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Kommentare: 1
  • #1

    fritze (Freitag, 25 November 2022)

    super artikel, weil der kern des problems angesprochen wird!!!! hoffe paar leser:innen wachen auf!!!!