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Schweden: Komitee sieht Corona-Politik der Regierung mehrfach gescheitert

DMZ – INTERNATIONAL ¦ Walter Fürst & Anton Aeberhard ¦

KOMMENTAR

 

Die schwedische Regierung hat für ihren Umgang mit der Corona-Pandemie heftige Kritik einstecken müssen. Das Kontrollkomitee des Reichstages hat einen Bericht vorgelegt, in dem der Regierung zahlreiche Mängel vorgeworfen werden.

Über eine Million Infektionen und über 14'000 Menschenleben forderte der "Sonderweg von Schweden", den das Land dann doch verlassen musste um noch Schlimmeres zu verhindern.

Auch Schweden lockert die Coronamassnahmen.

Dies trotz hoher Inzidenz und des schwedischen Königs Carl XVI. Gustaf, der die Strategie für „gescheitert“ erklärte.

 

Totalversagen der Regierung

Kritisiert wird unter anderem, dass sie keine Strategie zur Bekämpfung der Pandemie verabschiedet habe. Ausserdem sei das Pandemiegesetz, das der Regierung mehr Vollmachten gibt, zu spät ausgearbeitet worden. "Der Ausschuss ist der Ansicht, dass der Umgang der Regierung mit der Pandemie mangelhaft war", sagte die Vorsitzende Karin Enström zu den Medien. Konsequenzen für die Verantwortlichen sind einmal mehr nicht zu erwarten.

 

Massiv mehr Menschen mit dem Covid-19-Virus infiziert als in anderen Ländern

In Schweden haben sich in Bezug auf die Bevölkerungszahl sehr viel mehr Menschen mit dem Covid-19-Virus infiziert als in anderen europäischen Ländern. Die Regierung hatte lange auf Verbote verzichtet und den Menschen lediglich Empfehlungen gegeben.

Konkret beschreibt das Kontrollkomitee die unzureichenden Massnahmen zum Schutz der Menschen in den Altersheimen. In Schweden starben vor allem zu Beginn der Pandemie sehr viele ältere Menschen. Bis Donnerstag waren insgesamt 14'512 Todesfälle registriert worden, die mit einer Covid-19-Infektion in Verbindung gebracht werden.

 

Einsicht auch beim Volk

In Schweden sind mittlerweile die Mehrheit der Menschen ebenfalls der Meinung, dass das konsensorientierte Land in einem Punkt tatsächlich versagt hat. Und zwar ganz am Anfang. Die Regierung schützte die Altenheime zu spät. Allein in Stockholm gelangte das Virus zeitweise in über ein Drittel aller Heime und brachte über infiziertes Pflegepersonal den Tod über die Bewohner. Insgesamt lebte rund die Hälfte aller 14.500 Covid-Toten Schwedens in Altenheimen. Viele von ihnen starben in der ersten Phase. Als dann endlich Masken für Pfleger besorgt worden waren, verweigerte die Gewerkschaft zunächst ihre Zustimmung. Wegen verschlechterter Arbeitsbedingungen.

 

Ermeuter Hackerangriff

Die schwedische Gesundheitsbehörde Folkhälsomyndigheten meldet heute, dass es mehrere Hackerangriffe gegeben habe. Die Behörde untersucht diese Hackerangriffe auf die Infektionskrankheiten-Datenbank Sminet, mit der auch Covid-19-Infektionen erfasst werden. Die Datenbank musste zwischenzeitlich abgeschaltet und die Aktualisierung der schwedischen Covid-19-Infektionsstatistik für rund eine Woche bis zum 3. Juni ausgesetzt werden. Ob Zahlen dadurch verfälscht oder gelöscht werden, ist noch unklar.

 

Schweden Tourismus aktuell: Hochrisikogebiet

Auch im Tourismus sieht es nicht besser aus. Vor nicht notwendigen, touristischen Reisen nach Schweden wird aufgrund der nach wie vor hohen Infektionszahlen gewarnt. Schweden ist von Covid-19 sehr stark betroffen. Landesweit überschreitet die Zahl der Neuinfektionen 200 Fälle pro 100.000 Einwohner auf sieben Tage, weshalb Schweden als Gebiet mit besonders hohem Infektionsrisiko (Hochinzidenzgebiet) eingestuft wird.

 

Einreise: Bei Einreise muss ein negatives Covid-19-Testergebnis vorgelegt werden. Zwischen der Probenabnahme und dem Grenzübertritt dürfen höchsten 48 Stunden liegen. Es werden Ergebnisse von PCR-, Lamp- und Antigen-Tests akzeptiert. Das Testzertifikat muss folgende Informationen enthalten: Name der getesteten Person, Zeitpunkt der Probenabnahme, Art des Testes (PCR-, Lamp- oder Antigen-Test), Testergebnis, Aussteller des Zertifikats. Zertifikate werden in englischer, schwedischer, norwegischer oder dänischer Sprache akzeptiert (siehe auch Behörde für öffentliche Gesundheit Folkhälsomyndigheten).

Die Nicht-Einhaltung dieser Voraussetzungen, also zum Beispiel die Überschreitung des 48-Stunden-Zeitraums oder die Vorlage eines Testergebnisses in deutscher Sprache, führt erfahrungsgemäß zur Zurückweisung an der Grenze.

 

Von dem Erfordernis der Vorlage eines negativen Covid-19-Tests sind unter anderem schwedische Staatsangehörige, Minderjährige, Personen mit dauerhaftem Wohnsitz in Schweden, Personal des Güter- und Warenverkehrs sowie des Transportsektors, Grenzpendler (müssen einmal pro Woche einen Test vornehmen lassen), Seefahrer und Einreisende aus dringenden familiären Gründen ausgenommen.

Entsprechende Gründe für eine Ausnahme vom Erfordernis der Vorlage eines negativen Covid-19-Tests müssen mit aussagekräftigen Unterlagen an der Grenze belegt werden können. Die Gesundheitsbehörde empfiehlt auch diesem Personenkreis, der unter eine Ausnahmeregel fällt, sich bei der Einreise testen zu lassen und für sieben Tage abzusondern.

 

Länder mit den meisten Coronainfektionen (COVID-19) in den letzten sieben Tagen in Europa

 

Lockerungen der Massnahmen in Schweden

Seit heute sind unter anderem wieder mehr als acht Teilnehmer bei Treffen und Veranstaltungen erlaubt. In Innenräumen mit festen Sitzplätzen wie zum Beispiel im Kino dürfen jetzt 50 Menschen dabei sein, bei Veranstaltungen unter freiem Himmel wie Fussballspielen im Stadion bis zu 500. Ausserdem dürfen Restaurants nun zwei Stunden länger als bislang offen bleiben, nämlich bis 22.30 Uhr. Dabei dürfen aber weiterhin maximal nur vier Personen am selben Tisch sitzen. Das sind die ersten Schritte eines fünfstufigen Plans, mit dem die schwedische Regierung die Corona-Massnahmen über den Sommer hinweg zurückgefahren möchte.

Und das trotz Inzidenzen von aktuell über 140 Infektionen pro hunderttausend Einwohner – so viel also wie in Deutschland vielerorts inmitten der dritten Welle. Insgesamt sind in Schweden mit 1430 Menschen pro einer Million Einwohner deutlich mehr Menschen gestorben. In Deutschland waren es mit 1050 (pro Mio. Einwohner) viel weniger.

 

 

Immer wieder wurde und wird vom “Schwedischen Sonderweg” gesprochen. Grund dafür ist, dass es in Schweden keine landesweiten Ausgangssperren und Kontaktverbote gab. Bis Ende März gab es auch keinen offiziellen Lockdown. Die Schulen blieben – bis zur neunten Klasse – offen, statt offizieller Verbote entschieden sich die Behörden zunächst für Empfehlungen und Appelle an die Vernunft der Menschen und setzten auf deren Eigenverantwortung. 

 

 

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