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AT: Reanimationsversorgung geht uns alle an!

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DMZ – MEDIZIN ¦ Markus Golla ¦                                         (C) pixelaway 

 

»Eine wesentliche Bedeutung kommt der Ersthelfer Reanimation zu.«, bestätigt Univ.-Prof. Dr. Michael Baubin, Vorsitzender ARC und Mitglied der Sektion Notfallmedizin der ÖGARI

Der plötzliche Herztod gilt in der westlichen Welt als dritthäufigste Todesursache.

 

Statistisch gesehen erleidet jeder zehnte Mensch einen außerklinischen Herzkreislaufstillstand. Von den 12.000 Österreicherinnen und Österreichern, die im Laufe eines Jahres einen plötzlichen Herzkreislaufstillstand erleiden, versterben etwa 10.000. Mehr als 1.000 davon könnten zusätzlich gerettet werden, wenn mehr Laien sofort nach dem Herzstillstand mit Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen würden. Der alarmierte Rettungsdienst trifft im Durchschnitt nach frühestens acht bis elf Minuten ein, bereits nach drei bis fünf Minuten nimmt das Gehirn jedoch ernsthafte Schäden. In mehr als sechzig Prozent der Fälle wird ein Herzstillstand von Laien beobachtet. Wenn diese sofort mit der Herzdruckmassage beginnen, verdreifacht sich die Überlebensrate.

Zu diesen Fakten haben wir den Vorsitzenden des Österreichische Rat für Wiederbelebung (ARC), Michael Baubin befragt.

 

In Österreich wurden weit über tausend Defibrillatoren aufgestellt, ist das ausreichend? Sind Sie mit der Ersthelfersituation in Österreich zufrieden? Wo liegen bei uns in Österreich die Schwachpunkte der Rettungskette bei der Ersthelferreanimation?

Michael Baubin: Zu wenige Menschen trauen sich, aus Angst etwas falsch zu machen, eine Reanimation zu. Dabei gilt: Nichts tun ist der schlimmste Fehler; denn nur wenige Minuten können über Leben und Tod entscheiden. Bei der Thematik Früh-Defibrillation liegt es nicht an der Aufstellung der Defibrillatoren, sondern an deren Verwendung. Der Anteil von im häuslichen Umfeld auftretenden Reanimationssituationen liegt in Österreich bei 70,2 bis 74%, der in der Öffentlichkeit bei 16,0 – 18,7%. Der große Schwachpunkt bei häuslich auftretender Reanimationssituation liegt eindeutig in der Ersthelferrate.

 

Woraus schließen Sie, dass die eigenständig initiierte Beteiligung an Ersthelferreanimationen hierzulande leider niedrig ist?

Michael Baubin: Die Rate der Ersthelferreanimationen innerhalb der österreichischen Teilnehmer am Deutschen Reanimationsregister im Jahr 2021 beträgt zwischen 45,5 und 58,1%. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die von Leitstellen-angeleitete Reanimation in 30,0 bis 47,1% erfolgt. Aus diesem kann geschlossen werden, dass der Anteil an eigenständig initiierter Ersthelferreanimation doch eher gering ist.

 

Gibt es Maßnahmen aus andern EU-Ländern, die als ein Vorbild herangezogen werden können?

Michael Baubin: „Kid save lives – Kinder retten Leben“ ist das Schlagwort zur strukturierten und optimalerweise verpflichtenden Ausbildung von Kindern in Wiederbelebungsmaßnahmen. Der unmittelbare Beginn von Wiederbelebungsmaßnahmen durch Ersthelfer muss zum Kulturgut werden wie Radfahren oder Skifahren. Länder wie Dänemark, aber auch Schweden konnten zeigen, dass mit einer flächenhaft verpflichtenden Ausbildung von Kindern die Rate an Ersthelfermaßnahmen verdreifacht und das 30-Tage-Überleben verdoppelt werden konnte. Der zentrale und nachhaltige Schlüssel zur Erhöhung der Ersthelferrate ist nachgewiesenermaßen der verpflichtende Schulunterricht in Wiederbelebung, am besten noch vor der Pubertät. Da die Wiederbelebung eine Sonderstellung im Rahmen der Erste-Hilfe-Ausbildung einnimmt, soll ihr – insbesondere im Kindesalter – mehr Augenmerk geschenkt werden.

 

Was schlagen Sie vor, welche Maßnahmen sollten ergriffen werden?

Michael Baubin: 2022 besteht die WHO-Empfehlung zur verpflichtenden Ausbildung von Kindern seit 10 Jahren. In Österreich wird nur eine Empfehlung ausgesprochen, keine Verpflichtung. Idealerweise sollen Volksschulkinder in der 3./4. Stufe die Herzdruckmassage, Kinder in der 5./6. Schulstufe die Herzdruckmassage kombiniert mit Beatmung lernen und am Ende der Schulzeit in einem 16-Stunden Erste-Hilfe-Kurs diese Maßnahmen wiederholen und mit der Verwendung eines automatisierten externen Defibrillators vertraut gemacht werden. Wiederbelebung muss zur Kulturfertigkeit werden, wie Lesen, Schreiben, Rechnen.

 

Die Weihnachtsfeiertage stehen vor der Türe, gibt es seitens der ÖGÄRI eine Empfehlung zur Handlungsanleitung für den Fall der Fälle?

Michael Baubin: Im Falle eines plötzlichen Zusammenbrechens, des Kollapses eines Menschen oder des Auffindens einer reglosen Person.

  • Sprechen Sie die Person laut an, schütteln Sie sie leicht an den Schultern; wenn keine Reaktion kommt:
  • Rufen Sie laut um Hilfe.
  • Aktivieren Sie die Rettungskette: Handy auf Lautsprecher schalten, 144 anrufen.
  • Überstrecken Sie den Kopf der betroffenen Person leicht nach hinten, bringen Sie Ihre Wange über den Mund-Nase Bereich des Betroffenen mit Blick auf dessen Brust; überprüfen Sie dessen Atmung durch Sehen (Hebungen des Brustkorbs) – Hören (Atemgeräusche) – Fühlen (der Atmung an der eigenen Wange).
  • Wenn keine (normale) Atmung feststellbar:
  • Bringen Sie den Betroffenen auf eine feste Unterlage, beginnen Sie mit:
  • Herzdruckmassagen: Knien Sie neben den Betroffenen in dessen Brusthöhe nieder, machen Sie dessen Brust frei, legen Sie einen ihrer Handballen auf die Mitte der Brust, den zweiten Handballen über den ersten. Strecken Sie ihre Ellenbogen durch und drücken Sie mit dem Gewicht ihres Oberkörpers den Brustkorb des Betroffenen rhythmisch nieder, ca. 5-6 cm mit einer Frequenz von etwa 100-mal pro Minute (Rhythmus wie der Song „staying alive“ oder der Radetzkymarsch).
  • Wenn Sie darin geschult sind, dann beatmen Sie jeweils nach 30 Herzdruckmassagen den Patienten zweimal.
  • Wenn andere Helfer dazu gekommen sind, lassen Sie einen Defibrillator kommen, lassen Sie sich jeweils alle 2 Minuten ablösen, bis der Rettungsdienst eintrifft.

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