«Juristisch gesehen war das ein Einbruch»

DMZ –  BLICKWINKEL ¦ Ruedi Stricker ¦                   

Der Entschluss stand schon nach kurzer Diskussion fest: Eine Baumhütte muss her. Eine richtige, nicht so eine Weicheierkrippe, wie man sie in gepflegten Hausgärten findet. Und wir wussten schon damals, worauf es bei Immobilien ankommt: Auf die Lage. Und die war erstklassig. Eine riesige Tanne am Waldrand mit wunderschöner Aussicht, die untersten zehn Meter des Stammes astfrei.

Es wurde nicht lange gefackelt. Für eine detaillierte Planung hatten wir weder Geduld noch Zeit. Schon bald waren die ersten Bodenbretter festgenagelt, und der Bau kam zügig voran. Leider gingen uns jedoch bald die Bretter aus, und auch die Nägel wurden knapp. Wir schalteten einen Baustopp ein, um neue Materialquellen zu erschliessen.

Lange suchen mussten wir nicht. Keine dreihundert Meter entfernt lag das Ferienhaus eines reichen Zürchers, der an diesem Mittwoch todsicher nicht erscheinen würde. B. hatte irgendwie in Erfahrung gebracht, dass in der kleinen Scheune jede Menge Werkzeug, Schrauben, Nägel und Draht herumliegen. Aufkommende Gewissensbisse verscheuchten wir mit dem Argument, der reiche Zürcher – quasi ein Ausländer – hätte mit seinem Ferienhaus schon jetzt viel mehr Landschaden angerichtet als wir mit einer angefangenen Baumhütte.

Obwohl ich Schmiere stand, als meine Freunde das nötige Material zusammenstellten, wurden wir vom Förster überrascht und mussten unter Zurücklassung der Beute fluchtartig den Rückzug antreten. Leider gelang es ihm, uns dank unserer relativen Bekanntheit im Dorf zu identifizieren und den örtlichen Gesetzeshüter zu informieren. Ich bekam Wind davon und spekulierte mit einer Strafminderung, wenn ich mich sofort stellte.

Was ich auch tat. «Du bist der Einzige, der den Mut hat, hier aufzutauchen. Du kannst wieder gehen. Sag deinen Kumpanen, sie seien Feiglinge. Und mach so einen Seich nicht wieder. Juristisch gesehen war das ein Einbruch.»