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Falsche Behauptung gefährlich: "Krankenhäuser sind nicht überlastet"

DMZ –  GESUNDHEIT / WISSEN ¦ Anton Aeberhard ¦ 

 

Das Verbrauchermagazin K-Tipp veröffentlicht seit der Pandemie regelmässig auch fragwürdige Artikel. Zuletzt behauptet das Magazin, dass die Krankenhäuser nicht überlastet seien. Es veröffentlichte dazu einen Artikel, der die immer wiederkehrenden Behauptungen des Bundesrates zur Überbelegung der Spitäler mit verlässlichen Zahlen vermeintlich widerlegt. Dem ist allerdings nichts ansatzweise so, da die Zahlen schlicht falsch interpretiert werden. Ein Fehler, der vor allem auch Pandemieskeptiker, regelmässig machen. Was der Beweggrund des K-Tipp ist, sich regelmässig vor den Karren der Verschwörungstheoretiker spannen zu lassen bleibt ungeklärt. Bereits im November 2020 behauptete die Redaktion dasselbe. Aber auch damals war die Aussage falsch. Falsch und gefährlich sind solche falschen oder unpräzisen Aussagen immer, da es genau diese sind, die Massnahmengegnerinnen und -gegner anstachelt und diese in falschen "Wissen" wiegt. Der K-Tipp verbiegt eindeutig Zahlen, um die Pandemie zu verharmlosen. Auch dieser Artikel wurde rege in den Verschwörerportalen (u.a. Corona Transition, Aktuelle Nachrichten, Uncutnews) - was das Niveau des K-Tipp auf deren "Höhe" senkt. Gefährlich, da in der Wahrnehmung der Konsumenten der K-Tipp (immer noch) als seriöse Quelle gilt.

 

Der K-tipp schreibt: "Am 8. September beschloss der Bundesrat die Corona-Zertifikatspflicht. Sie gilt unter anderem für Restaurants, Kinos und Fitnessstudios. Am gleichen Tag traten laut dem Bundesamt für Gesundheit 55 corona­po­si­tive Patienten in Schweizer Spitäler ein. Zum Vergleich: Jeden Tag nehmen die Akutspitäler im Durchschnitt 4035 Patienten auf."

Er rechnet vor, dass am 8. September 2021 das BAG 55 Einweisungen wegen Covid zählte, während die Spitäler durchschnittlich 4035 Patienten in der Akutversorgung verzeichneten. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich 292 Patienten wegen des Virus auf der Intensivstation, und 399 Patienten litten an anderen Erkrankungen. Insgesamt waren an diesem Tag 168 Intensivbetten verfügbar.

 

Die immer selben Denkfehler

Zahlen alleine sagen eben nicht alles aus. Vor allem die Bettenzahl sagt zu wenig aus, um die Situation in in den Intensivstationen, zu erfassen. Hinter jedem Bett befindet sich Personal. Das ist der Knackpunkt - ein Knackpunkt, der seit Monaten gebetsmühlenartig an jeder Medienkonferenz des Bundes und/oder BAG erklärt wird. Was daran nicht zu verstehen ist erschliesst sich uns nicht. Ein freies Bett kann im Intensivregister nur dann als frei gemeldet werden, wenn eine Klinik genügend Ärzte und Pfleger hat, um einen Patienten oder eine Patientin darin zu versorgen.

Tobias Bär, Mediensprecher der Gesundheitsdirektorenkonferenz, sagte bereits im August, dass Tausende von Betten auf Reserve zu haben, nicht zwingend heisse, besser auf eine Krise in diesem Ausmass vorbereitet zu sein. Gefordert seien eben nicht nur primär kalte Betten, sondern qualifiziertes Personal, welches sich um die Patientinnen und Patienten kümmere.

 

Für den Alltagsbetrieb freie Intensivplätze bereithalten

Zudem müssen Kliniken trotz der Corona-Pandemie für den Alltagsbetrieb freie Intensivplätze bereithalten. Sonst könnten etwa die Opfer eines grösseren Autounfalls oder zwei, drei Schlaganfallpatienten an einem Tag nicht mehr adäquat versorgt werden. Schon alleine deshalb ist die Aussage, dass Krankenhäuser nie (nicht) überlastet seien. Auch oft wird die Aussage  verwendet, "warum Betten abgebaut" würden? Auch diese Aussage ist so falsch. Denn in Tat und Wahrheit wurden in der ersten Welle viele zusätzliche improvisierte Kapazitäten geschaffen, da die Unsicherheit bezüglich Anzahl intensivpflegebedürftiger Patientinnen und Patienten sehr hoch war. Diese Reservekapazitäten sind nach und nach wieder abgebaut worden, sobald sie nicht mehr gebraucht worden sind. Aber aus diesem Grund gibt es nicht das Problem der zeitweisen Überlastung. Seit einem Jahr werden diese Halbwahrheiten gestreut und weiter geteilt. Gewisse Artikel sind die selben wie bereits vor einem Jahr.

 

Mit Denkfehler zur Fehlinformation

Der K-Tipp behauptet von sich noch eine Unabhängigkeit zu haben, die bei vielen Zeitungen nicht mehr gegeben sei. Diese hätten zu stark dem Bundesrat nachgeredet und ihre Rolle als vierte Macht im Staat vernachlässigt. Damit Fehlinformationen und Halbwahrheiten zu rechtfertigen ist zu wenig. Allerdings ist der K-Tipp viel zu politisch (aktiv), um unabhängig zu sein. Hier spielen immer auch Interessen mit.

 

Das BAG nimmt Stellung

Auch die weiteren Zahlen werden fehlinterpretiert. Eine Zahl als solches, sagt eben nicht aus, wenn man den Kontext nicht mit einbezieht. Auf unsere Anfrage beim BAG wird bestätigt, was wir bereits selber feststellten und stellt uns untenstehend die Antwort auf die Fragen von K-Tipp zu diesem Thema zu:

 

 "[…] Die von Ihnen vorgelegten Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen. Die Bettenzahl allein reicht nicht aus, um die Situation in den Spitälern, insbesondere in den Intensivstationen, zu erfassen. Hinter jedem Bett befindet sich Personal. Personal, das seit vielen Monaten unter großem Druck steht und in bestimmten Situationen Mangelware ist. Ohne ausgebildetes Personal gibt es kein IPS-Bett. Daher erfolgte ein gewisser Rückgriff auf nicht zertifizierte Betten. Die Spitäler, die Kantone oder die Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin können Ihnen mehr darüber sagen.

 

Was die Zahlen anbelangt, so ist es wichtig, nicht nur das Gesamtbild zu betrachten. Die lokale oder sogar regionale Situation muss ebenfalls berücksichtigt werden.

 

Schließlich sollten nicht nur die COVID-19-Patienten berücksichtigt werden. Um die Situation in den Spitälern des Landes zu verstehen, sollte auch die Häufung der verzögerten elektiven Operationen in Betracht gezogen werden.  […]"

 

Weiter antwortet uns das BAG auf unsere Fragen, wie die Aussagen des K-Tipp zu sei und wie das BAG solcher Berichterstattung begegnet: "Die Berichterstattung liegt in der Verantwortung der Medien. Aufgrund der grossen Anzahl von Artikeln, die täglich im Zusammenhang mit der Pandemie erscheinen, ist es uns leider nicht immer möglich, bei unpräzisen Berichten systematisch einzugreifen und gegebenenfalls Korrekturen zu verlangen."

 

Ebenfalls wurden die Angaben des K-Tipp vom Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH (Foederatio Medicorum Helveticorum), Medisuisse, SIWF, REMED, USZ, KSGR und der Insel als falsch bezeichnet.

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Marcel (Mittwoch, 22 Dezember 2021 14:47)

    «Zahlen alleine sagen eben nicht alles aus. Vor allem die Bettenzahl sagt zu wenig aus, um die Situation in in den Intensivstationen, zu erfassen. Hinter jedem Bett befindet sich Personal. Das ist der Knackpunkt - ein Knackpunkt, der seit Monaten gebetsmühlenartig an jeder Medienkonferenz des Bundes und/oder BAG erklärt wird. Was daran nicht zu verstehen ist erschliesst sich uns nicht. Ein freies Bett kann im Intensivregister nur dann als frei gemeldet werden, wenn eine Klinik genügend Ärzte und Pfleger hat, um einen Patienten oder eine Patientin darin zu versorgen.

    Tobias Bär, Mediensprecher der Gesundheitsdirektorenkonferenz, sagte bereits im August, dass Tausende von Betten auf Reserve zu haben, nicht zwingend heisse, besser auf eine Krise in diesem Ausmass vorbereitet zu sein. Gefordert seien eben nicht nur primär kalte Betten, sondern qualifiziertes Personal, welches sich um die Patientinnen und Patienten kümmere.»

    Ganz genau und genau auf dasselbe machen auch die regierungskritischen Massnahmen-Gegner aufmerksam und dass sowohl der Bund als auch die Kantone es in den 20 Monaten bewusst versäumt haben um entsprechende Lösungen und Anreize für die Erhöhung der Kapazitäten bei den Spitalberufen zu schaffen, sondern im Gegenteil wurde weiterhin massiven Spardruck ausgeübt, Pflegestationen und ganze Spitäler geschlossen und anstatt das vergraulte, qualifizierte Pflegepersonal zurückzuholen, wurden Zwangstests angeordnet um gesunde Fachkräfte mit einem positiven ct>35 rt-PCR Test, der bei so hohen Schwellen-Zyklen (35-45!) nicht das Geringste über Infektiosität aussagen konnten, in Isolation und Quarantäne zu schicken. Vor jeder einzelnen der Verschärfungen von Massnahmen wurde massiv das Testvolumen in allen Bereichen der Bevölkerung erhöht um mit der daraus folglich resultierenden Veränderung der rohen Statistik die politischen Entscheidungen zu begründen und zwar ohne jemals konkrete Belege für deren Verhältnismässigkeit (sprich Notwendigkeit, Wirksamkeit & Verträglichkeit) vorzuweisen. Und jetzt droht sogar der völlige Pflegenotstand aufgrund der zur Diskussion gestellten Impfpflicht für diese Berufe. Ganz zu schweigen davon, dass die Regierung die Pflegeinitiative bekämpft hat, mit der der Bundesrat ein Werkzeug für eine rasche und nachhaltige Aufwertung der Spitalkapazitäten gehabt hätte und somit jegliche Gefahrenlage für das Gesundheitswesen hätte abwenden können. Aber nein, der Spardruck und politische Vorwände waren wichtiger. Stattdessen greift die Regierung das Virus lieber an dem Teil unserer Infrastruktur an, welche das bislang beste Gesundheitswesen der Welt überhaupt erst finanziert, nämlich die Arbeitsplätze der KMU - was sagt uns das?

  • #2

    Marcel (Mittwoch, 22 Dezember 2021 14:48)

    «Auch oft wird die Aussage verwendet, "warum Betten abgebaut" würden? Auch diese Aussage ist so falsch. Denn in Tat und Wahrheit wurden in der ersten Welle viele zusätzliche improvisierte Kapazitäten geschaffen, da die Unsicherheit bezüglich Anzahl intensivpflegebedürftiger Patientinnen und Patienten sehr hoch war. Diese Reservekapazitäten sind nach und nach wieder abgebaut worden, sobald sie nicht mehr gebraucht worden sind. Aber aus diesem Grund gibt es nicht das Problem der zeitweisen Überlastung.» - Oh mein Gott, die Widersprüchlichkeit dieser Aussage ist kaum zu überbieten und das völlige Fehlen eines konkreten Gegenarguments unübersehbar.

    «Der K-Tipp behauptet von sich noch eine Unabhängigkeit zu haben, die bei vielen Zeitungen nicht mehr gegeben sei. Diese hätten zu stark dem Bundesrat nachgeredet und ihre Rolle als vierte Macht im Staat vernachlässigt. Damit Fehlinformationen und Halbwahrheiten zu rechtfertigen ist zu wenig. Allerdings ist der K-Tipp viel zu politisch (aktiv), um unabhängig zu sein. Hier spielen immer auch Interessen mit.» Achja? Vielleicht kehren Sie erstmal vor Ihrer eigenen Tür.

    «Hinter jedem Bett befindet sich Personal. Personal, das seit vielen Monaten unter großem Druck steht und in bestimmten Situationen Mangelware ist. Ohne ausgebildetes Personal gibt es kein IPS-Bett. Daher erfolgte ein gewisser Rückgriff auf nicht zertifizierte Betten. Die Spitäler, die Kantone oder die Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin können Ihnen mehr darüber sagen.» Ganz genau und wie gesagt; was genau hat die Regierung unternommen im Bezug auf besagte "bestimmte Situationen"? Überstunden, schlechte Bezahlung, miese Arbeitsbedingungen ect. etc. - kurz gesagt, die Pflege wurde schon immer mit Füssen getreten und jetzt wird sie auch noch mit Unrat der übelsten Sorte beworfen. Und weshalb folgen Sie nicht dem Rat vom BAG und lassen uns wissen, was die SGI darüber sagt? Könnte es vielleicht, dass die Situation in der Psychiatrie als Folge der Massnahmen viel schlimmer ist, als sonst irgendwo und dort im Gegensatz zur Intensivmedizin, wo das bisher nie der Fall war, längst Triage an suizidgefährdeten Patienten, die wegen der Krisen-Politik der Regierung enormes Leid erfahren haben, angewendet werden muss?

    → https://www.sgi-ssmi.ch/de/covid19.html