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Schweden hebt trotz schlechter Bilanz Corona-Beschränkungen auf

DMZ – INTERNATIONAL ¦ Walter Fürst & Anton Aeberhard ¦

KOMMENTAR

 

Bereits Mitte 2020 stand fest, dass der Sonderweg von Schweden gescheitert ist. Wir berichteten in regelmässigen Abständen (Verzeichnis am Ende des Artikels). Um zu wissen, dass es so kommen musste, muss man durchaus kein Experte sein: Der lockere Sonderweg ist bereits beim Start gescheitert. Viele Tote wurden bewusst in Kauf genommen. 

 

Im 2020 hat sich Schweden entschieden, einen anderen Weg zu gehen als andere europäische Staaten. Lockdowns sollten vermieden werden, die Geschäfte offen bleiben, das Leben im Land sollte möglichst frei von Restriktionen seinen gewohnten Gang nehmen. Die Verluste sind enorm, auch wirtschaftlich.

 

Begründet wurde der vergleichsweise lockere Umgang mit der Corona-Pandemie auch mit der Hoffnung auf eine möglichst schnell eintretende Herdenimmunität, obschon bereits damals feststand, dass es eine solche nicht geben kann. 

 

Schweden weist eine extrem hohe Sterblichkeitsrate auf, deutlich höher als all seine Nachbarländer

In Schweden verloren 3x mehr Menschen ihr Leben an das Coronavirus  als in Dänemark, achtmal mehr als in Finnland und fast zehnmal mehr als in Norwegen. Auch im Vergleich mit Österreich, Deutschland und der ebenfalls zu lockeren Schweiz schneidet Schweden schlecht ab.

 

Letalitätsrate zu wenig aussagekräftig im Zusammenhang mit der Pandemie

Unter der Letalitätsrate wird das Verhältnis der Anzahl der an einer bestimmten Krankheit Verstorbenen zur Anzahl neu auftretender Krankheitsfälle in einer bestimmten Zeitspanne verstanden; sie ist nur bei akuten Fällen sinnvoll zu berechnen

 

Mortalitätsrate sagt mehr aus

Schweden        1.46%  (14'889 Tote)

Schweiz             1.27%  (11'125 Tote)

Österreich        1.22% (11'061 Tote)

Deutschland  1.11%   (94'027 Tote)

 

 

Schweden

 

Schweiz

 

Deutschland

 

Österreich

 

Corona-Beschränkungen aufgehoben

Nach anderthalb Jahren mit ohnehin vergleichsweise lockeren Massnahmen sind in Schweden die allermeisten Corona-Beschränkungen aufgehoben worden. Seit Mittwoch gelten keine Teilnehmerobergrenzen mehr für allgemeine Zusammenkünfte und Veranstaltungen wie Fussballspiele und Konzerte. Auch grössere private Feiern wie Hochzeiten und Geburtstage sind damit wieder ohne Beschränkung der Gästezahl möglich.

 

Begründet hatten die schwedische Regierung und die Gesundheitsbehörde die Lockerungen mit der erfolgreich verlaufenden Impfkampagne. Bislang haben in Schweden mehr als 83 Prozent der Menschen im Alter von über 16 Jahren mindestens eine Corona-Impfdosis erhalten, über 76 Prozent auch schon ihre zweite. 

 

Manche Empfehlungen bleiben in Schweden jedoch bestehen, insbesondere für Bürger, die bisher noch nicht vollständig gegen Covid-19 geimpft worden sind. 

 

 

Experten und Studien 

Claudia Hanson, Professorin am schwedischen Karolinska-Institut, sagte gegenüber dem Nachrichtenportal Business Insider: „Sie haben die Sterblichkeit enorm unterschätzt.“ Hätte die Regierung früher strengere Regeln eingeführt, hätte Schweden wahrscheinlich eine den nordischen Nachbarn ähnlichere, niedrigere Sterblichkeitsrate aufzuweisen. Stattdessen wurde das Land zu „einem Traum“ für jene, die „gedacht haben, man könne es anders machen“. Das Fazit der Wissenschaftlerin: „Das war keine gute Idee.“

 

Viele Expertinnen und Experten warnten davor, dass der laxe Ansatz zu unnötigen Todesfällen führen würde. Aber Anders Tegnell, der Chefarchitekt der schwedischen Coronavirus-Strategie, nahm diese in Kauf.

  

Experten kritisieren Verzicht auf Maskenpflicht gegen Corona - Eigenverantwortung eine Utopie

Dass trotzdem auf eine Maskenpflicht verzichtet wurde, kritisiert Arash Heydarian Pashakhanlou, Professor an der Swedish Defence University. Die Entscheidung der schwedischen Gesundheitsbehörden gegen eine solche Pflicht habe die Ausbreitung des Coronavirus beschleunigt – und das, obwohl es zunehmend Beweise dafür gab, dass sich der Verzicht auf Masken fatal auswirken könnte. Und obwohl die wissenschaftliche Gemeinschaft im Land eine Maskenpflicht in der überwältigenden Mehrheit gefordert hatte. Eine veritable Katastrophe und ein Verbrechen an der Bevölkerung. Unter den Augen der ganzen Welt!

 

Professorin Hanson sei „absolut angewidert“ von Tegnells Ansatz gewesen, teilte sie dem Business Insider mit. Und zwar deswegen, weil er Wissen voraussetzte, über das die Wissenschaft zu dieser Zeit nicht verfügte. Ihre Kritik fiel scharf aus: „Ist er Gott oder sogar grösser?“. Das „Schreckliche“ an der schwedischen Herangehensweise sei diese behauptete Vormachtstellung gewesen.

 

Wirtschaft an die Wand gefahren

Schwedens Wirtschaft, die ja durch eine Strategie der lockeren Handhabe der Pandemie gestärkt werden sollte, schrumpfte von April bis Juni letzten Jahres weiter um 8,6% – was den grössten vierteljährliche Rückgang im Land seit mindestens 40 Jahren bedeutet. Zum Vergleich: Die Wirtschaft Dänemarks schrumpfte in derselben Zeit um 7,4 %, die Norwegens um 5,1 % und die Finnlands nur um 3,2 %. Und auch die Arbeitslosenquote in Schweden stieg von 6,6% im März 2020 auf 9,5% im März 2021. Norwegen, Dänemark und Finnland verzeichneten alle einen geringeren Anstieg der Arbeitslosigkeit: im Durchschnitt um einen Prozentpunkt.

  

Die schwedische Regierung hat für ihren Umgang mit der Corona-Pandemie regelmässig heftige Kritik einstecken müssen. Das Kontrollkomitee des Reichstages hatte einen Bericht vorgelegt, in dem der Regierung zahlreiche Mängel vorgeworfen wurden.

Über eine Million Infektionen und über 14'000 Menschenleben forderte der "Sonderweg von Schweden", den das Land dann doch verlassen musste um noch Schlimmeres zu verhindern.

 

 

   

 

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